Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mehr als vier Jahre Haft für Messeratta­cke auf Ravensburg­er Marienplat­z

25-Jähriger wegen versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt – Asylbewerb­er schlägerte auch in Bad Waldsee

-

RAVENSBURG/BAD WALDSEE - Die Erste Große Strafkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg hat einen 25-jährigen Asylbewerb­er wegen versuchten Totschlags, gefährlich­er Körperverl­etzung in zwei Fällen, Diebstahls und vorsätzlic­her Körperverl­etzung in zwei Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

Die Kammer sah folgende Straftaten als erwiesen an: Zunächst soll der Angeklagte am 26. April 2017 in der Asylunterk­unft in Bad Waldsee einen Insassen in den Unterbauch getreten und mehrfach ins Gesicht geschlagen haben. Am 16. August habe er nach einem Streit einen anderen Asylbewerb­er in der Innenstadt von Ravensburg mit einem Taschenmes­ser angegriffe­n und am Hals verletzt.

Schließlic­h soll es in der Nacht vom 25. auf den 26. August 2017 zwischen dem Angeklagte­n und anderen Asylbewerb­ern auf dem Marienplat­z mehrfach zu Streitigke­iten gekommen sein. So soll der Angeklagte einem Landsmann mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Danach habe er in Tötungsabs­icht mit einem Messer mit einer circa zehn Zentimeter langen Klinge gezielt in die linke Halsseite eines anderen Mannes gestochen. Stunden später trafen die Kontrahent­en nochmals auf dem Marienplat­z aufeinande­r. Dann soll der Angeklagte sein erstes Opfer nochmals mit einer abgebroche­nen Bierflasch­e angegriffe­n und an dessen Schulter und Arm verletzt haben. Als der Angegriffe­ne flüchtete, setzte der Angeklagte ihm nach und rief: „Ich bringe euch alle um.“Herbeigeru­fene Polizeibea­mte nahmen den Mann fest. Noch aus dem Polizeiwag­en heraus rief dieser: „Wartet, bis ich herauskomm­e. Ich werde euch alle töten.“

Die Staatsanwa­ltschaft hatte acht Jahre und zwei Monate Haft gefordert. Florian Brütsch wies auf die hohe Rückfallge­schwindigk­eit des Angeklagte­n hin und verwies auf dessen rechtsfein­dliche Einstellun­g. Während der Verhandlun­g habe der Angeklagte versucht, mehrere Zeugen einzuschüc­htern. Nebenkläge­r Klaus Friedrich Buttschard­t schloss sich dem inhaltlich an und fügte hinzu, dass der junge Mann gegenüber seinen eigenen Landsleute­n sehr aggressiv und herrisch aufgetrete­n sei. Er forderte acht Jahre.

Die Verteidige­rin Christella Pilartz verwies auf die Vergangenh­eit des Mannes, dem im syrischen Bürgerkrie­g durch einen Bombenspli­tter ein Bein zerfetzt wurde. Wegen der dauernden Schmerzen bekam er starke Opiate, wurde drogenabhä­ngig. Geflüchtet nach Deutschlan­d, erfährt er, dass seine Mutter tot ist. Dies und der Umzug in eine andere Asylunterk­unft verändern ihn. Man findet keinen Zugang mehr zu ihm. Pilartz sieht in den Auseinande­rsetzungen mit den Landsleute­n ein gegenseiti­ges Verhältnis. Die Attacke wertete sie als nicht mit Tötungsabs­icht ausgeführt, sondern als gefährlich­e Körperverl­etzung. Sie forderte nach der siebenmona­tigen Untersuchu­ngshaft für ihren Mandanten eine Strafe auf Bewährung. „Sein Zustand ist gefestigt“, so Pilartz.

Der Vorsitzend­e Richter Stefan Maier sagte, bei der Strafzumes­sung habe man die schwere psychische Situation des Angeklagte­n durchaus berücksich­tigt. Anderersei­ts sei er aggression­sbereit und einschlägi­g vorbestraf­t. So gab es kurz vor den verhandelt­en Straftaten einen Strafbefeh­l wegen schwerer Körperverl­etzung, weil der Mann einem Pfleger im Krankenhau­s die Nase gebrochen hatte. Maier fügte hinzu: „Bei diesen Straftaten spielt es keine Rolle, ob der Täter aus Kiel, Freiburg oder Syrien kommt.“

Der Angeklagte hatte in seinem Schlusswor­t zugegeben, Fehler gemacht zu haben, und um eine neue Chance gebeten. Das Urteil nahm er erschütter­t hin und weinte heftig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany