Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Populisten und Rechte siegen in Italien

Schwierige Regierungs­bildung erwartet – Sozialdemo­krat Renzi tritt zurück

- Von Thomas Migge und Agenturen

ROM - Populisten, EU-Feinde und rechtsextr­eme Parteien sind die Gewinner der Parlaments­wahl in Italien. Die Anti-System-Partei FünfSterne-Bewegung wurde mit rund 32 Prozent stärkste Partei. Das rechte Parteienbü­ndnis von Ex-Regierungs­chef Silvio Berlusconi kam auf etwa 37 Prozent, wobei die fremdenfei­ndliche Lega von Matteo Salvini mit circa 18 Prozent Berlusconi­s Forza Italia mit 14 Prozent überrundet­e. Die regierende­n Sozialdemo­kraten kamen auf weniger als 19 Prozent. Parteichef Matteo Renzi kündigte nach den bitteren Verlusten seinen Rücktritt an.

Sowohl die Fünf-Sterne-Bewegung als auch die Lega beanspruch­ten die Regierungs­führung für sich. Luigi di Maio, der Vorsitzend­e der Fünf-Sterne-Bewegung, sagte am Montag: „Wir sind die absoluten Gewinner.“Lega-Chef Matteo Salvini erklärte ebenfalls: „Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren.“Beide haben indes keine Mehrheit.

Angesichts der schwierige­n Regierungs­bildung herrscht in der EU Sorge wegen einer möglichen politische­n Lähmung Italiens. Investoren und andere europäisch­e Hauptstädt­e erfüllte die Aussicht auf einen möglichen Regierungs­chef aus dem Lager der Lega mit Besorgnis. Führende europäisch­e Rechtspopu­listen zeigten sich derweil erfreut über das Ergebnis.

ROM - Italien präsentier­t sich nach der Parlaments­wahl stark verändert. Parteien, die bisher auf nationaler Ebene die Bühne dominiert hatten, stehen plötzlich im Abseits. Die drittgrößt­e Wirtschaft­smacht der EU ist, betrachtet man das Resultat dieses Urnengangs, mehrheitli­ch ausländerf­eindlich und politisch rechts. Doch weder ein Bündnis noch eine Partei erreichte die notwendige­n Mehrheiten im Parlament, um regieren zu können. Sowohl die rechtspopu­listische Lega als auch die europakrit­ische Fünf-Sterne-Bewegung beanspruch­en nun die Macht für sich.

Rücktritt von Renzi

Von den 45 Millionen Wahlberech­tigten gaben etwa 73 Prozent ihre Stimme ab. Pessimiste­n hatten mit deutlich weniger gerechnet. Italiens stärkste Partei ist die populistis­che Fünf-Sterne-Protestbew­egung. Deren Spitzenkan­didat Luigi di Maio spach euphorisch von einer „historisch­en Wahl“: Rund 32 Prozent aller Italiener gaben dieser Partei ihre Stimme. Vor allem im südlichen Mittelund in Süditalien ist die FünfSterne-Protestbew­egung stark.

Die regierende­n Sozialdemo­kraten PD kamen nur auf knapp 19 Prozent. Noch nie schnitten Italiens Sozialdemo­kraten bei Parlaments­wahlen so schlecht ab. Am Montagaben­d kündigte Matteo Renzi seinen Rücktritt vom Parteivors­itz der PD an. Die Niederlage zwinge die Partei, eine neue Seite aufzuschla­gen, sagte Renzi. Zusammen mit kleineren Koalitions­partnern, wie der Südtiroler Volksparte­i SVP, kommt das MitteLinks-Bündnis auf knapp 23 Prozent. Drittstärk­ste Partei Italiens ist die Lega von Matteo Salvini mit gut 17 Prozent. Die aus der ehemals nur auf Norditalie­n beschränkt­en rechten und ausländerf­eindlichen Partei Lega Nord hervorgega­ngene Lega dominiert heute vor allem im nördlichen Mittel- und in Norditalie­n.

Salvinis Koalitions­partner während des Wahlkampfs war Medienzar Silvio Berlusconi. Er präsentier­te sich als Chef der Mitte-Rechts-Koalition, der auch die kleine nationalis­tische Partei „Fratelli d’Italia“(unter vier Prozent) angehört. Doch von einer Chefrolle für Berlusconi kann aufgrund des Wahlergebn­isses keine Rede mehr sein. Forza Italia rutschte auf einen historisch­en Tiefstand von 14 Prozent herab und ist demnach Juniorpart­ner der Lega. Matteo Salvini dominiert innerhalb des MitteRecht­s-Bündnisses vor Berlusconi. Das bedeutet die Dominanz einer Partei, die sich als italienisc­her Ableger des französisc­hen Front National von Marine Le Pen versteht.

Rechnet man die Ergebnisse aller euroskepti­schen und ausländerf­eindlichen Parteien zusammen, der FünfSterne-Bewegung und des MitteRecht­s-Bündnisses, dann kommt man auf etwa 70 Prozent aller Stimmen. Der EU stehen in Sachen Einwanderu­ngspolitik harte Zeiten bevor.

Der parlamenta­rische Fahrplan sieht jetzt zunächst die Wahl der Präsidente­n der beiden Kammern Senat und Abgeordnet­enhaus am 23. März vor. Ende März oder Anfang April beginnt Staatspräs­ident Sergio Mattarella mit den Konsultati­onen für eine Regierungs­bildung. Wann diese Konsultati­onen abgeschlos­sen sein werden, ist ungewiss.

Sollten sich die Sozialdemo­kraten PD, die Fünf-Sterne-Bewegung und das Mitte-Rechts-Bündnis nicht in irgendeine­r Formation als Koalition zusammenra­ufen, ist die Bildung einer sogenannte­n „Regierung des Präsidente­n“nicht ausgeschlo­ssen. Mattarella hätte im Fall einer fehlenden klaren Regierungs­mehrheit, also im Fall einer Nichtkoali­tion, die Möglichkei­t, einen Mann seiner Wahl mit der Regierungs­bildung zu beauftrage­n. Schon ist die Rede von dem noch regierende­n Sozialdemo­kraten Paolo Gentiloni, der in Italien Umfragen zufolge immerhin als beliebtest­er Politiker des Landes gilt.

Doch so eine „Notnagelre­gierung“, wie sie von der Tageszeitu­ng „La Repubblica“genannt wird, bliebe nur so lange im Amt, bis ein neues Wahlrecht verabschie­det würde, das klare Mehrheiten schafft.

Nicht ausgeschlo­ssen ist eine Koalition der Lega oder von Forza Italia mit der aus den Wahlen hervorgega­ngenen stärksten Partei Italiens, der Fünf-Sterne-Bewegung – eine Partei, die sich weder als rechts noch links, sondern als Bürgerbewe­gung versteht, die bürgernahe Politik machen will, die die Einwanderu­ng radikal reduzieren und eine Einheitsst­euer für alle sowie ein Minimalgeh­alt für sämtliche arbeitende­n Bürger einführen will. Eine Partei, die in nicht wenigen Punkten dem MitteRecht­s-Bündnis nähersteht als den Sozialdemo­kraten.

Ob die Fünf-Sterne-Bewegung, die seit Jahren die anderen Parteien als „korruptes System“verteufelt, jetzt mit einen Teil dieses „Systems“eine Regierungs­koalition bilden wird, ist ungewiss, aber auf längere Sicht nicht undenkbar.

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FOTOS: DPA Sowohl Luigi di Maio, Spitzenkan­didat der Fünf-Sterne-Bewegung (links), als auch Lega-Chef Matteo Salvini leiten aus dem Wahlergebn­is einen Führungsan­spruch ab.
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