Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wilhelmsdorf überschreitet 5000-Einwohner-Grenze
Vor 30 Jahren wurden der Gemeinde nach der Volkszählung von 1987 rund 900 Menschen abgesprochen
● WILHELMSDORF - Die Gemeinde Wilhelmsdorf hat zum Stichtag
31. Dezember 2016 eine Grenze überschritten. Laut Statistischem Landesamt zählte der Ort zu diesem Zeitpunkt genau 5003 Einwohner. In der aktuellen Gemeindebroschüre von 2017 war die zuletzt amtlich festgestellte Bevölkerungszahl zum 31. Dezember 2015 noch mit 4938 angegeben worden. In dieser Zahl nicht enthalten sind rund 500 Bewohner mit Nebenwohnsitz. „Wir haben eine magische Marke überschritten“, sagte Bürgermeisterin Sandra Flucht in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Aktuell dürften deutlich mehr als 5000 Menschen in Wilhelmsdorf leben, wenn die offiziellen Zahlen hochgerechnet werden. Auf ihr Gehalt habe das Überschreiten der 5000-Einwohner-Marke keinen Einfluss, antwortete Flucht lächelnd auf eine Nachfrage aus dem Gremium.
Ein Blick in die Gemeindegeschichte zeigt, dass das Thema Einwohnerzahl vor genau 30 Jahren für politische Verwerfungen sorgte. Grund dafür waren die Ergebnisse der Volkszählung vom Frühjahr 1987. Die Auswertung, die erst ein Jahr später bekannt wurde, sorgte für einen Paukenschlag. „Auf einen Schlag 900 Einwohner weniger“lautete eine der Überschriften in der Berichterstattung. In der Schwäbischen Zeitung hieß es „Volkszählung ergibt: Wilhelmsdorf fehlen gut 900 Einwohner – Hallenbau sofort gestoppt“. Eine der Auswirkungen war der Verlust von jeweils rund 700 000 D-Mark bei den Finanzzuweisungen des Landes in den Folgejahren. Die ursprünglich errechneten Verluste lagen weit höher, wurden später aber nach politischen Entscheidungen reduziert.
Bis heute hat Wilhelmsdorf keine klassische Festhalle
Der damalige Bürgermeister Bernd Schick und der Gemeinderat zogen sofort die Reißleine. Der erst wenige Tage vor Bekanntwerden des Zählungsergebnisses begonnene Bau einer neuen Gemeindehalle, die vier Millionen D-Mark kosten sollte, wurde sofort eingestellt. Wilhelmsdorf hat bis heute keine Festhalle.
Bei einem zweiten Anlauf ergab ein Bürgerentscheid eine knappe Mehrheit gegen einen Hallenbau. Auf dem dafür vorgesehen Gelände steht heute das in die Jahre gekommene Feuerwehrgerätehaus.
Wie kam es damals zu dieser dramatischen Entwicklung? Nach den 1988 errechneten Zahlen waren knapp 900 Personen weniger mit ihrem Hauptwohnsitz in Wilhelmsdorf gemeldet als im Einwohnermeldeamt der Gemeinde festgehalten. Statt 4460 Menschen wurden nach den Zahlen der Statistiker nur 3563 Personen der Gemeinde zugerechnet. 308 Einwohner waren mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Wie es zu dieser Bewertung der Volkszählung kam erläuterte damals Bürgermeister Bernd Schick im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Gemeinde sei bekannt gewesen, dass die Daten des Statistischen Landesamts vor der Volkszählung und die des örtlichen Einwohnermeldeamts um 200 bis 250 Einwohner differierten. Dieser Unterschied wurde durch Fehler bei der sogenannten Wanderungsstatistik erklärt.
Viel stärker wirkte sich damals aber aus, dass die laut Gesetz meldepflichtigen Personen der damals Zieglerschen Anstalten, der Heime und des Fachkrankenhauses Ringgenhof der Gemeinde nicht vollständig zugerechnet wurden. Die meisten dieser Leute hatten in ihrer Heimatgemeinde noch einen Wohnsitz angemeldet und wurden dort den Einwohnerzahlen zugeschlagen. Außerdem, so erinnert sich Bernd Schick heute, gab es eine nicht unerhebliche Anzahl von Wilhelmsdorfern, die sich aus religiösen Gründen der Volkszählung widersetzten und sogar vor Gerichte zogen.
Für die Gemeinde bedeuteten diese Zahlen, dass beim Finanzausgleich, über den jede Kommune Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhält, nur die 3563 Personen mit Hauptwohnsitz angerechnet wurden. Der unerwartet hohe Bevölkerungsschwund war dafür verantwortlich, dass der Einnahmeverlust auf rund zwei Millionen D-Mark für die beiden Folgejahre errechnet wurde. Die Veränderungen von damals wirken bis heute nach.