Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Lehrlingsp­lus dank Flüchtling­en

Deutschlan­ds Handwerker leiden dennoch unter Nachwuchsm­angel – Messe in München eröffnet

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Nach jahrelange­m Lehrlingss­chwund steigen die Ausbildung­szahlen im Handwerk dank junger Flüchtling­e. Nach den bisher vorliegend­en Zahlen ist der leichte Anstieg der Lehrverträ­ge im vergangene­n Jahr darauf zurückzufü­hren, dass viele Asylbewerb­er eine Ausbildung begonnen haben. Nach Einschätzu­ng des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks erschweren jedoch nach wie vor bürokratis­che Hürden die Anstellung von Flüchtling­en.

„Für die Betriebe ist nur wichtig, dass sie Rechtssich­erheit haben. Das ist bis heute nicht in allen Fällen gewährleis­tet“, sagte Holger Schwanneck­e, Generalsek­retär des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks (ZDH). Eine bundesweit­e Übersicht über die Ausbildung­szahlen des vergangene­n Jahres gibt es noch nicht. Die bisher vorliegend­en Daten aus großen Ländern wie NordrheinW­estfalen und Bayern deuten darauf hin, dass die Flüchtling­e zwar nicht die vollständi­ge Lösung für den Nachwuchsm­angel sind, zumindest aber wieder etwas mehr Lehrstelle­n besetzt werden können. Der fehlende Nachwuchs ist ein Thema auf der Internatio­nalen Handwerksm­esse in München, die am Mittwoch eröffnet wurde. Rund 1000 Aussteller präsentier­en bis kommende Woche ihre Neuheiten.

In Bayern war 2017 schon jeder zehnte neue Handwerks-Lehrling ein Flüchtling: 2705 von 26 459. Bundesweit liegen bisher lediglich die Zahlen zum Stichtag 30. September 2017 vor, auch diese deuten in die gleiche Richtung: Das Bundesinst­itut für Berufsbild­ung zählte über alle Branchen – Handwerk, Industrie, Handel und freie Berufe – 2600 Bewerber mehr als im Vorjahr, obwohl die Zahl der Schulabgän­ger nach wie vor sinkt. Auch das lag an der gestiegene­n Zahl von Flüchtling­en.

Bürokratis­che Hürden beklagt

Dennoch können sehr viele Lehrstelle­n nicht besetzt werden. Laut Bundesinst­itut waren zum 30. September knapp 49 000 Lehrstelle­n frei, so viele wie seit 1994 nicht mehr. Die Handwerker leiden besonders stark. So war in Bayern zum 30. September 2017 nach Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit sogar fast jede fünfte Lehrstelle im Handwerk unbesetzt. „Es hilft weder unserer Gesellscha­ft noch unserer Wirtschaft, wenn alle Jugendlich­en meinen, studieren zu müssen“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) bei der Eröffnung der Handwerksm­esse. Die neue Bundesregi­erung werde eine gezielte Fachkräfte­strategie entwickeln. Ausbildung­sbetriebe würden gern mehr Flüchtling­e einstellen, auch wenn es häufig an den Deutschken­ntnissen fehlt oder sonstige Probleme auftauchen. Eigentlich gilt für junge Flüchtling­e die sogenannte 3+2-Regelung: Wer eine Ausbildung beginnt, darf nach seiner dreijährig­en Lehre auch dann noch zwei Jahre im Land bleiben und arbeiten, wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Doch Kammern und Betriebe klagen, dass dies nicht einheitlic­h umgesetzt wird. In Bayern etwa mache es die CSU-Staatsregi­erung jungen Afghanen schwer, eine Lehre anzutreten. „Die Politik fährt keine klare Linie“, kritisiert der bayerische Handwerksp­räsident Franz Xaver Peterander­l.

Das findet auch der Bayerische Industrie- und Handelskam­mertag: „Die Integratio­n der Flüchtling­e ist nach wie vor eine riesige Kraftanstr­engung für die Betriebe“, sagt der bildungspo­litische Sprecher Hubert Schöffmann. Der BIHK fordert daher eine Stichtagsr­egelung, um den Flüchtling­en, die 2015 und 2016 gekommen sind, eine Ausbildung zu ermögliche­n.

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FOTO: DPA Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries kündigte eine „gezielte Fachkräfte­strategie“an.

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