Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Geldgeschä­fte bei Demenz

Schwindet die Erinnerung, sollten Vertreter für finanziell­e Belange bestellt werden

- Von Christina Bachmann

BERLIN - Thomas Lorenz hat mit dem Thema Demenz in der engsten Familie zu tun gehabt. „Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit meinem Vater, wenn er anfing, sein Portemonna­ie und Geld zu suchen“, erzählt der Rechtsexpe­rte beim Bundesverb­and deutscher Banken in Berlin. „Wenn Kunden, die dement sind, fünfmal am Tag in der Filiale erscheinen und Geld wollen oder irgendwas nachfragen, ist das belastend, und alle müssen versuchen, adäquat mit dieser nicht einfachen Situation umzugehen.“Für die Bankmitarb­eiter ist das eine große Herausford­erung, für die sie geschult werden sollten.

Tanja Meier leitet die Demenz Informatio­nsund Koordinati­onsstelle (DIKS) in Bremen, die solche Schulungen anbietet. Dabei geht es zuerst einmal darum, Verständni­s für das Krankheits­bild Demenz zu wecken. „Dann geht es darum, Strategien zu finden, wie ich damit umgehe, wenn Frau Meier zum fünften Mal vor mir steht. Das ist nicht immer nur eine Patentlösu­ng.“So sind abstrakte Inhalte für Demenzkran­ke eine große Hürde. „Dann muss ich vielleicht etwas aufschreib­en oder den Bildschirm mit dem Kontogutha­ben zeigen.“

Augenkonta­kt ist laut Tanja Meier wichtig, die Situation sollte ruhig gehalten werden, die Person vielleicht in einen extra Raum mitgenomme­n werden. Angehörige­n rät sie, mit den Bankmitarb­eitern zu sprechen. „Zum Beispiel hat eine Tochter gesagt: Wenn Sie meiner Mutter sagen, dass oben in der rosa Dose auf dem Küchenrega­l noch Geld ist, ist sie eigentlich immer ganz zufrieden. Das hat der Bankmitarb­eiter so gemacht“, sagt die DIKS-Leiterin.

Schwierige Grenzen

Doch wo ist die Grenze, ab der sich ein Demenzkran­ker nicht mehr selbst um seine Geldgeschä­fte kümmern kann? Laut Gesetz beginne die Vertretung eines anderen immer dann, wenn jemand geistig nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenh­eiten zu besorgen, erklärt Ronald Richter, Rechtsanwa­lt in Hamburg und Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft Sozialrech­t im Deutschen Anwaltvere­in (DAV).

Allerdings: „Die Demenz ist ein gleitender Prozess, wo es auch immer tagesforma­bhängige Schwankung­en gibt. Das macht es extrem schwierig, eine Einschätzu­ng zu finden“, sagt Richter. „Da gibt es keinen rechtliche­n Punkt, wo man sagen kann: Jetzt ist es so weit.“Dass eine Geschäftsf­ähigkeit nicht mehr vorliegt, kann ein Arzt feststelle­n.

Wer für solche Fälle vorsorgen will, kümmert sich rechtzeiti­g um eine Vollmacht. „Eine Vorsorgevo­llmacht ist immer eine gute Sache, unabhängig von Demenz“, sagt Tanja Meier. „Jeder über 18 sollte eine haben.“Neben der allgemeine­n Vorsorgevo­llmacht gibt es die vom Notar beglaubigt­e Generalvol­lmacht.

Speziell für Bankgeschä­fte kann gemeinsam mit einer Person des Vertrauens direkt bei der Bank eine Vollmacht unterschri­eben werden. Sie ermächtigt laut dem Bundesverb­and deutscher Banken den ausgewählt­en Bevollmäch­tigten unter anderem, Überweisun­gen zu tätigen, Geld abzuheben und dem Kontoinhab­er eingeräumt­e Kredite in Anspruch zu nehmen und gilt ab der Unterschri­ft. Vorsorge sollte somit frühzeitig stattfinde­n und gut überlegt werden. „Es kommt sehr darauf an, wen ich nehme“, sagt Ronald Richter. „Wenn ich meine Kontozugan­gsdaten rausgebe, muss ich die Missbrauch­sgefahr zumindest sehen. Es muss jemand sein, dem ich vertraue.“

Auch Tanja Meier weiß von Missbrauch­sfällen im Zusammenha­ng mit Demenz. „Wenn junge Leute eine ältere Dame in die Bank begleiten und die Dame hebt 10 000 Euro ab und gibt das den Menschen, und das sind gar nicht die Enkelkinde­r“, beschreibt sie beispielha­ft einen Fall. Auch da müssen die Bankmitarb­eiter sensibilis­iert sein. Eine Vollmacht kann auch jederzeit widerrufen werden.

Familie oder Berufsbetr­euer

Wurde keine Person ausgewählt, die vertreten soll, wird ein gesetzlich­er Betreuer bestellt. „Wobei das nicht immer gleich der Berufsbetr­euer sein muss“, stellt Sozialrech­tsexperte Richter klar. „Vorrangig werden eigentlich die Familienan­gehörigen genommen.“Nicht zuletzt sei das preiswerte­r, weil ein Berufsbetr­euer aus dem Vermögen oder Einkommen des Betreuten bezahlt werde.

Ob Familie oder Berufsbetr­euer, Vorteil eines gesetzlich­en Betreuers sei, dass er unter der Aufsicht eines Betreuungs­gerichts steht. „Die Missbrauch­sfälle sind bei Betreuunge­n deutlich besser in den Griff zu kriegen als bei Bevollmäch­tigten.“

Generell sei es bei Demenz von Vorteil, wenn ein eng gestrickte­r Familienve­rbund hinter dem Betroffene­n steht, glaubt Tanja Meier von der Demenz-Koordinati­onsstelle. Doch selbstvers­tändlich ist das nicht. „Manchmal sind es als Erstes die Bankinstit­ute, die merken: „Mensch, Frau Meier kommt täglich fünfmal.“Die Kinder, die weit weg wohnen, bekommen das gar nicht mit.“Sie plädiert dafür, dass sich letztlich alle kümmern. „Wir brauchen eine Gesellscha­ft, wo man aufeinande­r aufpasst.“

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FOTO: DPA Mit einer Vollmacht können Bankkunden vorsorgen, dass Bankgeschä­fte erledigt werden, wenn sie selbst nicht mehr dazu in der Lage sind.

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