Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kopftuch ist auf der Richterbank nicht erlaubt
VGH hebt eine frühere Entscheidung des Augsburger Verwaltungsgerichts auf
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MÜNCHEN - Schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarzer Blazer – und schwarz ist auch das Kleidungsstück, um das es heute geht; nämlich das Kopftuch von Aqilah S. So ganz in Schwarz wirkt die 27-Jährige wie ein Schatten, als sie am Mittwochmorgen zum Sitzungssaal im Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) hastet – vorbei an Fotografen und Kameraleuten, die sie nur von hinten aufnehmen, so wie es ihre Unterstützerin vom Berliner „Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung“zuvor angemahnt hat.
Wie anders war das noch vor zwei Jahren, als sich Aqilah S. für Zeitungen ablichten ließ und mit vollem Namen einen Gastbeitrag für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verfasste, nachdem sie zuvor ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben hatte. Die Deutsche muslimischen Glaubens, die in ihrer Heimatstadt Augsburg Jura studiert, hatte sich erfolgreich gegen den Freistaat Bayern gewehrt, der ihr während des Rechtsreferendariats 2014 bei bestimmten Anlässen im Gericht das Kopftuch verbieten wollte. Konkret ging es um Auftritte „mit Außenwirkung“, etwa das Vernehmen von Zeugen oder das Sitzen am Richtertisch, das Aqilah S. fortan verwehrt blieb. Zu Unrecht, urteilte 2016 das Augsburger Verwaltungsgericht und erklärte das bayerische Kopftuchverbot für unzulässig – nicht zuletzt, weil es keine gesetzliche Grundlage gebe. Dagegen legte der Freistaat Berufung ein, worauf der Fall an den VGH gelangte.
Dort ist am Mittwoch eine Entscheidung gefällt worden, die Aqilah S. mit erstarrtem Gesicht aufnimmt; nur leise schüttelt sie Kopf und Tuch. Denn das Gericht hat die Augsburger Entscheidung aufgehoben und ihre Klage abgewiesen – aus formalen Gründen, so Richter Alexander Neumüller. Er verweist darauf, dass sich der konkrete Fall inzwischen erübrigt habe und dass es kein „berechtigtes Interesse“mehr an einer Klärung gebe. Schließlich hat der bayerische Landtag kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das am 1. April in Kraft tritt, und das es Richtern und Staatsanwälten untersagt, „religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidung oder Symbole“sichtbar zu tragen.
Zur Frage, ob das bayerische Kopftuch-Verbot zur Zeit der Verfügung gegen Aqilah S. rechtens war, äußert sich das Gericht nicht. Zuvor haben die Vertreter des Freistaats in der Verhandlung argumentiert, dass das Neutralitätsgebot für Richter als Grundlage hierfür ausreiche. Die 27-Jährige und ihr Anwalt Frederik von Harbou sind dagegen der Auffassung, dass es für einen solchen Eingriff in die Grundrechte eines Gesetzes bedarf. Überdies sei das Vorgehen eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“gewesen, sagt von Harbou. „In ein und demselben Gerichtssaal in Augsburg, in dem meiner Mandantin aufgetragen wurde, aufgrund ihres Kopftuchs nicht am Richtertisch Platz zu nehmen, hing ein Kreuz an der Wand.“
Aqilah S., die in der Verhandlung präzise und geschliffen argumentiert, ist sichtlich enttäuscht. „Ich hätte mir vom Gericht mehr erhofft“, sagt sie vor den Kameras, ihnen weiter den Rücken zukehrend. Das Kopftuch sei für sie „Ausdruck meiner persönlichen Überzeugung als Muslimin“, erklärt die 27-Jährige, die mittlerweile ihr zweites Staatsexamen absolviert hat und an der Universität Augsburg arbeitet.
Inwiefern Aqilah S. auf juristischem Weg gegen das Urteil vorgehen wird, lässt ihr Anwalt am Mittwoch offen.