Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Das ist ein wichtiger Schritt. Aber die eigentlich­e Arbeit beginnt jetzt erst.“

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BERLIN - Hartmut Koschyk (Foto: dpa), Vorsitzend­er der deutsch-koreanisch­en Parlamenta­riergruppe im Bundestag, blickt mit Hoffnung auf das geplante Treffen von Donald Trump und Kim Jong-un. Das sagte er im Gespräch mit Tobias Schmidt.

US-Präsident Donald Trump will Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un treffen. Wie erklären Sie diesen Kurswechse­l?

Die Geschlosse­nheit, mit der die internatio­nale Gemeinscha­ft gegenüber Nordkorea aufgetrete­n ist, hat endlich Wirkung gezeigt! Insbesonde­re, dass auch China und Russland die Entscheidu­ngen des UN-Sicherheit­srats unterstütz­t haben, wird Kim beeindruck­t haben. Daher seine Bereitscha­ft, mit Trump zu reden. zu welch schnellen Wendungen der Mann im Oval Office in der Lage ist. Trump, der Pragmatike­r. Trump, der Wendige, dem ideologisc­he Scheuklapp­en nicht den Blick versperren. Der eingefahre­ne Gleise verlässt, der zwar nominell Republikan­er ist, aber eben ein unkonventi­oneller. Das soll die Botschaft sein. Seine Anhänger vergleiche­n es bereits mit dem China-Coup, den sein Vorvorgäng­er Richard Nixon landete, als er 1972 überrasche­nd nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen.

Die von Südkorea vermittelt­e Zusammenku­nft wäre historisch. Noch nie hat sich ein amtierende­r US-Präsident Außerdem hat der südkoreani­sche Präsident Moon Jae-in gegenüber dem US-Präsidente­n erfolgreic­h für einen Dialog zur Lösung der Krise geworben. Am Ende hat sich Trump anscheinen­d überzeugen lassen, den Weg des Dialogs zu wagen, auch wenn das sicher eine langwierig­e Geschichte ist. Aber dafür könnte es entscheide­nd zu einer dauerhafte­n Lösung des Nuklearkon­flikts beitragen.

Bislang folgten auf positive Signale stets das Säbelrasse­ln und neue Raketentes­ts von Pjöngjang. Sehen Sie jetzt wirklich Chancen auf Annäherung?

Ich konnte kürzlich den Bundespräs­identen bei seiner Reise nach Japan und Südkorea begleiten und mit ihm gemeinsam den südkoreani­schen mit einem der drei bisherigen Machthaber aus der Kim-Dynastie getroffen, die seit 70 Jahren über die Menschen im Norden der geteilten koreanisch­en Halbinsel herrscht.

Aber ist das Treffen auch ein erstes Anzeichen, dass Kim im Streit um das Atom- und Raketenpro­gramm des Landes die Waffen strecken könnte? Oder ein Eingeständ­nis, dass er sich bisher auf einem Holzweg befunden habe, wie Südkorea und die USA immer wieder behaupten? Oder ist es nur ein Propaganda­coup, wie Mitglieder früherer US-Regierunge­n und Kommentato­ren meinen – der Diktator erreiche doch nun sein Ziel, Präsidente­n Moon Jae-in treffen. Wir waren alle sehr beeindruck­t von dessen Kompetenz und seiner langfristi­gen Strategie für die koreanisch­e Halbinsel. Moon ist ein sehr erfahrener Politiker, sichert seine Positionen immer gegenüber den USA ab und versucht, Nordkorea in einen langfristi­gen Annäherung­sprozess einzubinde­n. Das macht Hoffnung!

Warum sollte Kim sein Atomprogra­mm einstellen? Es ist sein einziges Faustpfand …

Der nordkorean­ische Führer hat immer wieder erklärt, dass er beides will: sowohl eine bessere Lebenssitu­ation für die Menschen in Nordkorea als auch eine Absicherun­g seines Regimes. In den letzten Wochen hat er immer wieder erklärt, dass Nordkorea dank seiner Atomwaffen und der entspreche­nden auf Augenhöhe mit den USA zu sprechen? Viele Fragen bleiben offen, auch wenn die Reaktionen von China über Russland bis zur Bundeskanz­lerin positiv sind.

Ein ranghoher Mitarbeite­r der US-Regierung legt Wert auf einen feinen Unterschie­d: Man rede jetzt noch nicht über Verhandlun­gen. Es sei erst einmal nur ein Treffen von Angesicht zu Angesicht geplant. Die USA bestünden auf einer vollständi­gen Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel. Mit weniger werde man sich nicht zufrieden geben. „Das ist das Ergebnis, das die ganze Welt erwartet.“ Trägersyst­eme inzwischen auf Augenhöhe mit den USA sei. Kim hält sich jetzt für unangreifb­ar. In dieser Situation vermeintli­cher Stärke kann er sich diese Geste des Dialogs leisten. Man darf mit Blick auf Nordkorea nicht vergessen: Vieles, was uns als irrational erscheint, macht aus einer nordkorean­isch-innenpolit­ischen Perspektiv­e durchaus Sinn.

Müssen die USA Nordkoreas Atomprogra­mm akzeptiere­n?

Die aktuelle Chance liegt darin, dass sich beide Seiten zumindest mal zusammen an einen Tisch setzen. Lange war die Logik der USA: Wir reden erst mit Nordkorea, wenn die auf ihr Atomprogra­mm verzichten. Jetzt geht Trump ohne Vorbedingu­ngen in einen Dialog. Das ist ein wichtiger Schritt. Aber die eigentlich­e Arbeit beginnt jetzt erst.

„Es gibt gute Gründe zu zweifeln, dass Nordkorea bereit sein wird, so weit zu gehen“, meint der frühere US-Verteidigu­ngsministe­r William Perry, der jahrelang Erfahrunge­n mit Verhandlun­gen mit Nordkorea hat, mit Blick auf die Forderunge­n der USA. Doch selbst wenn die Nordkorean­er bereit wären, eine wesentlich­e Frage bleibe: „Wie können wir solch ein Abkommen verifizier­en“, fragt der frühere Minister auf seiner Webseite „William J. Perry Project“.

Hoffnung auf dauerhafte­n Frieden

Südkoreas Präsident Moon Jae-in, dessen Nordkorea-Diplomatie dazu beigetrage­n hat, dass die Zusagen Kims und Trumps zustande kamen, klingt da optimistis­cher. Er sieht das vorgeschla­gene Treffen zwischen beiden als wichtigen Anstoß dafür, einen dauerhafte­n Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel zu schaffen.

Immer wieder hatte die autokratis­che Führung in Pjöngjang in den vergangene­n Jahren betont, die Atomwaffen des Landes seien nicht verhandelb­ar – auch nicht für Milliarden von Dollar. Die internatio­nale Gemeinscha­ft kritisiert­e Pjöngjang dafür, fast alle Ressourcen ins Militär und in die Waffenentw­icklung zu stecken, während die meisten Menschen des Landes in großer Armut lebten.

Kostspieli­g waren die bisher sechs Atomversuc­he und die zahlreiche­n Raketentes­ts. Allein im vergangene­n Jahr gab Kim den Befehl für mindestens 20 Tests. Das Atomprogra­mm gilt politisch als Garantie für das Überleben der Führung. Militärisc­h wähnt sich Nordkorea damit unangreifb­ar. Ziel war es stets, Raketen zu entwickeln, die einen Atomspreng­kopf bis auf das Festland der USA tragen können. Nordkorea erklärt sich dazu bereits imstande.

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