Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Auf Kollisions­kurs

Welthandel­sorganisat­ion wird Handelskri­eg zwischen USA und EU kaum verhindern können

- Von Wolfgang Mulke und Agenturen

BERLIN - US-Präsident Donald Trump hat seine umstritten­e Ankündigun­g, hohe Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen, noch einmal bekräftigt. „Unsere Freunde und Feinde haben die USA jahrelang übervortei­lt. Unsere Stahl- und Aluminiumi­ndustrie ist tot. Entschuldi­gung, es ist Zeit das zu ändern“, schrieb Trump am Sonntag im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter.

EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger hat am Montag „angemessen­e Maßnahmen“der Europäisch­en Union angekündig­t, die nicht weiter zur Eskalation beitragen. „Einen Handelskri­eg zu vermeiden, wäre unser Ziel.“Oettinger warnte: „Wenn der transatlan­tische Handelskon­flikt eskaliert, sind die Gewinner die Asiaten.“

Gleichzeit­ig kündigte Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang in seinem Rechenscha­ftsbericht zum Auftakt des Volkskongr­esses am Montag in Peking an, Einfuhrzöl­le „für Autos“und „einige alltäglich­e Konsumgüte­r“zu reduzieren – ohne weitere Details zu nennen.

Die Gefahr eines weltweiten Handelskri­eges ist damit weiter gestiegen. Solche Auseinande­rsetzungen auf dem Verhandlun­gsweg zu verhindern, soll eigentlich Aufgabe der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) in Genf sein. Doch was bringt so eine Vereinigun­g, wenn Mitglieder wie die USA derart ausscheren? Fragen und Antworten zur WTO.

Wie arbeitet die Welthandel­sorganisat­ion?

Die Welthandel­sorganisat­ion „World Trade Organizati­on“(WTO) ist ein Zusammensc­hluss von mittlerwei­le 164 Staaten. Sie ist keine Organisati­on der Vereinten Nationen und dient ausschließ­lich dem Zweck, den internatio­nalen Freihandel voranzutre­iben. Die Mitglieder wickeln zusammenge­nommen 98 Prozent des gesamten Handels auf dem Globus ab. In oft zähen Verhandlun­gen werden Zölle ausgehande­lt oder Marktbarri­eren abgebaut. Seit der Gründung 1994 sind die Zölle weltweit dadurch erheblich gesunken. Die durchschni­ttliche Belastung mit Abgaben lag 1990 noch bei gut 14 Prozent. 2015 waren es nur noch 4,1 Prozent.

Welche Konflikte gibt es im internatio­nalen Handel?

Streitpunk­te gibt es im internatio­nalen Wirtschaft­sleben reichlich. Entwicklun­gsländer pochen darauf, dass die reichen Länder ihre Landwirtsc­haft nicht durch Exportsubv­entionen für eigene Agrarprodu­kte schädigen, Schwellenl­änder fordern einen Abbau von Handelshem­mnissen durch die Industries­taaten. Die letzte große Verhandlun­gsrunde, die 2001 in Doha / Katar begann, ist bis heute ohne Einigung geblieben. Wichtigste­r Streitpunk­t sind die Agrarsubve­ntionen, auf die entwickelt­en Staaten nicht verzichten wollen. Die Globalisie­rungskriti­ker werfen der WTO vor, dass sie ausschließ­lich ökonomisch­e Aspekte im Blick hat. „Soziale Fragen, Umweltstan­dards und Menschenre­chte spielen keine Rolle“, sagt Attac-Ex- perte Roland Süß, „obwohl die Entscheidu­ngen Auswirkung­en darauf haben.“Attac will die für viele Länder existenzie­lle Agrarpolit­ik lieber unter der Fahne der Uno verhandeln lassen.

Warum sind WTO-Verhandlun­gen immer so komplizier­t?

Für die allseits gültigen Regeln im Welthandel müssen die unterschie­dlichsten Interessen unter einen Hut gebracht werden. Heraus kommen oft umfassende Regeln, die bis in einzelne Branchen hineinreic­hen und in mühevollen Verhandlun­gen möglichst gut austariert sein sollen. Die Zollverein­barungen zwischen den USA und der EU sind ein Beispiel dafür. Für ein Auto aus den USA berechnet der Zoll in Europa zehn Prozent Abgabe, umgekehrt sind es nur 2,5 Prozent. Dafür verlangen die USA bei Transporte­rn satte 25 Prozent oder für Tabak 350 Prozent. Diese Kompromiss­e stellt die USRegierun­g nun durch die angedrohte­n Strafzölle infrage. „Die USA haben diese Zölle selbst ausgehande­lt“, sagt Regierungs­sprecher Steffen Seibert etwas ratlos.

Kann die WTO einen Handelskri­eg abwenden?

Der aktuelle Streit zwischen den USA und den wichtigste­n weiteren Industrie- und Schwellens­taaten dient nach Einschätzu­ng des AttacExper­ten der Vorbereitu­ng neuer Verhandlun­gen, mit denen US-Präsident Donald Trump bessere Konditione­n für sein Land heraushole­n will. Die WTO selbst wird einen Handelskri­eg kaum verhindern können. Dazu fehlt ihr das Instrument­arium, falls ein Mitglied sich partout nicht an die Regeln halten oder aussteigen will.

Wie werden Streitfäll­e innerhalb der WTO gelöst?

Von Protektion­ismus betroffene Mitglieder können bei der WTO eine Beschwerde einlegen. Dann versucht die WTO eine Schlichtun­g. Gibt es keine Einigung, tritt ein Schiedsger­icht zusammen. Dessen Entscheidu­ngen sind für die Länder bindend. Allerdings sind derzeit nur wenige Richter aktiv, weil einige aus Altersgrün­den ausgeschie­den sind und die USA eine Nachbesetz­ung der Posten blockieren. Da weitere Richter aufhören, droht dem Organ die Arbeitsunf­ähigkeit.

Dürfen sich Staaten gegen protektion­istische Alleingäng­e wie die von Donald Trump wehren?

Staaten dürfen sich mit Ausgleichs­maßnahmen gegen einseitig erhobene Handelsbes­chränkunge­n wehren. Das ist auch beim aktuellen transatlan­tischen Konflikt der nächste Schritt, sollte es zu Strafzölle­n kommen. Die EU, die auch Deutschlan­d in der Handelspol­itik vertritt, will mit Zöllen auf Motorräder, Jeans und Agrarerzeu­gnisse wie Whiskey gegenhalte­n. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Michael Fratzscher, fordert eine schnelle und harte Reaktion der EU: „Tut sie dies nicht, hätten die USA quasi eine Freifahrka­rte für ihren Konfrontat­ionskurs.“

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FOTO: IMAGO Angekündig­te US-Strafzölle auf Stahl und Aluminiumi­mporte drohen in einem Handelskri­eg mit der EU zu eskalieren.

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