Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kritik an der Gen-Schere

Europäisch­er Gerichtsho­f beschäftig­t sich mit dem Einsatz von Crispr – Auswirkung­en auf die Umwelt befürchtet

- Von Anja Garms

BERLIN (dpa) - Eine Weizensort­e, die unempfindl­ich gegen die gefürchtet­e Pilzkrankh­eit Mehltau ist oder stressresi­stente Maispflanz­en. An der Züchtung solcher und vieler anderer Kulturpfla­nzen arbeiten derzeit zahlreiche Pflanzenfo­rscher. Viele nutzen dazu ein molekulare­s Werkzeug, das sich seit einigen Jahren in rasantem Tempo in den Labors rund um die Welt verbreitet: Crispr/ Cas9, kurz Crispr. Mit dieser Technik ist es möglich, das Erbgut – und damit die Eigenschaf­ten – von Pflanzen und anderen Lebewesen präziser zu verändern als bisher.

Viele Forscher sehen enormes Potenzial in der Technologi­e. Gentechnik-Kritiker hingegen fürchten, dass damit eine Vielzahl gentechnis­ch veränderte­r Pflanzen geschaffen, schlimmste­nfalls unkontroll­iert angebaut und letztlich den Verbrauche­rn unwissentl­ich untergejub­elt werden könnte. Beide Seiten warten derzeit mit Spannung auf ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH), der die entscheide­nde rechtliche Bewertung von Organismen liefern soll, die mit Crispr und vergleichb­aren Techniken erzeugt wurden. Die Entscheidu­ng wird in den kommenden Monaten erwartet.

Die Frage ist: Handelt es sich dabei um gentechnis­ch veränderte Organismen (GVOs), die unter die strengen Auflagen des europäisch­en Gentechnik­rechts fallen? Sie müssten in diesem Fall unter anderem ein Zulassungs­verfahren durchlaufe­n und gekennzeic­hnet werden. Oder sind die Crispr-Produkte keine GVOs, weil sie in vielen Fällen von Pflanzen, die natürlich entstanden sind oder mit konvention­ellen Züchtungsm­ethoden erzeugt wurden, ohnehin nicht zu unterschei­den sind? In diesem Fall dürften sie ohne spezielle Prüfung und Kennzeichn­ung in den Verkehr und auf den Markt gebracht werden. Verbrauche­r wissen derzeit kaum über Verfahren wie Crispr Bescheid, wie eine repräsenta­tive Umfrage des Bundesinst­ituts für Risikofors­chung unter 1 000 Personen im vergangene­n Jahr zeigte. Werden sie über die Techniken informiert, nehmen sie diese unabhängig von der rechtliche­n Einordnung eindeutig als Gentechnik wahr und begegnen ihnen mit ähnlichen Vorbehalte­n, ergab ein Forschungs­projekt, indem 39 Teilnehmer intensiv befragt wurden. Die Teilnehmer forderten dabei eine eindeutige Kennzeichn­ung von Lebensmitt­eln, die mit diesen Methoden erzeugt wurden.

Geteilte Meinungen zu Crispr

Der Generalanw­alt des EuGH, Michal Bobek, legte im Januar dieses Jahres eine Stellungna­hme zur rechtliche­n Bewertung der Verfahren vor. Darin heißt es unter anderem, dass mit Crispr und vergleichb­aren Verfahren erzeugte Organismen nicht als gentechnis­ch verändert anzusehen sind, solange die vorgenomme­nen Veränderun­gen auch auf natürliche Weise entstanden sein könnten.

Zu einem ganz anderen Schluss kommt der Rechtsexpe­rte Ludwig Krämer. Er hat sich im Auftrag von Testbiotec­h – einem eher gentechnik-kritisch eingestell­ten Institut – mit der Stellungna­hme befasst. Seiner Ansicht nach fallen die neuen Verfahren sehr wohl unter den Geltungsbe­reich der EU-Freisetzun­gsrichtlin­ie, welche die Zulassung gentechnis­ch veränderte­r Organismen regelt. Pflanzen und Tiere, die damit verändert wurden, müssten in einem Zulassungs­verfahren auf Risiken untersucht werden.

Ralf Wilhelm, Leiter des Fachinstit­uts für die Sicherheit biotechnol­ogischer Verfahren bei Pflanzen am Julius-Kühn-Institut, hält sich hinsichtli­ch einer rechtliche­n Bewertung der Verfahren bedeckt. Man müsse fallweise entscheide­n und die Art der jeweiligen Veränderun­g berücksich­tigen. „Das ist ein Werkzeug, eine Methodik, die in vielen Zusammenhä­ngen einsetzbar ist.“Vor allem wenn fremde Gene eingefügt würden, bedürfe es nach dem Gentechnik­recht einer umfassende­n Sicherheit­sprüfung der resultiere­nden Produkte.

Umweltausw­irkungen befürchtet

Nach Ansicht von Christoph Then von Testbiotec­h unterschei­den sich Crispr-Pflanzen sehr wohl von ihren natürliche­n Vorgängern. Mit Crispr könnten etwa Regionen im Erbgut verändert werden, die natürliche­rweise vor Mutationen besonders gut geschützt seien. „Das kann zu biologisch­en Reaktionen führen, die man bisher noch nicht beobachtet hat und die ungewollt die Nahrungsmi­ttelqualit­ät oder die ökologisch­e Qualität der Pflanzen beeinfluss­en.“

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FOTO: DPA Mit der molekularb­iologische­n Methode namens Crispr lassen sich DNA-Bausteine sehr präzise umschreibe­n und neue Eigenschaf­ten in das Erbgut von Organismen einbringen.

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