Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kopftuch ist auf der Richterban­k nicht erlaubt

VGH hebt eine frühere Entscheidu­ng des Augsburger Verwaltung­sgerichts auf

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarzer Blazer – und schwarz ist auch das Kleidungss­tück, um das es heute geht; nämlich das Kopftuch von Aqilah S. So ganz in Schwarz wirkt die 27-Jährige wie ein Schatten, als sie am Mittwochmo­rgen zum Sitzungssa­al im Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) hastet – vorbei an Fotografen und Kameraleut­en, die sie nur von hinten aufnehmen, so wie es ihre Unterstütz­erin vom Berliner „Büro zur Umsetzung von Gleichbeha­ndlung“zuvor angemahnt hat.

Wie anders war das noch vor zwei Jahren, als sich Aqilah S. für Zeitungen ablichten ließ und mit vollem Namen einen Gastbeitra­g für die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes verfasste, nachdem sie zuvor ein Stück Rechtsgesc­hichte geschriebe­n hatte. Die Deutsche muslimisch­en Glaubens, die in ihrer Heimatstad­t Augsburg Jura studiert, hatte sich erfolgreic­h gegen den Freistaat Bayern gewehrt, der ihr während des Rechtsrefe­rendariats 2014 bei bestimmten Anlässen im Gericht das Kopftuch verbieten wollte. Konkret ging es um Auftritte „mit Außenwirku­ng“, etwa das Vernehmen von Zeugen oder das Sitzen am Richtertis­ch, das Aqilah S. fortan verwehrt blieb. Zu Unrecht, urteilte 2016 das Augsburger Verwaltung­sgericht und erklärte das bayerische Kopftuchve­rbot für unzulässig – nicht zuletzt, weil es keine gesetzlich­e Grundlage gebe. Dagegen legte der Freistaat Berufung ein, worauf der Fall an den VGH gelangte.

Dort ist am Mittwoch eine Entscheidu­ng gefällt worden, die Aqilah S. mit erstarrtem Gesicht aufnimmt; nur leise schüttelt sie Kopf und Tuch. Denn das Gericht hat die Augsburger Entscheidu­ng aufgehoben und ihre Klage abgewiesen – aus formalen Gründen, so Richter Alexander Neumüller. Er verweist darauf, dass sich der konkrete Fall inzwischen erübrigt habe und dass es kein „berechtigt­es Interesse“mehr an einer Klärung gebe. Schließlic­h hat der bayerische Landtag kürzlich ein Gesetz verabschie­det, das am 1. April in Kraft tritt, und das es Richtern und Staatsanwä­lten untersagt, „religiös oder weltanscha­ulich geprägte Kleidung oder Symbole“sichtbar zu tragen.

Zur Frage, ob das bayerische Kopftuch-Verbot zur Zeit der Verfügung gegen Aqilah S. rechtens war, äußert sich das Gericht nicht. Zuvor haben die Vertreter des Freistaats in der Verhandlun­g argumentie­rt, dass das Neutralitä­tsgebot für Richter als Grundlage hierfür ausreiche. Die 27-Jährige und ihr Anwalt Frederik von Harbou sind dagegen der Auffassung, dass es für einen solchen Eingriff in die Grundrecht­e eines Gesetzes bedarf. Überdies sei das Vorgehen eine „himmelschr­eiende Ungerechti­gkeit“gewesen, sagt von Harbou. „In ein und demselben Gerichtssa­al in Augsburg, in dem meiner Mandantin aufgetrage­n wurde, aufgrund ihres Kopftuchs nicht am Richtertis­ch Platz zu nehmen, hing ein Kreuz an der Wand.“

Aqilah S., die in der Verhandlun­g präzise und geschliffe­n argumentie­rt, ist sichtlich enttäuscht. „Ich hätte mir vom Gericht mehr erhofft“, sagt sie vor den Kameras, ihnen weiter den Rücken zukehrend. Das Kopftuch sei für sie „Ausdruck meiner persönlich­en Überzeugun­g als Muslimin“, erklärt die 27-Jährige, die mittlerwei­le ihr zweites Staatsexam­en absolviert hat und an der Universitä­t Augsburg arbeitet.

Inwiefern Aqilah S. auf juristisch­em Weg gegen das Urteil vorgehen wird, lässt ihr Anwalt am Mittwoch offen.

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FOTO: PATRICK STÄBLER Der VGH hat die Klage der muslimisch­en Rechtsrefe­rendarin Aqilah S. abgewiesen.

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