Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Steinmeier mahnt Parteien
CDU, CSU und SPD ringen bis zuletzt um Kompromisse
BERLIN (dpa) - In der Schlussphase der Sondierungen für eine Regierungsbildung hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier CDU, CSU und SPD an ihre Verantwortung erinnert. Sie seien nicht nur ihren Parteien und der eigenen politischen Zukunft verpflichtet, sondern hätten auch Verantwortung für Europa und die internationale Politik, sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in Berlin beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps.
In der voraussichtlich letzten Sondierungsrunde der drei Parteien ging es um Steuern und Finanzen sowie Migration und Flüchtlingsnachzug, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Pflege, Renten und Europa. SPD-Chef Martin Schulz rückte die Europapolitik in den Mittelpunkt. „Wenn wir in eine solche Regierung eintreten, dann unter der Bedingung, dass sie Europa stark macht“, sagte er vor der SPDZentrale, wo die entscheidende Runde anberaumt worden war.
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BERLIN (sal) - Sie haben sich noch nicht erholt von der Wahlschlappe im vergangenen Frühjahr. Zu sicher waren sich die NRW-Genossen gewesen, mit Hannelore Kraft noch einmal das Land zu regieren. Doch dann verloren sie mit nur 31,2 Prozent die Macht im traditionell roten Nordrhein-Westfalen, der Herzkammer der SPD. Der Schock saß tief, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verließ fast fluchtartig ihren Posten.
Die Schuldfrage der Wahlniederlage war schnell geklärt: Es lag an der Schulpolitik, aber auch an der Großen Koalition in Berlin. „Nie wieder Große Koalition“war die Lehre. Denn sie führe zu einer Verzwergung der SPD.
Der neue SPD-Chef Michael Groschek befand bereits im Dezember im „Spiegel“: „Die Hauptverantwortung der SPD liegt darin, wieder so groß und stark zu werden, dass sie für die Menschen im Land eine echte Kanzler-Alternative zur Union darstellt. Wenn wir uns an die Rolle des Juniorpartners gewöhnen, enden wir als Wackeldackel.“
Nun muss die Partei voraussichtlich doch wieder langsam an die Rol- le des Juniorpartners gewöhnt werden. Auch Martin Schulz kommt aus dem Landesverband NRW, er hat also einen Heimvorteil, doch einfach wird es für ihn nicht. Denn die NRWSPD stellt auf dem Parteitag in Bonn, der in zehn Tagen über die Gespräche zu einer GroKo entscheiden soll, knapp 150 Delegierte und damit rund ein Viertel aller Delegierten. BadenWürttemberg schickt zum Vergleich nur 47 Delegierte. Während in Stuttgart die Stimmung an der Basis als 50:50 beschrieben wird, es gibt Befürworter und auch Gegner einer Neuauflage der Großen Koalition, sind in Düsseldorf weit größere Barrieren zu spüren. Auch der SPDFraktionschef Norbert Römer gilt als äußerst skeptisch.
Die Delegierten aus NRW heizten bereits beim Berliner SPD-Parteitag im Dezember der Parteispitze kräftig ein und setzten in einem Antrag den Sonderparteitag (statt eines Partei- konvents) vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen durch. Der soll nun am 21. Januar in Bonn stattfinden.
Während die frühere NRW-SPDChefin Hannelore Kraft die Fähigkeit besaß, die Genossen hinter sich zu versammeln, wird ihrem Nachfolger als SPD-Chef Michael Groschek dieses Charisma abgesprochen. Doch er nimmt die gleiche Rolle ein, die Hannelore Kraft vor vier Jahren als eine Art von Preistreiberin der Großen Koalition innehatte. Der 61-jährige Michael Groschek nannte Verbesserungen in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Sozialpolitik als Bedingung für eine Große Koalition. Groschek ist Chef von 110 000 Mitgliedern, dem größten Landesverband der SPD. Vor allem die Jusos und die SPD-Linken hatten gegen eine Große Koalition mobil gemacht. Die Große Koalition sei abgewählt, war ihr Argument.