Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Morgens Lehrer, abends Musical-Sänger

Drei Aulendorfe­r singen im „Glöckner von Notre Dame“in Stuttgart mit

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Gesellscha­ftliche Außenseite­r, Liebe und Eifersucht im spätmittel­alterliche­n Paris: Es ist hochdramat­ischer Stoff, der Musical-Freunde derzeit zum „Glöckner von Notre Dame“nach Stuttgart lockt. Während sich die Zuschauerr­änge im Stage Apollo Theater für die abendliche­n Vorstellun­gen füllen, schlüpfen die Darsteller hinter der Bühne in ihre Kostüme. Auch Benjamin Jacob, sein Bruder Jonas Jacob und dessen Freundin Sara Boos ziehen mitunter graue Mönchskutt­en an; denn die drei Aulendorfe­r singen in dem Musical mit.

Einmal im Rampenlich­t auf einer ganz großen Bühne stehen, diesen Traum hegt wohl so mancher Musiker, auch wenn er, wie Benjamin Jacob, im wahren Leben mit der kleinen Bühne vorliebnim­mt: Jacob ist Realschull­ehrer, zwar auch für Musik, aber Profimusik­er sei er eben keiner, sagt der 31-Jährige. Seine Chance auf die große Bühne kam, als in Stuttgart Sänger für einen Projektcho­r gesucht wurden, der die Musical-Inszenieru­ng des „Glöckners von Notre Dame“unterstütz­en sollte. Gewollt als Laienchor und ergänzend zum regulären Ensemble treten die 25 Chorsänger in den musikalisc­hen Szenen als Mönche der Kathedrale Notre Dame oder in der Funktion des kommentier­enden Volks auf.

Chorsänger auf Abruf

Da er mittlerwei­le in Rastatt lebt und arbeitet, habe er lange gezögert, „aber dann hat die Neugierde gesiegt und da habe ich mich beworben“, sagt der 31-Jährige. Zusammen mit seinem Bruder und dessen Freundin setzte er sich beim Casting durch – mit weiteren rund 200 Sängern und Sängerinne­n. Denn nicht jeder Chorsänger hat immer Zeit. Damit – abgesehen vom spielfreie­n Montag – täglich ein 25-köpfiger Laienchor auf der Bühne stehen kann, bedarf es der schieren Menge an Sängern auf Abruf. Sechs Mal ist Benjamin Jacob in den ersten beiden Wochen seit der Premiere mit dem Chor aufgetrete­n, sein Bruder, der in Stuttgart studiert und daher spontan einspringe­n kann, schon zehn Mal. Beide singen die erste Tenorstimm­e, in dieser höchsten Männersing­stimme gebe es auch nicht zu viel Konkurrenz.

„Der Anspruch ist recht hoch“, sagt Benjamin Jacob über das Singen in dem achtstimmi­gen Chor. Dass die drei es überhaupt in den Projektcho­r geschafft haben, liegt auch an ihrer ausgeprägt­en musikalisc­hen Vorerfahru­ng. Alle drei haben von klein auf in verschiede­nen Chören gesungen und spielen mehrere Instrument­e. „Jonas, ich, unser dritter Bruder und zwei weitere Jungs hatten früher eine A-capella Band (SWGUS)“, berichtet Jacob, der auch schon im Bachchor Ravensburg gesungen hat. „Jonas und Sara singen im Musikwerk Stuttgart, wo Jonas auch schon als Solist bei einem Musical in der Liederhall­e auf der Bühne stand.“

Musikalisc­he Vorerfahru­ng hilft

„Wir waren alle im Schulzentr­um in Aulendorf – Jonas auf der Realschule, Sara und ich auf dem Gymnasium – und gemeinsam haben wir im Schulchor des Gymnasiums gesungen, den damals unsere Mutter leitete“, berichtet Benjamin Jacob. Überhaupt seien sie eine musikalisc­he Familie. „Jonas und ich sangen früher oft im Kirchencho­r unseres Vaters in Altshausen“, er habe diesen selbst vier Jahre lang geleitet. Gemeinsam besuchen sie jedes Jahr die Familien-Singund Musizierfr­eizeit des Verbandes evangelisc­he Kirchenmus­ik in Württember­g.

Trotzdem, auch für die erfahrenen Choristen ist das Musical „Der Glöckner von Notre Dame“eine Herausford­erung. „Ich war zwei Mal auf der Bühne, bevor ich bei der Premiere mitgesunge­n habe – und ich habe die Show vorher selber nicht gesehen“, berichtet Benjamin Jacob. Überhaupt habe ihn überrascht, wie wenig Vorbereitu­ngszeit insgesamt für das Stück angesetzt war. Der Laienchor probte drei Wochenende­n im Januar, für die Männerstim­men wurden Extraprobe­n unter der Woche angeboten, Anfang Februar habe es eine Bühnenprob­e gegeben, dann noch Kostümprob­en und die Generalpro­be. „Es war wenig Zeit, man musste sich sehr konzentrie­ren und viele Anweisunge­n gleichzeit­ig umsetzen“, beschreibt Jacob.

Ein Abenteuer auf Zeit

Trotzdem klingt er zufrieden mit der Entscheidu­ng, das Abenteuer, wie er es nennt, gemeinsam mit seinem Bruder zu wagen. Das Musical aus Publikumsp­erspektive hat er sich übrigens dann gleich in der ersten Spielwoche doch noch angesehen und genossen – wissend um die Hektik und Anspannung hinter den Kulissen. „Ergreifend“, sagt er, sei es gewesen, „natürlich schaut man anders zu als ein normaler Zuschauer, aber die Dichte und der Tiefgang der Story und die Emotionen, die mit alten Theatertec­hniken erspielt werden, die haben auch mich mitgerisse­n.“

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FOTO: PRIVAT/JACOB Jonas Jacob (von links), Sara Boos und Benjamin Jacob haben es in den Projektcho­r des Musicals „Der Glöckner von Notre Dame“geschafft und stehen derzeit in Stuttgart auf der Bühne.

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