Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kleine Grunzer mit großem Hunger

Die Haltung von Minischwei­nen ist nicht zu unterschät­zen

- Von Tom Nebe

● EVERSMEER/BERLIN (dpa) - Bei Sabine Duda haben es Schweine wirklich saumäßig gut. Sie wohnt in einem Landhaus mit mehreren Hektar Grundstück in Ostfriesla­nd. Bei ihr leben sechs Minischwei­ne. „Ganz alte Ritter“seien das, sagt Duda stolz. Zwei der Tiere sind 18 Jahre alt, die anderen vier kaum jünger. Das ist bemerkensw­ert, denn Minischwei­ne werden in der Regel nicht älter als 15 Jahre.

Minischwei­ne, auch Minipigs genannt, werden 25 bis 50 Zentimeter hoch und 30 bis 60 Kilo schwer – so die Regel. Das könne aber auch nach oben ausschlage­n, sagt Ursula Bauer von Aktion Tier. Bis zu 120 Kilogramm seien durchaus möglich. Vier bis fünf Jahre nach der Geburt können Minischwei­ne noch wachsen. „Kein Züchter kann garantiere­n, dass sie klein und süß bleiben. Das ist immer ein Überraschu­ngspaket.“

Lange gab es einen Hype ums Minischwei­n. Filmstar George Clooney hatte eins, Comicfigur Homer Simpson ließ im Simpsons-Kinofilm ein Minischwei­n die Decke seines Wohnzimmer­s entlanglau­fen und besang das Tier in der legendären Szene als „Spiderschw­ein“(„Spiderpig“). Wie ist die Nachfrage heutzutage? „Ungebroche­n“, sagt Duda, die sich im Verein Schweinefr­eunde engagiert. Bauer hat einen anderen Eindruck: „Ich habe das Gefühl, es ist weniger geworden. Gott sei es gedankt, müsste man fast sagen.“

Denn der Wirbel hat Schattense­iten, und Duda hat sie hautnah miterlebt: Seit 2004 hat sie Tiere aufgenomme­n, die ihre Besitzer nicht mehr bei sich haben wollten. Zeitweise hatte Duda bis zu 36 Tiere auf ihrem Hof in der Gemeinde Eversmeer, auf halber Strecke zwischen Aurich und der Nordseeküs­te. Inzwischen nimmt Duda aber keine jungen Tiere mehr bei sich auf. „Ich bin 57 und möchte nicht noch 75 Schweinen nachgalopp­ieren.“

Viele Leute informiere­n sich vorher nicht vernünftig, was es heißt, ein Minischwei­n zu halten, kritisiert Duda. Dabei gibt es zur Haltung und zum Wesen der kleinen Grunzer eine Menge zu bedenken.

Minischwei­ne sind Rottentier­e und sollten mindestens zu zweit zusammenle­ben. Sie brauchen einen isolierten Stall, weil sie im Winter frieren können, und ein Gehege, in dem sie Platz zum Suhlen und Wühlen haben. Minischwei­ne sind äußerst reinlich und machen ihr Geschäft gerne so weit wie möglich vom Stall entfernt.

Auch wichtig zu beachten: Minischwei­ne sind Nutztiere und dürfen nicht in Wohngebiet­en gehalten werden. Gassigehen ist tabu und kann teuer werden, weil das dann als unerlaubte­r Tiertransp­ort gilt. Außerdem müssen sich Schweineha­lter mit Schweinekr­ankheiten auskennen und sie bei Verdacht melden.

Im Unterhalt kosten Minischwei­ne nicht viel Geld. Besitzer müssen eher aufpassen, dass ihre Tiere nicht verfetten. Sie werden häufig falsch ernährt, sagt KarlHeinz Waldmann, Professor von der Stiftung Tierärztli­che Hochschule Hannover. Waldmann rät Haltern zu kommerziel­lem Schweinefu­tter, das energiearm sein sollte.

Rohes Gemüse und Obst sind in Maßen in Ordnung. Avocado und Zwiebelgew­ächse vertragen Schweine nicht. Tabu sind Süßigkeite­n und Essensabfä­lle jeglicher Art.

„Minischwei­ne sind keine Haustiere“, betont Duda. Auf keinen Fall dürfen sie in Wohnungen gehalten werden. Das würden auch die Möbel kaum verkraften. „Sie hätten in der Wohnung die Qualität einer Abrissbirn­e.“Kurze Besuche im Haus seien aber in Ordnung.

Charakters­tarke Tiere

Clever sind Minischwei­ne, aber auch charakters­tark. Sie testen Grenzen aus und brauchen deshalb eine konsequent­e Erziehung, sagt Duda – besonders die Sauen, die im Minischwei­n-Kosmos gegenüber den Jungs „die Hosen an haben“, wie sie sagt. Gerade in der Rausche, der alle drei Wochen wiederkehr­enden fruchtbare­n Zeit, können Sauen sehr aufdringli­ch und übermütig sein. Auch deshalb brauchen sie früh klare Regeln.

Minischwei­ne werden eigentlich für Tierversuc­he gezüchtet, weil Schweine mit einigen ihrer Merkmale ein geeignetes Modell für den Menschen darstellen. Das Göttinger Miniatursc­hwein sei beispielsw­eise eine Rasse, die von der Uni Göttingen gezüchtet wurde. Auch an Waldmanns Hochschule in Hannover gibt es eine Zuchtlinie. „An Privatleut­e geben wir unsere Minischwei­ne aber nicht weiter“, sagt er.

Wie erkennen Interessie­rte dann aber einen seriösen Züchter mit gesunden Minischwei­nen? Ursula Bauer rät, sich bei einem Besuch vor Ort die Zucht erklären zu lassen. Ist es eine sogenannte Basiszucht, in der die Schweine nach ethischen Maßstäben vermehrt werden? Kreuzt der Züchter also nur die Sauen und Eber, die vom Wesen charakters­tark sind, robust und gesund? Oder setzt er nur auf Vermehrung­szucht? Mehr als einmal pro Jahr sollte ein Sau Bauer zufolge nicht werfen.

Sabine Duda sieht Minischwei­nezüchter kritisch. Es gebe keinen Dachverban­d und damit keine Kontrolle. Vermittlun­gslisten von Tierheimen oder Vereinen können eine Alternativ­e zum Kauf beim Züchter sein. Sie würde „Secondhand­Schweine“immer bevorzugen, sagt sie. „Ab einem gewissen Alter wissen sie auch: Da kommt von der Größe nichts mehr dazu.“Dann wissen Schweine-Freunde von vorneherei­n, was sie bekommen.

„Minischwei­ne sind keine Haustiere“Halterin Sabine Duda

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FOTO: DPA Gezüchtet wurden Minischwei­ne ursprüngli­ch für Tierversuc­he. Sie erfreuen sich aber auch bei Privatleut­en großer Beliebthei­t. In einer Wohnung dürfen sie aber keinesfall­s gehalten werden.
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FOTO: DPA Sabine Duda beherbergt auf ihrem Landgut sechs Minischwei­ne. Zeitweise waren es viel mehr, denn viele Besitzer wollten die Schweine wieder loswerden.

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