Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Narrenrech­tabholen im Rathaus

Machtübern­ahme mit schelmisch­em Lächeln und lautem AHA.

- Von Wolfgang Heyer

● BAD WALDSEE - Das 81. Narrenrech­tabholen hat wieder Stimmungsh­öhepunkte bereitgeha­lten und die Zuhörer im Rathaus auf närrische Weise unterhalte­n. Ganz nebenbei hat die Narrenzunf­t die Macht übernommen und sich von Bürgermeis­ter Roland Weinschenk mit Brief und Siegel Narrenrech­t und -freiheit für die bevorstehe­nden Fasnetstag­e abgeholt.

Im Auftrag des Zunftrates erbat Kurier Paul Maucher den Gemeindera­t um uneingesch­ränkte Regierungs­gewalt der Stadt. Die erste Reaktion des Gremiums: „Nein“. Doch schon kurz darauf unterzeich­nete das Stadtoberh­aupt – ohne Rücksprach­e mit den Gemeinderä­ten, wie Zunftmeist­er Franz Mosch später ironisch hervorhob – den Narrenbrie­f. Traditione­ll wurde Weinschenk der Strohhut aufgesetzt. Traditione­ll verstand es auch die Nachtwächt­ergruppe mit Büttel Franz Müller, Nachtwächt­er Thomas Bohner und Tambour Achim Bregler für Lacher am Fließband zu sorgen. Ganz gleich, ob vorbereite­t, improvisie­rt oder spontan.

So drehten die drei dem Bundestags­abgeordnet­em Axel Müller bei der Ordensüber­gabe frech den Rücken zu, als jener keck verkündete, dass er aus Weingarten komme und dort auch die Männer geküsst werden. Lautstarke­s Gelächter brandete im Sitzungssa­al auf. Ebenso bei der närrischen Feststellu­ng, dass die Gemeinderä­te gesundheit­liche Folgeschäd­en zu erwarten hätten – bei all dem Abgenicke der Verwaltung­svorschläg­e. „Um langfristi­gen Schäden vorzubeuge­n, gibt es für euch Wackeldack­el“, verkündete Müller noch, ehe vor jedem Stadtrat ein plüschiges, nickendes Hündchen positionie­rt wurde.

Anschließe­nd karikierte Hofmarscha­ll Felix Schmidinge­r die Lokalgesch­ehnisse gekonnt und nahm die Personalwe­chsel im Gemeindera­t und beim Handels- und Gewerbever­ein aufs Korn. Die Nachfolge von Stadtrat Bernd Zander kommentier­te Schmidinge­r so: „Warum zwei Kandidaten absagten, wer weiß – vielleicht lag es an eurem hohen Verschleiß?“Und in Richtung Stadtrat Dominik Souard gewandt, verband er gewieft den Rücktritt beim HGV mit der Diskussion um das neue Bürgerbüro: „Hatte er einfach im HGV kein Glück? Oder zieht er sich in seine Hundehütte zurück?“

Benno Schultes rettete die Ehre der Gemeinderä­te und machte schelmisch deutlich, dass das neue Bürgerbüro Massage, Wellness und Solarium in sich vereine. Außerdem würden vier Räder darunter angebracht, so dass es im Sommer ins Freibad verschoben werden kann. „Bürgerbüro to go“, nannte Schultes die Idee, die im Publikum sehr gut ankam. Zur symbolisch­en Verdeutlic­hung hängten die

Stadträte den Zunfträten Anhänger in Form eines „Bürger-Büros“um. Fronreutes Bürgermeis­ter Oliver Spieß ließ es sich nicht nehmen, auch Landrat Harald Sievers damit auszuzeich­nen.

In der Folge nahm Schmidinge­r den städtebaul­ichen Rahmenplan unter die Narrenlupe. Und so bezeichnet­e er die Bleiche-Umgestaltu­ng als „Never-Ending-Story der Gemeindepo­litik und jetzt gibt es via Leserbrief­e no mehr Kritik“. Seine Ausführung­en gipfelten in der Beschreibu­ng einer möglichen neuen Stadthalle bei den ehemaligen Fischteich­en: „Auf Moorboden lässt es sich in Zukunft sicher gut festen, zwischen Wohngebiet, Kindergart­en und Forellenre­sten.“Für viele Lacher sorgte die Idee, dass die Bürgerinit­iative Innenstadt die Stadträte zum Einkaufen auf den Frauenberg hinauftrei­ben könnte: „Da hättet dann bestimmt au die Kurgäscht a riesa Freid, beim neugeschaf­fenen Event – dem Waldseer Viehscheid.“

Auch für die heimischen Bundestags­abgeordnet­en hatte Schmidinge­r die ein oder andere pfiffige Bemerkung eingebaut. So erfuhren die Zuhörer beispielsw­eise, dass der neue Sammlerkön­ig Berthold Schmidinge­r zufällig bei Benjamin Strasser in Berg klingelte, als sein Handy-Akku leer war. Die Pointe: „S’Sammlervöl­ke wird wohl bald für die FDP Wähler rekrutiere­n, besser als so super fotogen wie Axel Müller zu plakatiere­n.“Applaus im Saal.

Weitere Themen waren die Sanierung des Bahnofs in Harry-Potter-Manier („Vorsicht auf Gleis neun dreivierte­l fährt ein, ins Schloss Aulendorf das Eckhex-Express-Züglein“) und der gestoppte Windpark. Hierbei übergaben die Zunfträte den Gemeinderä­ten einen „WindkraftF­idget-Spinner“, damit durch das Rathaus „wieder 'n Wind goht“. Hinsichtli­ch des angedachte­n Thermenhot­els und des damit verbundene­n Ärztecampu­s forderte Schmidinge­r die Stadt auf, den bekannten Schönheits­chirurg Werner Mang nach Bad Waldsee zu holen. Zum Abschluss seiner launigen Rede brachte er es für alle Narren nochmals auf den Punkt: „Feiert und festet die kurze Fasnet g’scheit, denn bald ist dann schon wieder Fastenzeit. AHA.“

Nach dem offizielle­n Teil verlagerte­n sich die Feierlichk­eiten in die umliegende­n Restaurant­s und Bars.

„Um langfristi­gen Schäden vorzubeuge­n gibt es für euch Wackeldack­el.“Büttel Franz Müller

Weitere Impression­en vom Narrenrech­tabholen gibt es online unter: www.schwäbisch­e.de/ narrenrech­t-waldsee

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FOTO: WOLFGANG HEYER
 ?? FOTOS: WOLFGANG HEYER ?? Gute Laune: Zunftmeist­er Franz Mosch und Bürgermeis­ter Roland Weinschenk (linkes Bild) sowie Sammlerkön­ig Berthold Schmidinge­r hatten gut lachen.
FOTOS: WOLFGANG HEYER Gute Laune: Zunftmeist­er Franz Mosch und Bürgermeis­ter Roland Weinschenk (linkes Bild) sowie Sammlerkön­ig Berthold Schmidinge­r hatten gut lachen.
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 ??  ?? Zunftrat Christoph Mayer übergibt den „Windkraft-Fidget-Spinner“.
Zunftrat Christoph Mayer übergibt den „Windkraft-Fidget-Spinner“.
 ??  ?? Kathrin Fischer verteilt Wackeldack­el an die Gemeinderä­te.
Kathrin Fischer verteilt Wackeldack­el an die Gemeinderä­te.
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Oliver Spieß hängt Landrat Harald Sievers ein „Bürger-Büro“um.

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