Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Renaturierungspläne stoßen auf Skepsis
Anwohner in Birkendorf befürchten eine Verschlechterung der Hochwasserproblematik
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BIBERACH - Der rund 800 Meter lange Rißkanal im Stadtteil Birkendorf soll ab Mitte 2019 renaturiert werden. Rund eine Million Euro lässt sich das Land diese Maßnahme kosten. Vertreter des Regierungspräsidiums und eines Planungsbüros stellten die Pläne rund 30 interessierten Bürgern am Donnerstag bei einer Veranstaltung vor. Dabei gab es viele kritische Fragen, ob und wie sich die Renaturierung auf den Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen auswirkt.
Dass der im Jahr 1932 als Hochwasserkanal gebaute Rißkanal renaturiert wird, liege an den Bestimmungen der EU, künftig alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen, erläuterte Ute Hellstern vom Landesbetrieb Gewässer des Regierungspräsidiums (RP) Tübingen. Christian Seng vom beauftragten Planungsbüro „365 Grad – Freiraum und Umwelt“erläuterte den Besuchern in der Aula der Birkendorf-Schule anschließend die Pläne für die Renaturierung. Der momentan gerade Kanal mit 809 Meter Länge soll künftig 858 Meter lang. Die Riß erhält einen eher geschlängelten Verlauf. Der Flusslauf wird an vielen Stellen etwas verbreitert, die Uferbereiche sollen flacher werden.
Der Spielplatz im Bereich der Rißinsel soll um eine Flachwasserzone bereichert werden. Der Sportplatz hingegen wird verkleinert, um mehr Platz für den renaturierten Flusslauf zu haben. Ziele der Maßnahme seien, so Hellstern, den Lebensraum für Tiere und Pflanzen aufzuwerten und den Naherholungswert dieses Bereichs zu erhöhen. Der Radweg entlang der Riß wird nach der Renaturierung verbreitert.
Um Platz für die Aufweitung der Riß zu schaffen, müssten im Winter 2018/19 einige Bäume gefällt werden, so Seng. „Dafür wird es aber Ersatzpflanzungen geben.“Zu einer Massenrodung komme es aber nicht. Auch der Wasserspiegel der Riß erhöhe sich durch die Maßnahme nicht. „Wir haben das von einem externen Büro nochmals berechnen lassen“, so Seng. Die Renaturierung sei keine Maßnahme zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. „Die Hochwassersituation wird sich aber an keiner Stelle verschlechtern“, sagte Seng. Was den Hochwasserschutz entlang der Riß betreffe, so sei hier eine größere Studie in Arbeit, die den gesamten Rißverlauf und auch die Zuflüsse betrachte.
Sorge wegen Grundwasserspiegel
Gerade daran haben aber einige direkte Anwohner ihre Zweifel, wie die anschließende Fragerunde zeigte. Mehrere von ihn berichteten, dass sie seit 2011 immer wieder Wasser in ihren Kellern hätten, wenn es anhaltend regne und der Grundwasserspiegel steige. Sie gehe davon aus, dass die Renaturierung nicht in den Grundwasserhaushalt eingreife, sagte Ute Hellstern. Wenn sich die Situation seit 2011 verschlechtert habe, müsse man prüfen, ob es zu diesem Zeitpunkt bauliche Veränderungen gegeben habe, die sich auf das Grundwasser ausgewirkt hätten. Dies sei aber im konkreten Fall nicht Aufgabe des RP. Ein Besucher äußerte den Verdacht, dass dies am Bau der Nordwest-Umfahrung und am Neubau von Industriegebäuden im Gebiet Aspach liege. „Alles, was ich dort in den Boden setze, verdrängt das Grundwasser“, so seine Vermutung.
Ein weiterer Kritikpunkt war das Thema Parkplätze. Wenn der Rißkanal als Naherholungsgebiet aufgewertet werde, sei auch mit mehr Besuchern zu rechnen. Bereits jetzt werde zum Teil auf Privatgrundstücken geparkt. Planer Seng sah dies kritisch: „In einer Renaturierungsmaßnahme Parkplätze anzulegen, wäre für mich kontraproduktiv.“
Mögliche Strafzahlungen
Weshalb das Land denn eine Million Euro an Steuergeldern verwende, um etwas zu verändern, das doch bisher gut funktioniert habe, wollte ein weiterer Besucher wissen. In vielen Bereichen habe die Riß nicht die ökologische Qualität wie sie sein sollte, sagte Hellstern. Im Bereich des Rißkanals verfüge das Land über die notwendigen Flächen, um etwas zu verbessern. Tue man dies nicht, setze man sich der Gefahr aus, dass es zu Strafzahlungen an die EU komme. „Da investieren wir das Geld lieber in die Renaturierung.“