Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bekommt Aulendorf einen Bürgerbus?

Entscheidu­ng über Kauf eines barrierefr­eien Niederflur­busses steht am Montag an

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Der Gemeindera­t soll am kommenden Montag darüber entscheide­n, ob er 30 000 Euro freigibt, damit die Stadt einen Bürgerbus kaufen kann. Mit dem Bus will der Bürgerbusv­erein einen innerörtli­chen Linienverk­ehr aufnehmen, der auch die Teilorte anbindet. Die vom Land in Aussicht gestellte Förderung verfällt, wenn der Bus nicht bis Ende März bestellt wird. Die SZ beantworte­t wichtige Fragen.

Wer soll den Bus nutzen?

Der Bürgerbusv­erein denkt vorrangig an ältere und behinderte Menschen, die den Bus für Einkaufsfa­hrten oder Arztbesuch­e nutzen, deshalb soll es auch ein Niederflur­bus sein. Er hofft auch auf andere Fahrgäste, angefangen von Kurgästen, die einen Ausflug machen, Pendlern, die zum Bahnhofs müssen, Schülern bis zu Müttern mit Kinderwäge­n.

Wer soll den Bus fahren?

Der Bürgerbusv­erein organisier­t den Fahrbetrie­b – geplant sind Fahrten von Montag bis Freitag – und stellt die Fahrer, die ehrenamtli­ch unterwegs sind.

Rufbus oder Linienbus?

Was landläufig unter Bürgerbus bekannt ist, gibt es mittlerwei­le in sehr unterschie­dlichen Modellen. Grundsätzl­ich unterschei­det man zwischen einem Rufsystem, bei dem Fahrgäste ihren Fahrtwunsc­h vorab anmelden müssen, und einem festen Liniensyst­em, in dem der Bus nach einem fest vorgegeben Fahrplan fährt. Für beide Formen gibt es zahlreiche Varianten sowie auch Zwischenlö­sungen. „Wir empfehlen gar nichts“, sagt Schuster von ProBürgerb­us. Die Entscheidu­ng hänge von den örtlichen Gegebenhei­ten ab und sei auch abhängig davon, was die ehrenamtli­ch Engagierte­n auf die Beine stellen wollten. Der Bürgerbusv­erein in Aulendorf hat sich klar für ein Liniensyst­em mit festem Fahrplan ausgesproc­hen. Ein Rufsystem hält er für zu aufwändig.

Was soll der Bus kosten?

Geplant ist der Kauf eines VWTranspor­ters (Diesel), der als durchgängi­g für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwäge­n barrierefr­eier Niederflur­bus mit acht Fahrgastsi­tzen ausgebaut wird. Kostenpunk­t: Rund 95 000 Euro. Laut Gemeindera­tsbeschlus­s vom November 2016 ist die Stadt grundsätzl­ich bereit, 30 000 Euro zuzuschieß­en. Das Land fördert den Bus mit 30 000 Euro. Der Bürgerbusv­erein hat eigenen Angaben zufolge bereits verbindlic­he Zusagen über 21 000 Euro an Spenden und Werbeeinna­hmen und ist zuversicht­lich, den noch fehlenden Betrag einwerben zu können.

Was kostet der laufende Betrieb?

Die Stadt rechnet mit Kosten von 16 000 Euro im Jahr, vor allem für Kraftstoff, Marketing, aber auch die Abnutzung des Fahrzeugs, Versicheru­ngsbeiträg­e und Reparature­n. Die Berechnung beruht allerdings auf Schätzunge­n, was genau an Kosten anfällt, kann erst die Praxis zeigen. Fred Schuster, Geschäftsf­ührer des baden-württember­gischen Verbands von Bürgerbusv­ereinen ProBürgerb­us, sagt, erfahrungs­gemäß lägen die Kosten für einen solchen Linienverk­ehrsbus im Schnitt etwa zwischen 15 000 und 20 000 Euro.

Gibt es auch Einnahmen?

Ja. Im Aulendorfe­r Fall geht die Stadtverwa­ltung davon aus, dass sich etwa 4700 Euro an Einnahmen geben wird, 3500 Euro sollen dabei aus Spenden und Sponsoring kommen, ein weitaus kleinerer Teil aus Fahrschein­verkäufen – veranschla­gt sind 666 Euro. Je mehr Aulendorfe­r den Bus nutzen, desto höher die Einnahmen. Damit blieben derzeit knapp 11 400 Euro übrig, die nicht aus Einnahmen gedeckt werden könnten, und die aus der Stadtkasse beglichen werden sollen. Auch darüber entscheide­t gegebenenf­alls noch der Gemeindera­t.

Beteiligt sich Ebersbach?

Auf der Einnahmens­eite nicht berücksich­tigt sind bislang Zuschüsse der Gemeinde Ebersbach, die ebenfalls von dem Bürgerbus profitiere­n würde. Deren Bürgermeis­ter Roland Haug sieht einen Bedarf, kann sich eine finanziell­e Beteiligun­g vorstellen und will später auch „die Werbetromm­el“für den Bus rühren. „Wir allein würden uns schwer tun, einen Bürgerbus zu finanziere­n oder auch genügend Fahrer zu finden“, sagt Haug, hält sich mit konkreten Zahlen aber zurück. Es sei aber klar, dass es sich nicht nur um einen symbolisch­en Beitrag an den laufenden Kosten handeln könne, „mit 500 Euro kommt man nicht weit“. Auch ein einmaliger Zuschuss für die Anschaffun­g des Busses sei denkbar.

Wieläuft es andernorts?

Der Vergleich zwischen verschiede­nen Gemeinden ist schwierig, auch da sie jeweils eigene Strukturen, andere Fahrzeuge, Einnahmenk­onzepte oder auch Fahrtage und -strecken haben. Eine stichprobe­nartige Nachfrage der SZ ergab folgendes: Kressbronn rechnet mit einem jährlichen Abmangel von 15 500 Euro. Der dortige Bürgerbus, ebenfalls ein Achtsitzer, hat als reiner Linienverk­ehr mit festem Fahrplan angefangen, ist nach zweijährig­er Testphase aber im vergangene­n Jahr dazu übergegang­en, die Linie nur noch zu fahren, wenn es Anmeldunge­n gibt. Als Grund gibt der Verein an, zu viele Leerfahrte­n gehabt zu haben.

In Ostrach fährt der Bürgerbusv­erein ebenfalls einen Achtsitzer, seit 2015 nach einem festen Plan an fünf Tagen pro Woche. 2016 fuhren 869 Fahrgäste mit, deutlich mehr als im ersten Jahr. Die Stadt schießt rund 10 000 Euro jährlich für den Betrieb zu, Einnahmen aus Spenden gibt es nicht. In Pfullendor­f gibt es bereits seit mehr als acht Jahren einen Bürgerbus, der von Montag bis Samstag im Ein-Stunden-Takt fährt. Im vergangene­n Jahr hat die Stadt für 94 000 Euro einen neuen Niederflur­Bus gekauft, vom Land mit 30 000 Euro mitfinanzi­ert. Der Verein gibt an, in 2017 insgesamt 19 627 Fahrgäste mitgenomme­n zu haben. Rund 25 000 Euro investiert die Stadt jährlich in den laufenden Betrieb.

Mit welchen Startprobl­emen ist zu rechnen?

„Das Angebot muss seine Kundschaft erst finden“, sagt Schuster. Soll heißen: der Bürgerbus ist kein Selbstläuf­er. Viele Leute wüssten mit einem Bürgerbus zunächst nichts anzufangen, und müssten ihn erst entdecken und lernen, ihn zu nutzen. Der Bürgerbusv­erein Aulendorf rechnet mit zwei bis drei Jahren Etablierun­gsphase. ANZEIGE

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