Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Verwandtschaftsstreit eskaliert wegen Handy
Vier junge Männer müssen sich vor dem Amtsgericht Bad Waldsee verantworten
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BAD WALDSEE - Wegen des Tatbestands der schweren Körperverletzung haben sich am Mittwoch vier junge Männer aus dem Kreisgebiet im Alter von 21 bis 27 Jahren vor dem Amtsgericht Bad Waldsee verantworten müssen. Da zum Tatzeitpunkt am 11. August 2016 ein Angeklagter erst neunzehn Jahre alt war, durfte Jugendrichter Michael Höhn die Verhandlung übernehmen. Die Besonderheit am Tatgeschehen besteht darin, dass die Familien der angeklagten Männer und der Geschädigte in naher Verwandtschaft stehen. Ein mögliches Urteil kann erst nach weiteren Zeugenaussagen im April gesprochen werden.
Auslöser der Familienfehde war angeblich ein Handy, das einem Cousin zur Reparatur überlassen wurde. Als dieses nicht zum vereinbarten Termin zurückkam, wurde angemahnt. Daraufhin trafen sich die beiden Kontrahenten am Wohnhaus des späteren Opfers. Nach Vertrösten – „Dein Handy habe ich doch bei dir in den Briefkasten gelegt“– und verbalen Beleidigungen wurde der Eigentümer des Handys mit Faustschlägen attackiert. Schnell mischte sich der Vater ein, riss seinen aggressiven Sohn zurück und verlangte „Gebt euch die Hände“– was aber nicht geschah. Der mit Schlägen versehene Mann versprach: „Wir werden uns wiedersehen.“
Der angeklagte Handyeigentümer wurde im Jahre 2012 Opfer einer schweren Straftat in Ravensburg. Nur durch eine Notoperation konnte er am Leben bleiben. Mit Schädigung innerer Organe und einer entfernten Milz bleibt er lebenslänglich schwer belastet. Als Beweis zeigte er bei der Verhandlung eine lange Narbe am Unterbauch. Sein Straftäter wurde damals zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Auf Sonntagabend, 14. August 2016, hatte der attackierte Mann eine mögliche Abrechnung geplant. Da er derzeit nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, bat er einen Freund, ihn mit dem Auto abzuholen. In dieses Auto stieg auch sein älterer Bruder mit ein. Nach ein paar Stadtrunden ging es in Bad Waldsee zur AviaTankstelle. Hier entdeckten sie den gesuchten Cousin, der in manchen Kreisen als Waffennarr bekannt war. Statt eines Gesprächs wurde Streit gewittert. Mit drei Autos ging es von der Bahnhofstraße die schmale Straße an der BAG hinunter in Richtung Biberacher Straße.
Angriff mit dem Baseballschläger
Hier stoppte das erste Fahrzeug, sodass kein Vorbeikommen möglich war. Ein drittes Fahrzeug blockierte von hinten. Die beiden Brüder sprangen aus dem vordersten Auto und zertrümmerten mit einem Baseballschläger die Scheibe der Fahrertür sowie die Frontscheibe. Schläge trafen auch den verfolgten Fahrer. Nachdem das hintere Fahrzeug (auch aus der Clique) sich aus dem Staub machte – „es war das Auto meines Vaters, er bringt mich um, wenn es zu Schrott gegangen wäre“–, gab der Fahrer des kaputten Autos Vollgas und fuhr nach Hause. Todesangst hatte bei diesem Vorfall auch seine junge Begleiterin, Splitter der kaputten Scheiben verursachten bei beiden blutende Wunden.
Wenige Tage später trat dann der Fahrer des dritten Fahrzeugs in Aktion. Nach diversen digitalen Nachrichten bewaffnete er sich mit einer Brechstange und einem Klappmesser und fuhr zum Kontrahenten mit den zertrümmerten Autoscheiben. Angeblich ließ er aber diese Waffen im Auto, als er sah, dass beide Eltern auch anwesend waren. Diese gingen auch beim späteren Gerangel der beiden dazwischen. Bei einem weiteren Streit hatte der Bruder des Handybesitzers mit dem Schaft einer Axt dem Gehassten einen Schlag auf den Kopf gegeben.
Bei so vielen kontroversen Ereignissen hatte Staatsanwältin Elisabeth Seemann Dutzende Fragen an die vier Angeklagten. Zwei dieser Personen hatten einen Rechtsbeistand als Verteidiger beauftragt. Als erster Zeuge wurde der Geschädigte selber gehört. In seiner Schilderung war er „das Opferlamm“. Diese Situation nutzte Rechtsanwalt Klaus-Martin Rogg. Er konfrontierte diesen etwa eine Stunde lang mit unzähligen gezielten Fragen. Die jeweiligen Antworten stellte er in Bezug zu den Polizeiprotokollen. Dabei stellte er ganz viele Widersprüche fest.
Die Antwort des Zeugen und Geschädigten lautete gar oft: „Bei der Vernehmung zwei Wochen nach den Vorfällen war ich noch ganz im Banne der Attacken, da habe ich nicht recht gewusst, was ich sage.“Darauf der Rechtsanwalt spitz: „Aber heute wissen Sie es besser?“Spezielle Fragen lauteten auch: „Hatten beide Brüder je einen Baseballschläger, und hatten Sie beim Angeklagten ein Messer gesehen?“Delikat wurde es bei der Frage „Hatten Sie mit der am Tattag im Auto sitzenden Beifahrerin ein intimes Verhältnis?“Verblüfft kam hier die Aussage des verheirateten Mannes und Vaters einer Tochter: „Hier schweige ich.“Auf die Pflichten einer Zeugenaussage hingewiesen, kam aber ein zögerliches „Wir sind gut befreundet“.
Die Verhandlung wird am 16. März und am 6. April fortgesetzt.