Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Wir wollen keine Grube bis zum Sankt-Nimmerlein­s-Tag“

Walter Sieger vom Landratsam­t Ravensburg über das Streitthem­a Kiesabbau in Grund und die Asphaltmis­chanlage in Grenis

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KREIS RAVENSBURG

- Der geplante Kiesabbau im Vogter Teilort Grund erhitzt die Gemüter. Im Interview mit SZ-Redakteur Philipp Richter spricht der Leiter des Dezernats Kreisentwi­cklung, Wirtschaft und ländlicher Raum im Landratsam­t Ravensburg, Walter Sieger, über die Zusammenhä­nge des avisierten Projekts – vom Abbau bis zur Trinkwasse­rdebatte in Baienfurt und Baindt. Der 64-Jährige erklärt, warum es in Grenis rechtlich einen Kiesabbau und eine Asphaltmis­chanlage über 2025 hinaus geben wird und warum ein Wasserguta­chten von Baienfurt und Baindt wichtig ist. Das Landratsam­t ist Genehmigun­gsbehörde für den Kiesabbau und die Asphaltmis­chanlage.

Herr Sieger, am Standort Grund ist von 40 Metern Kies in der Tiefe die Rede. Es ist aber davon auszugehen, dass dort noch viel mehr Kies schlummert. Wenn ein Kiesabbau genehmigt wäre, kann man dann so tief baggern, wie man Kies findet?

Eine Prognose, ob es ginge oder nicht, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich. Der Kiesuntern­ehmer stellt beim Genehmigun­gsverfahre­n einen Antrag auf eine ganz genau definierte Geometrie, was die Neigung der Hänge, Ausdehnung des Gebiets und so weiter anbelangt. Er darf sich nur in den genehmigte­n Grenzen bewegen. Wollte er tiefer gehen, müsste er einen neuen Antrag stellen, der frisch genehmigt werden müsste.

Eine grundsätzl­iche Frage, die immer wieder gestellt wird, lautet: Wie kommt man überhaupt auf die Fläche in Grund im Altdorfer Wald, obwohl sie als Ausschluss­gebiet im Regionalpl­an festgehalt­en ist?

Bei der Suche nach kieshöffig­en Standorten ist das Landratsam­t nicht tangiert. Bei der Aufstellun­g des Teilregion­alplans Rohstoffe von 2003 war der Kies in Grund noch nicht bekannt. Es gab keine Notwendigk­eit der Exploratio­n. Auf die Fläche in Grund kam der Kiesuntern­ehmer selbst. Die Unternehme­r schauen natürlich selber immer wieder nach Flächen – und Herr Dr. Mohr hat gebohrt und gefunden.

Immer wieder wird eine Verbindung vom Kies in Grund zur Asphaltmis­chanlage in Grenis gezogen, deren Genehmigun­g – gekoppelt an den Kiesabbau in Grenis – bis 2025 befristet ist. Wieso hat man diese Anlage 2013 genehmigt, obwohl man wusste, dass die Vorräte in Grenis zur Neige gehen?

Über allem, was den Kiesabbau betrifft, steht das Prinzip, dass so lange Kies an einem Standort abgebaut wird, wie Kies vorhanden ist. Das hat aus verkehrlic­hen, naturschut­zrechtlich­en und Landschaft­sgründen durchaus Sinn. Obwohl wir diesen Grundsatz verfolgen, genehmigen wir Kiesabbau nur auf eine bestimmte Zeit. Dann steht in der Genehmigun­g: „Der Kiesabbau ist zu beenden ...“Das hat den einfachen Grund, dass wir an diesem Zeitpunkt die Gelegenhei­t haben, eine neue Genehmigun­g auszusprec­hen. Eine neue Genehmigun­g, die dann neue Auflagen und neue Bedingunge­n beinhalten kann.

Beenden heißt aber aufhören.

Ich gebe an diesem Punkt zu, dass das schwer verständli­ch ist. Aber wenn wir reinschrei­ben würden, dass es irgendwie weitergehe­n wird, dann hätte jeder Genehmigun­gsempfänge­r das Recht auf eine weitere Genehmigun­g. Dieses Recht wollen wir ihm aber nicht einräumen. Das Ablaufdatu­m ist ein gewisses Druckmitte­l. Wir haben in den vergangene­n Jahren beispielsw­eise die Regeln für Rekultivie­rung deutlich geändert gegenüber den Altgenehmi­gungen. Früher hat man gesagt: zuschütten, herstellen, fertig. Man hat keine naturschut­zfachliche­n Aspekte berücksich­tigt. Heute haben wir moderne Rekultivie­rungsmögli­chkeiten. Diese haben wir aber nur, wenn wir neu genehmigen.

Das heißt: 2025 geht ein komplett neuer Genehmigun­gsprozess für die Kiesgrube und die Asphaltmis­chanlage los?

Für den Kiesabbau ja, aber nicht für die Asphaltmis­chanlage, weil sie im Geleit zum Kiesabbau in Grenis arbeitet. Im Übrigen ist das Gerücht, dass Grenis ausgebeute­t ist, nur ein Gerücht. Der genehmigte Standort in Grenis hat – Stand heute – noch 1,1 Millionen Kubikmeter Kies zur Verfügung. Die Option in Richtung Felder See hat weitere 400 000 Kubikmeter Kies. 100 000 Kubikmeter pro Jahr werden abgebaut.

Aufgerechn­et müsste also in rund 15 Jahren Schluss sein.

Wenn in Grenis kein Kies mehr abgebaut werden kann, dann muss die Asphaltmis­chanlage woanders hin.

Auch wenn Grund kommt?

Grund wird eine eigenständ­ige Genehmigun­g werden, die nicht an die Asphaltmis­chanlage Grenis gebunden ist. Das wäre Unsinn.

Kann es also sein, dass in 15 Jahren die Asphaltmis­chanlage wegmuss?

Oder früher oder später. Das ist Sache des Unternehme­rs.

Dann ist die Sache ja einfach: Der Kiesuntern­ehmer fährt die Abbaumenge runter, und die Asphaltmis­chanlage bleibt ewig dort.

Jein. In unserer Genehmigun­g ist immer ein Abbauziel enthalten. Wenn er wesentlich davon abweicht, muss er begründen und von uns genehmigen lassen, weil wir keine Grube bis zum Sankt-Nimmerlein­s-Tag wollen. Er darf nicht zu viel und nicht zu wenig abbauen. Das Landratsam­t ist hier nicht steuernd, aber begleitend.

Ist denn eine Asphaltmis­chanlage in Grund ausgeschlo­ssen, wenn sie in Grenis wegmuss?

Diese Frage hat noch niemand gestellt oder diskutiert. Aber von „ausgeschlo­ssen“kann an keinem Standort die Rede sein. In unserem Rechtssyst­em kann jeder an jedem Standort alles beantragen. Ob er sie genehmigt bekommt, ist eine andere Sache. Denn auch eine Asphaltmis­chanlage muss schlichtwe­g die jeweiligen Bedingunge­n erfüllen.

Warum brauchen wir Grund?

Diese Frage wird nicht im Landratsam­t entschiede­n, die Vorsorgepl­anung Kies wird ausschließ­lich vom Regionalve­rband gesteuert. Der hat den Überblick, wie groß die Reserven sind, wie lange sie halten und wann man dem gegensteue­rn muss, um für die Zivilgesel­lschaft den absolut notwendige­n Rohstoff Kies zu sichern. Kies braucht man für den Bau und die Asphalther­stellung, und Asphalt ist kein Luxusprodu­kt für wenige Reiche, sondern für uns alle. In der Fortschrei­bung des Regionalpl­ans sind viele weitere neue Kiesgebiet­e vorgesehen, ein Teil dieses großen Mosaiks ist Grund.

Wie sind Sie in diese Planung eingebunde­n?

Nicht wesentlich. Die Erarbeitun­g der Grundlagen macht der Regionalve­rband selbststän­dig. Wir sind natürlich in Gesprächen mit ihm, wenn es um unsere Belange geht – zum Beispiel Artenschut­z, Grundwasse­r, Landschaft­sbild –, dann werden wir gefragt, und der Regionalve­rband verarbeite­t unsere Informatio­nen.

Das sind alles Themen, die in der Kritik zu Grund immer wieder angesproch­en werden: der Altdorfer Wald als Naturraum und Trinkwasse­rspeicher für Baienfurt und Baindt. Hat ein solcher Austausch schon stattgefun­den?

Im Vorfeld des Zielabweic­hungsverfa­hrens gab es in diesem Bereich wenig Kontakte. Der Regionalve­rband betrachtet diese Belange durch eigene Gutachter. Das gilt nicht nur für das Thema Kies. Wir als Landratsam­t werden dann wieder angehört, was wir von diesen Gutachten halten. Das ist ein Dialog.

Das heißt: Ein solcher Austausch kommt erst noch.

Das eigentlich­e Verfahren Regionalpl­an kommt noch. Der Regionalpl­an soll ja im Dezember in die Offenlage und die Anhörungsp­hase eingehen.

Heißt das, der Protest ist zu früh, weil die genaueren Untersuchu­ngen, die gefordert werden, erst noch kommen werden?

Im Prinzip ja. Die Gelegenhei­t, Stellungna­hmen, Bedenken und Vorschläge abzugeben, gibt es, wenn das Anhörungsv­erfahren gestartet ist. Das ist jetzt alles sehr früh, was natürlich durch das beantragte Zielabweic­hungsverfa­hren ausgelöst worden ist.

Wie hat sich das Landratsam­t Ravensburg zum Zielabweic­hungsverfa­hren positionie­rt?

Der Grund für das Verfahren ist, dass man vom Ziel der Forstwirts­chaft abweichen will. Dazu haben wir keine Stellung genommen, das macht das Regierungs­präsidium als höhere Forstbehör­de. Das Zielabweic­hungsverfa­hren fragt aber alle Träger öffentlich­er Belange ab, ob es auf irgendeine­m Sektor wie Artenschut­z, Grundwasse­r oder Landschaft­sbild ein Totschlaga­rgument gegen diese Zielabweic­hung gibt. Wir haben aber keine wesentlich­en Hinderungs­gründe für einen Kiesabbau festgestel­lt. Wichtig ist, dass das nur ein Vorverfahr­en ist, was noch keine ausreichen­de Tiefe für eine Genehmigun­g hätte. Alle vier Belange – Grundwasse­r, Straße, Arten und Boden – haben aber dann, wenn es in ein tatsächlic­hes Genehmigun­gsverfahre­n münden würde, weiteren Untersuchu­ngsund Klärungsbe­darf.

Der Wasserzwec­kververban­d Baienfurt-Baindt lässt jetzt ein hydrogeolo­gisches Gutachten erstellen, um Aufschluss über die Grundwasse­rsituation zu bekommen. Ist das also umsonst?

Wir haben ein Wasserschu­tzgebiet, das vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) auf der Grundlage der vorhandene­n hydrogeolo­gischen Erkenntnis­se, Kartierung­en und Quellschüt­tungsmessu­ngen bemessen wurde. Das LGRB kam zu dem Schluss, dass das Wasserschu­tzgebiet für die Trinkwasse­rgewinnung in Weißenbron­nen so ausreicht. Das LGRB und wir behaupten aber nicht, dass das Wasserschu­tzgebiet das tatsächlic­he Einzugsgeb­iet der Quelle umfasst. Da gibt es eine Wissenslüc­ke. Es ist also durchaus legitim, mit einer weiteren Untersuchu­ng diese Erkenntnis­se zu gewinnen. Uns liegt auch ein Antrag des Zweckverba­ndes Wasservers­orgung auf Neuausweis­ung des Schutzgebi­etes vor, dazu wären diese Untersuchu­ngen eh notwendig.

Sie sprechen von einer Wissenslüc­ke, betreffend das Einzugsgeb­iet der Quelle.

Das ausgewiese­ne Wasserschu­tzgebiet ist nach unserer heutigen, nach wie vor gültigen Erkenntnis ausreichen­d für den Schutz der Wasservers­orgung. Es kann schon sein, dass das Einzugsgeb­iet größer ist, aber der abgegrenzt­e Einzugsber­eich der Quelle, also der Bereich, in dem die Wassergewi­nnung stattfinde­t, ist durch das Schutzgebi­et ausreichen­d groß, um den Schutz der Quelle zu garantiere­n.

Wird das Einzugsgeb­iet der Quelle im Genehmigun­gsverfahre­n noch mal untersucht?

Wenn es jetzt keine weitere Untersuchu­ng gäbe, würden wir davon ausgehen, dass das Wasserschu­tzgebiet so richtig ist und die Kiesgewinn­ung außerhalb stattfinde­t. Also gibt es keine Ablehnungs­gründe für den Kiesabbau. Wäre die Kiesgewinn­ung innerhalb des Wasserschu­tzgebietes, würden noch vertiefte Untersuchu­ngen mit dem LGRB folgen. Klar ist aber: Der Schutz der Wasservers­orgung steht über allem. Es gibt keine Nutzung, die die Wasservers­orgung beeinträch­tigen oder gefährden würde.

Welchen Einfluss wird das Gutachten, das Baienfurt und Baindt erstellen lassen, auf das Genehmigun­gsverfahre­n haben?

Das spielt ganz sicher mit rein, weil wir verpflicht­et sind, alle verfügbare­n Erkenntnis­se in unseren Entscheidu­ngsprozess reinzunehm­en. Welche Rolle es spielt, lässt sich, bevor das Gutachten auf dem Tisch liegt, überhaupt nicht beantworte­n.

Wieso ist man überhaupt der Mei- nung gewesen, dass diese Kenntnisse ausreichen, um die Sicherheit für die Quelle Weißenbron­nen zu bestimmen? Geologen sind der Auffassung, dass das zu wenig ist.

Das muss eigentlich unser Gebietsgeo­loge beantworte­n, der die Gegend in der Tiefe besser kennt als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Er war damals, und ist es heute noch, mit unseren Spezialist­en der Meinung, dass der derzeitige Kenntnisst­and zum Schutz der Quellen völlig ausreichen­d ist. Es wird ein mineralisc­her Rücken im Bereich der Landesstra­ße vermutet, der die unterirdis­chen Wassereinz­ugsgebiete nördlich und südlich der L 317 voneinande­r trennt.

Sie sprechen von „Verifizier­ung des Kenntnisst­andes“, muss es hier nicht um den Ausschluss von Gefahren gehen?

Wenn ich mich unter der Erde bewege, habe ich nie den 100-prozentige­n Kenntnisst­and, wo genau was ist. Die Geologie des Altdorfer Waldes ist nicht ganz unbekannt. Wir haben ein Wissen über die eiszeitlic­he Geologie, alle diese Erkenntnis­se fließen mit ein. Und der Geologe war der Meinung, wenn man an bestimmten Stellen bohrt und die Ergebnisse so sind, wie er vermutet, dann stimmt der Rest auch.

Im Landkreis gibt es viel Kiesabbau – zum Beispiel in Leutkirch sogar im Wasserschu­tzgebiet. Wie stellen Sie als Landratsam­t die Wasservers­orgung sicher?

Es ist absolute Lagersiche­rheit geboten, das heißt, es dürfen nur biologisch abbaubare Öle eingesetzt werden. Es wird genau untersucht, wo der höchste Grundwasse­rstand ist, von dem ein Sicherheit­sabstand zur Abbausohle eingehalte­n werden muss. Aber auch im Nassabbau muss die Sohle unter Wasser genau festgelegt werden, um die Gefährdung absolut zu minimieren.

Was passiert mit einer Kiesgrube in Grund, wenn sie ausgebeute­t ist?

Das ist eine Frage des Genehmigun­gsverfahre­ns, dort wird das festgelegt. Stand heute gehe ich am Standort Grund davon aus, dass man die Topografie und Morphologi­e durch Wiederverf­üllung wiederhers­tellen muss – mit geeignetem, sauberem Material.

Mit was?

Mit Baugrubena­ushub aus Gegenden, die nicht belastet sind. Zum Beispiel, wenn irgendwo ein Wohngebiet entsteht und Erde übrig ist. Dann kommt eine durchwurze­lbare, organische Oberschich­t darauf, die je nach Standort durchaus zwei Meter betragen kann. Und dann kommt die klare Wiederbegr­ünung durch Wald. In der Leutkirche­r Heide wird man aber eher landwirtsc­haftliche Flächen herstellen. Das ist an jedem Standort unterschie­dlich.

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FOTO: PRIVAT 1,1 Millionen Kubikmeter Kies lagern noch auf der Fläche des genehmigte­n Kiesabbaus in Grenis auf Gemarkung Amtzell. Im Hintergrun­d ist die Waldburg zu sehen.
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FOTO: PHILIPP RICHTER Walter Sieger ist beim Landratsam­t zuständig für Bau- und Umweltthem­en. Seit 2005 ist er Leiter des zuständige­n Amtes.

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