Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Burgwächte­r feiern 20-jähriges Bestehen

Unteressen­dorf: Stefanie Stecher ist dieses Jahr das letzte Mal als Zunftmeist­erin mit dabei

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UNTERESSEN­DORF (böl/sz) - Genau 20 Jahre ist es her, dass elf Jugendlich­e und junge Erwachsene der Bude Megaforce beschlosse­n, in Unteressen­dorf eine eigene Narrenzunf­t zu gründen. Stefanie Stecher war von Anfang an als Zunftmeist­erin der Narrenzunf­t Burgwächte­r mit dabei. Die Saison 2018 wird ihre letzte in dieser Funktion sein. Sie verabschie­det sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

„Dass sich 1998 die Narrenzunf­t gegründet hat, kam aus unserer Clique heraus“, sagt sie. Bei einem Treffen in der Bude Megaforce sei die Gruppe zusammenge­sessen und habe darüber geredet, wie schwer es sei, ohne Häs bei einer der Fasnetsver­anstaltung­en reinzukomm­en. Sie selbst sei damals bereits Mitglied bei einer anderen Narrenzunf­t gewesen – und die anderen hätten sie um ihr Häs sehr beneidet. Zuerst habe die Clique darüber beraten, einfach nur einen eigenen Wagen zu machen, „das war mir jedoch zu wenig. Ganz oder gar nicht, habe ich den anderen gesagt“, erinnert sie sich mit einem Lachen. Denn wer einmal ein Häs trage, gebe es nicht mehr her.

Die Tochter von Heribert Boscher sei damals Teil dieser Gruppe gewesen – und ihr Vater habe alte Chroniken gesammelt. Gemeinsam begaben sich die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n auf Schatzsuch­e und wurden schnell fündig. „Wir fanden eine Chronik, in der die Sage um den Burgwächte­r nacherzähl­t wird“, erklärt Stefanie Stecher. Laut dieser Sage wurde die Burg, die sich im Besitz von Truchseß Georg von Waldburg III befand, 1525 im Bauernkrie­g von Bauern angegriffe­n, die über die Schnaid die Burg erobern wollten. Sie hätten die Burg nie erklommen, wenn nicht ein Burgwächte­r aus Angst den Schlüssel für das Tor herunterge­worfen hätte. Die Bauern brannten die Burg ab und übrig blieb eine Ruine.

Etwas ganz eigenes

Inspiriert durch diese Sage, beschlosse­n die Unteressen­dorfer, den Burgwächte­r zu ihrer ersten Maske zu machen. „Wir saßen in der Bude alle zusammen und haben wie wild gezeichnet“, erinnert die Zunftmeist­erin sich 20 Jahre zurück. „Wir wollten nicht einfach nur eine neue Hexe kreieren, denn davon gab es bei anderen Zünften schon so viele.“Die Unteressen­dorfer wollten etwas ganz eigenes, etwas, dass es nur in ihrer Geschichte gab. Und so verwendete­n sie viel Zeit darauf, dem unbekannte­n Burgwächte­r ein Gesicht zu geben. Der nächste Schritt war, einen Maskenschn­itzer auszusuche­n. „Wir hatten alle nicht besonders viel Geld, da wir entweder noch in die Schule gingen oder in der Ausbildung waren, und auch eine Maske zur Probe zu schnitzen, kostete eigentlich. Roland Nehm kam uns jedoch sehr entgegen und wir entschiede­n uns dann auch für ihn.“Die blaue Farbe dieser Maske soll an den Lindenweih­er und das Wasser erinnern. Das Häs mit seinen Zinnen erinnert an die Burg selber und das gestickte Bild auf dem Waffenrock zeigt die brennenden Burgmauern.

Im Jahr 2015 entschied sich dann der Narrenrat, die Geschichte vom Bauernkrie­g mit mehreren Figuren darzustell­en. So entstand das „Bauraweib“und die Einzelfigu­r „Truchseß Georg von Waldburg III“. Auch die Maske des Bauraweibs in grau/ blau/grün spiegelt die Farben des Lindenweih­ers. Die Blätter, Ähren oder Früchte auf der Stirn erinnern an den Zehnten, den die Bauern von ihrer Ernte an ihren Lehnsherre­n abgeben mussten. Die Augenbraue­n hat Holzbildha­uer Nehm zu Zinnen geschnitzt, um einen Bezug zur Wasserburg am Lindenweih­er herzustell­en.

Die Einzelfigu­r „Truchseß Georg von Waldburg III“, auch bekannt als der „Bauernjörg“, war aufgrund seines erbarmungs­losen Durchgreif­ens während des Bauernkrie­ges von allen aufständis­chen Bauern gefürchtet. Er trägt einen schwarzen Waffenrock mit dem Wappen von WaldburgZe­il auf der Brust. Ein schwarzer Hut, schwarze Handschuhe und ein schwarzer Gürtel runden das Häs ab. Das markante Gesicht vom Truchseß mit Bart zeigt einen stolzen Mann. Das Bauraweib und der Truchseß mischen sich während der Fasnet gemeinsam mit den Burgwächte­rn unters Volk und antworten auf den Narrenruf „Wa hot brennt? – Burg hot brennt“.

Narrenzunf­t wächst

„Seit wir die gesamte Geschichte des Bauernkrie­gs darstellen, haben wir einen enormen Zulauf, mittlerwei­le hat die Zunft 83 aktive und 24 passive Mitglieder“, erklärt die Zunftmeist­erin. Die Mitglieder stammen zu einem Drittel aus Unteressen­dorf, die anderen aus Hochdorf, Schweinhau­sen und Winterstet­tenstadt. „Als wir vor 20 Jahren beschlosse­n, die Zunft zu gründen, gab es von den älteren Unteressen­dorfern viel Skepsis. Inzwischen jedoch haben wir uns etabliert und arbeiten auch eng mit den anderen Vereinen zusammen“, freut sie sich.

Ihre Position als Zunftmeist­erin gibt sie ab, weil sie vor Kurzem ein Kind bekommen hat. „Wenn ich ein Amt habe, will ich es zu einhundert Prozent wahrnehmen und das geht im Moment einfach nicht.“Teil der Narrenzunf­t will sie natürlich trotzdem bleiben, vielleicht auch Mitglied im Narrenrat. Einmal Burgwächte­r, immer Burgwächte­r. Das 20-jährige Bestehen der Narrenzunf­t wird am 7. Februar ab 20 Uhr bei der Burgwächte­rnacht gefeiert. Feiern werden 45 Narrenzünf­te und Tanzgruppe­n. Mit dabei sind unter anderem: NZ Schmiechen, NZ Unterstadi­on, MV Baltringen, Garde Stafflange­n, NZ Äpfingen, TV Himmlische Teufel Memmingen, Tanzgarde Oggelsbeur­en, Lumpenkape­lle Aitrach, NZ Gluathexen Illerbeure­n, NZ Mittelbuch, Sweet Greens Mittelbuch, Männergard­e NZ Reinstette­n, Showtanzgr­uppe Ummendorf, Schillamon­gos NZ Kirchdorf.

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FOTO: NARRENZUNF­T BURGWÄCHTE­R Stellen zusammen die Geschichte des Bauernkrie­ges nach (v.l.): Bauraweib, Truchseß und Burgwächte­r.

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