Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Geldgeschäfte bei Demenz
Schwindet die Erinnerung, sollten Vertreter für finanzielle Belange bestellt werden
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BERLIN - Thomas Lorenz hat mit dem Thema Demenz in der engsten Familie zu tun gehabt. „Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit meinem Vater, wenn er anfing, sein Portemonnaie und Geld zu suchen“, erzählt der Rechtsexperte beim Bundesverband deutscher Banken in Berlin. „Wenn Kunden, die dement sind, fünfmal am Tag in der Filiale erscheinen und Geld wollen oder irgendwas nachfragen, ist das belastend, und alle müssen versuchen, adäquat mit dieser nicht einfachen Situation umzugehen.“Für die Bankmitarbeiter ist das eine große Herausforderung, für die sie geschult werden sollten.
Tanja Meier leitet die Demenz Informationsund Koordinationsstelle (DIKS) in Bremen, die solche Schulungen anbietet. Dabei geht es zuerst einmal darum, Verständnis für das Krankheitsbild Demenz zu wecken. „Dann geht es darum, Strategien zu finden, wie ich damit umgehe, wenn Frau Meier zum fünften Mal vor mir steht. Das ist nicht immer nur eine Patentlösung.“So sind abstrakte Inhalte für Demenzkranke eine große Hürde. „Dann muss ich vielleicht etwas aufschreiben oder den Bildschirm mit dem Kontoguthaben zeigen.“
Augenkontakt ist laut Tanja Meier wichtig, die Situation sollte ruhig gehalten werden, die Person vielleicht in einen extra Raum mitgenommen werden. Angehörigen rät sie, mit den Bankmitarbeitern zu sprechen. „Zum Beispiel hat eine Tochter gesagt: Wenn Sie meiner Mutter sagen, dass oben in der rosa Dose auf dem Küchenregal noch Geld ist, ist sie eigentlich immer ganz zufrieden. Das hat der Bankmitarbeiter so gemacht“, sagt die DIKS-Leiterin.
Schwierige Grenzen
Doch wo ist die Grenze, ab der sich ein Demenzkranker nicht mehr selbst um seine Geldgeschäfte kümmern kann? Laut Gesetz beginne die Vertretung eines anderen immer dann, wenn jemand geistig nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen, erklärt Ronald Richter, Rechtsanwalt in Hamburg und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Allerdings: „Die Demenz ist ein gleitender Prozess, wo es auch immer tagesformabhängige Schwankungen gibt. Das macht es extrem schwierig, eine Einschätzung zu finden“, sagt Richter. „Da gibt es keinen rechtlichen Punkt, wo man sagen kann: Jetzt ist es so weit.“Dass eine Geschäftsfähigkeit nicht mehr vorliegt, kann ein Arzt feststellen.
Wer für solche Fälle vorsorgen will, kümmert sich rechtzeitig um eine Vollmacht. „Eine Vorsorgevollmacht ist immer eine gute Sache, unabhängig von Demenz“, sagt Tanja Meier. „Jeder über 18 sollte eine haben.“Neben der allgemeinen Vorsorgevollmacht gibt es die vom Notar beglaubigte Generalvollmacht.
Speziell für Bankgeschäfte kann gemeinsam mit einer Person des Vertrauens direkt bei der Bank eine Vollmacht unterschrieben werden. Sie ermächtigt laut dem Bundesverband deutscher Banken den ausgewählten Bevollmächtigten unter anderem, Überweisungen zu tätigen, Geld abzuheben und dem Kontoinhaber eingeräumte Kredite in Anspruch zu nehmen und gilt ab der Unterschrift. Vorsorge sollte somit frühzeitig stattfinden und gut überlegt werden. „Es kommt sehr darauf an, wen ich nehme“, sagt Ronald Richter. „Wenn ich meine Kontozugangsdaten rausgebe, muss ich die Missbrauchsgefahr zumindest sehen. Es muss jemand sein, dem ich vertraue.“
Auch Tanja Meier weiß von Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit Demenz. „Wenn junge Leute eine ältere Dame in die Bank begleiten und die Dame hebt 10 000 Euro ab und gibt das den Menschen, und das sind gar nicht die Enkelkinder“, beschreibt sie beispielhaft einen Fall. Auch da müssen die Bankmitarbeiter sensibilisiert sein. Eine Vollmacht kann auch jederzeit widerrufen werden.
Familie oder Berufsbetreuer
Wurde keine Person ausgewählt, die vertreten soll, wird ein gesetzlicher Betreuer bestellt. „Wobei das nicht immer gleich der Berufsbetreuer sein muss“, stellt Sozialrechtsexperte Richter klar. „Vorrangig werden eigentlich die Familienangehörigen genommen.“Nicht zuletzt sei das preiswerter, weil ein Berufsbetreuer aus dem Vermögen oder Einkommen des Betreuten bezahlt werde.
Ob Familie oder Berufsbetreuer, Vorteil eines gesetzlichen Betreuers sei, dass er unter der Aufsicht eines Betreuungsgerichts steht. „Die Missbrauchsfälle sind bei Betreuungen deutlich besser in den Griff zu kriegen als bei Bevollmächtigten.“
Generell sei es bei Demenz von Vorteil, wenn ein eng gestrickter Familienverbund hinter dem Betroffenen steht, glaubt Tanja Meier von der Demenz-Koordinationsstelle. Doch selbstverständlich ist das nicht. „Manchmal sind es als Erstes die Bankinstitute, die merken: „Mensch, Frau Meier kommt täglich fünfmal.“Die Kinder, die weit weg wohnen, bekommen das gar nicht mit.“Sie plädiert dafür, dass sich letztlich alle kümmern. „Wir brauchen eine Gesellschaft, wo man aufeinander aufpasst.“