Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Südwesten bekommt Beauftragt­en für Antisemiti­smus

Israelitis­che Religionsg­emeinschaf­t Württember­g begrüßt designiert­en Kandidaten – Hitzige Debatte im Landtag

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der baden-württember­gische Landtag setzt einen Antisemiti­smus-Beauftragt­en ein. Das haben Grüne, CDU, SPD und FDP am Mittwoch in Stuttgart beschlosse­n. Die AfD enthielt sich, der Ex-AfD-Abgeordnet­e Wolfgang Gedeon stimmte dagegen. Susanne Jakubowski von der Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­t Württember­g begrüßte den Beschluss, wie sie der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Über den designiert­en Kandidaten sagte sie: „Das ist genau die richtige Person.“

Beim Jahresgesp­räch mit Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) im Januar habe sie den Wunsch nach einem Antisemiti­smusBeauft­ragten geäußert, erklärte Jakubowski. Dieser solle nicht nur Ansprechpa­rtner für Opfer von Judenfeind­lichkeit sein und darüber der Landesregi­erung und dem Landtag berichten, sondern sich aktiv einbringen. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“soll Michael Blume diese Aufgabe übernehmen (siehe Kasten). Für Jakubowski eine perfekte Besetzung, wie sie sagte.

Vor der Abstimmung lieferten sich die Parlamenta­rier zum Teil heftige Wortgefech­te. Dreh- und Angelpunkt der turbulente­n zweieinhal­b Stunden: Die AfD-Fraktion und deren ehemaliges Mitglied Wolfgang Gedeon. „Der Wahnsinn des Antisemiti­smus ist noch lange nicht überwunden“, sagte Ministerpr­äsident Kretschman­n. „Er ist sogar wieder in vielen Parlamente­n angekommen, leider auch in unserem.“In Richtung AfD sagte er zudem: „Wer keine scharfe Trennlinie zieht zu Antisemite­n in den eigenen Reihen, der macht sich mit ihnen gemein.“Die AfD-Fraktion hatte sich im Sommer 2016 wegen Gedeons antisemiti­scher Schriften gespalten. Erst nachdem er freiwillig austrat, fanden die beiden Fraktionen wieder zusammen. In der Partei blieb er indes bis heute. Inzwischen lässt die AfD-Fraktion Gedeon wieder in Arbeitskre­isen mitarbeite­n.

Gedeon äußerte am Mittwoch erneut Zweifel daran, dass die „Protokolle der Weisen von Zion“, in denen von einer jüdischen Weltversch­wörung die Rede ist, eine Fälschung seien. Dass die Schriften reine Fiktion sind und unter anderem den Nationalso­zialisten als Propaganda­mittel für den Holocaust diente, ist indes hinreichen­d wissenscha­ftlich belegt. AfD-Fraktionsc­hef Bernd Gögel verteidigt­e Gedeon dennoch. „Ob jemand die Schriften der Weisen von Zion für echt hält oder nicht, ist seine eigene Meinung“, so Gögel. SPDFraktio­nschef Andreas Stoch entgegnete: „Rassismus und Antisemiti­smus sind nicht Ausdruck von Meinungsfr­eiheit, sondern Verbrechen.“

Gögel zeichnete von der AfD ein Bild als einziger Partei, die sich gegen Antisemiti­smus ausspreche. Er warf den „Kartellpar­teien“vor, eine Million meist junge Männer aus Ländern ins Land gelassen zu haben, in denen Antisemiti­smus Staatskult sei. Susanne Jakubowski von der Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­t Württember­g bezeichnet­e diese Argumentat­ion als „Scheinpoli­tik“. „Wenn die Muslime aus dem Land geworfen würden, wären die Juden die Nächsten. Da bin ich mir sicher“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Antisemiti­smus sei keineswegs importiert worden, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) und verwies auf die polizeilic­he Kriminalst­atistik. FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke machte indes klar: „Wer Hass mitbringt, dem müssen wir die Türe weisen.“

Kritik an AfD-Anträgen

Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz kritisiert­e die AfD dafür, dass sie etwa Gelder für die Gedenkstät­te Gurs in Frankreich streichen wollte. Dorthin wurden während der NS-Zeit die badischen Juden deportiert. Rülke bezeichnet­e den AfD-Vorstoß als „armseligst­en Antrag in der Geschichte dieses Landtags“. Auch Gelder für die Landeszent­rale für politische Bildung habe die AfD streichen wollen, sagte CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart. „Sie mögen keine antisemiti­sche Partei sein“, so Reinhart zur AfD, „aber sie haben ein massives antisemiti­sches Problem.“Der Allgäuer CDU-Abgeordnet­e Raimund Haser bezeichnet­e die Debatte als neuen Tiefpunkt, der ihm körperlich­e Schmerzen bereitet habe.

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