Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Situation in Obdachlosenheim bemängelt
Michael F. erzählt, dass er von einem Mitbewohner bedroht wurde.
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BAD WALDSEE - Michael F. musste im September aus privaten Gründen in die Bad Waldseer Obdachlosenunterkunft in der Biberacher Straße ziehen. Seither leidet er unter der Wohnsituation und seinen Mitbewohnern. Vom Sozialamt fühlt er sich im Stich gelassen. Der „Schwäbischen Zeitung“hat er seine frustrierende Lebenssituation offen geschildert und hofft auf eine Chance.
Das Jahr 2012 wird der 38-Jährige wohl nie vergessen. Es war das Jahr, in dem er heiratete und sich am Lebenshöhepunkt wähnte, ehe er wenige Monate danach an Burn-out und Depression erkrankte. Der damalige Drogeriemarkt-Leiter hielt unter anderem dem zunehmenden Arbeitsdruck nicht stand. Ab diesem Zeitpunkt ging es steil bergab. Einer langen Krankschreibung folgten etliche Termine beim Psychologen und ein Aufenthalt in einer Rehaklinik. Neben den psychischen Leiden machte ihm dann auch noch sein Körper zu schaffen – Sehstörungen und zwei Zusammenbrüche waren die Folge. Im April des vergangenen Jahres ließ sich seine Frau von ihm scheiden, im August zog er aus ihrer Eigentumswohnung aus. „Seither dümpel ich vor mich hin. Ich habe keine Familie, wo ich hin kann. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ins Obdachlosenheim zu gehen. Aber das Obdachlosenheim macht mich wahnsinnig“, sagt F. und schüttelt den Kopf.
Bewohner verschlimmern Lage
Wie er schildert, sei er von einem Mitbewohner bedroht worden. Ein anderer lasse keinen normalen Tagesablauf zu. Laut F. spricht jener Bewohner lautstark mit sich selbst, steht nachts auf, um zu kochen. „Das alles verschlimmert meine Situation noch mehr“; meint der gebürtige Ravensburger, der in Aulendorf aufwuchs und noch immer wöchentlich psychologische Betreuung aufsuchen muss. Mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit hofft F., „dass irgendjemand Einsehen hat und ich eine Chance auf eine Wohnung bekomme, um mir ein neues Leben aufzubauen“. In seinen eigenen vier Wänden könne der Hartz-IV-Empfänger wieder zur Ruhe kommen und sich im weiteren Verlauf um einen Job bemühen. Aktuell sei ihm das nicht möglich.
Vom Sozialamt erfahre F. keine Unterstützung, seine Anliegen würden nicht ernst genommen, kritisiert er. Dabei bemüht er sich um eine Veränderung und hat sich auf 40 Wohnungen beworben. Antworten erhielt er beinahe nie. Auch seine Anzeigen im Internet und Aufrufe in sozialen Netzwerken blieben unkommentiert. Bad Waldsee würde er ungern verlassen („Es ist meine Heimat und das Einzige, was mir nach der Scheidung noch geblieben ist“), auch hinsichtlich seines Psychologen und seiner Hausärztin vor Ort.
Mit der Betreuung der Bewohner in den städtischen Obdachlosenunterkünften befasst sich seit zwei Jahren Sozialarbeiterin Anne KneissleStöferle. Sie kümmert sich je nach Bedarf um alle möglichen Anliegen der Bewohner, sofern ihre Unterstützung gewünscht ist und angenommen wird, teilt Margit Geiger, Leiterin des Fachbereichs Sicherheit, Ordnung, Soziales und Standesamt, auf SZ-Nachfrage mit. Die Hilfestellung umfasse behördliche und private Angelegenheiten. Sie sei während ihrer Bürozeit im Sozialamt erreichbar, besuche die Bewohner aber auch in deren Wohnungen.
Rasch um Wohnung kümmern
Geiger teilt außerdem mit, dass die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser eine Aufgabe der Ortspolizeibehörde und nicht des Sozialamtes sei. Dabei handle es sich immer um eine Notunterbringung mit vorübergehendem Charakter. Es werde kein Mietverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis begründet. „In den sogenannten Einweisungsverfügungen werden die Betreffenden darauf hingewiesen und darauf, dass sie sich möglichst rasch um eine eigene Wohnung bemühen müssen. Wenn bezahlbare und angemessene Wohnungsangebote bekannt werden, werden diese entsprechend weitergegeben. Die Betreffenden müssen sich allerdings selbst um die Wohnungen bewerben und sich mit den Vermietern in Verbindung setzen“, so Geiger. Da vor allem kleine, bezahlbare Wohnungen derzeit schwer zu finden sind, sei die Wohnungssuche nicht ganz einfach, räumt die Fachbereichsleiterin ein und ergänzt, dass teilweise auch der jeweilige persönliche Hintergrund eine Rolle spiele.
Hinsichtlich der misslichen Mitbewohner-Lage von Michael F. gibt Geiger allgemein zu verstehen, dass bei der Vergabe der Plätze in den Unterkünften mit den vorhandenen Kapazitäten gewirtschaftet werden muss: „Es werden deshalb auch Wohngemeinschaften gebildet, um Raumreserven für Notfälle vorhalten zu können. Bei der Bildung von Wohngemeinschaften ist man um eine möglichst homogene Zusammensetzung bemüht. Einen Anspruch auf eine besondere Unterbringungsform oder Einzelunterbringung besteht nicht.“Im Verhältnis zu anderen Kommunen weisen die Unterkünfte in Bad Waldsee laut Geiger einen vergleichsweise guten Wohnwert auf.
Interessierte Vermieter können sich zur Vermittlung bei der „Schwäbischen Zeitung“melden unter redaktion.waldsee@schwaebische.de