Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bekommt Aulendorf einen Bürgerbus?
Entscheidung über Kauf eines barrierefreien Niederflurbusses steht am Montag an
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AULENDORF - Der Gemeinderat soll am kommenden Montag darüber entscheiden, ob er 30 000 Euro freigibt, damit die Stadt einen Bürgerbus kaufen kann. Mit dem Bus will der Bürgerbusverein einen innerörtlichen Linienverkehr aufnehmen, der auch die Teilorte anbindet. Die vom Land in Aussicht gestellte Förderung verfällt, wenn der Bus nicht bis Ende März bestellt wird. Die SZ beantwortet wichtige Fragen.
Wer soll den Bus nutzen?
Der Bürgerbusverein denkt vorrangig an ältere und behinderte Menschen, die den Bus für Einkaufsfahrten oder Arztbesuche nutzen, deshalb soll es auch ein Niederflurbus sein. Er hofft auch auf andere Fahrgäste, angefangen von Kurgästen, die einen Ausflug machen, Pendlern, die zum Bahnhofs müssen, Schülern bis zu Müttern mit Kinderwägen.
Wer soll den Bus fahren?
Der Bürgerbusverein organisiert den Fahrbetrieb – geplant sind Fahrten von Montag bis Freitag – und stellt die Fahrer, die ehrenamtlich unterwegs sind.
Rufbus oder Linienbus?
Was landläufig unter Bürgerbus bekannt ist, gibt es mittlerweile in sehr unterschiedlichen Modellen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem Rufsystem, bei dem Fahrgäste ihren Fahrtwunsch vorab anmelden müssen, und einem festen Liniensystem, in dem der Bus nach einem fest vorgegeben Fahrplan fährt. Für beide Formen gibt es zahlreiche Varianten sowie auch Zwischenlösungen. „Wir empfehlen gar nichts“, sagt Schuster von ProBürgerbus. Die Entscheidung hänge von den örtlichen Gegebenheiten ab und sei auch abhängig davon, was die ehrenamtlich Engagierten auf die Beine stellen wollten. Der Bürgerbusverein in Aulendorf hat sich klar für ein Liniensystem mit festem Fahrplan ausgesprochen. Ein Rufsystem hält er für zu aufwändig.
Was soll der Bus kosten?
Geplant ist der Kauf eines VWTransporters (Diesel), der als durchgängig für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwägen barrierefreier Niederflurbus mit acht Fahrgastsitzen ausgebaut wird. Kostenpunkt: Rund 95 000 Euro. Laut Gemeinderatsbeschluss vom November 2016 ist die Stadt grundsätzlich bereit, 30 000 Euro zuzuschießen. Das Land fördert den Bus mit 30 000 Euro. Der Bürgerbusverein hat eigenen Angaben zufolge bereits verbindliche Zusagen über 21 000 Euro an Spenden und Werbeeinnahmen und ist zuversichtlich, den noch fehlenden Betrag einwerben zu können.
Was kostet der laufende Betrieb?
Die Stadt rechnet mit Kosten von 16 000 Euro im Jahr, vor allem für Kraftstoff, Marketing, aber auch die Abnutzung des Fahrzeugs, Versicherungsbeiträge und Reparaturen. Die Berechnung beruht allerdings auf Schätzungen, was genau an Kosten anfällt, kann erst die Praxis zeigen. Fred Schuster, Geschäftsführer des baden-württembergischen Verbands von Bürgerbusvereinen ProBürgerbus, sagt, erfahrungsgemäß lägen die Kosten für einen solchen Linienverkehrsbus im Schnitt etwa zwischen 15 000 und 20 000 Euro.
Gibt es auch Einnahmen?
Ja. Im Aulendorfer Fall geht die Stadtverwaltung davon aus, dass sich etwa 4700 Euro an Einnahmen geben wird, 3500 Euro sollen dabei aus Spenden und Sponsoring kommen, ein weitaus kleinerer Teil aus Fahrscheinverkäufen – veranschlagt sind 666 Euro. Je mehr Aulendorfer den Bus nutzen, desto höher die Einnahmen. Damit blieben derzeit knapp 11 400 Euro übrig, die nicht aus Einnahmen gedeckt werden könnten, und die aus der Stadtkasse beglichen werden sollen. Auch darüber entscheidet gegebenenfalls noch der Gemeinderat.
Beteiligt sich Ebersbach?
Auf der Einnahmenseite nicht berücksichtigt sind bislang Zuschüsse der Gemeinde Ebersbach, die ebenfalls von dem Bürgerbus profitieren würde. Deren Bürgermeister Roland Haug sieht einen Bedarf, kann sich eine finanzielle Beteiligung vorstellen und will später auch „die Werbetrommel“für den Bus rühren. „Wir allein würden uns schwer tun, einen Bürgerbus zu finanzieren oder auch genügend Fahrer zu finden“, sagt Haug, hält sich mit konkreten Zahlen aber zurück. Es sei aber klar, dass es sich nicht nur um einen symbolischen Beitrag an den laufenden Kosten handeln könne, „mit 500 Euro kommt man nicht weit“. Auch ein einmaliger Zuschuss für die Anschaffung des Busses sei denkbar.
Wieläuft es andernorts?
Der Vergleich zwischen verschiedenen Gemeinden ist schwierig, auch da sie jeweils eigene Strukturen, andere Fahrzeuge, Einnahmenkonzepte oder auch Fahrtage und -strecken haben. Eine stichprobenartige Nachfrage der SZ ergab folgendes: Kressbronn rechnet mit einem jährlichen Abmangel von 15 500 Euro. Der dortige Bürgerbus, ebenfalls ein Achtsitzer, hat als reiner Linienverkehr mit festem Fahrplan angefangen, ist nach zweijähriger Testphase aber im vergangenen Jahr dazu übergegangen, die Linie nur noch zu fahren, wenn es Anmeldungen gibt. Als Grund gibt der Verein an, zu viele Leerfahrten gehabt zu haben.
In Ostrach fährt der Bürgerbusverein ebenfalls einen Achtsitzer, seit 2015 nach einem festen Plan an fünf Tagen pro Woche. 2016 fuhren 869 Fahrgäste mit, deutlich mehr als im ersten Jahr. Die Stadt schießt rund 10 000 Euro jährlich für den Betrieb zu, Einnahmen aus Spenden gibt es nicht. In Pfullendorf gibt es bereits seit mehr als acht Jahren einen Bürgerbus, der von Montag bis Samstag im Ein-Stunden-Takt fährt. Im vergangenen Jahr hat die Stadt für 94 000 Euro einen neuen NiederflurBus gekauft, vom Land mit 30 000 Euro mitfinanziert. Der Verein gibt an, in 2017 insgesamt 19 627 Fahrgäste mitgenommen zu haben. Rund 25 000 Euro investiert die Stadt jährlich in den laufenden Betrieb.
Mit welchen Startproblemen ist zu rechnen?
„Das Angebot muss seine Kundschaft erst finden“, sagt Schuster. Soll heißen: der Bürgerbus ist kein Selbstläufer. Viele Leute wüssten mit einem Bürgerbus zunächst nichts anzufangen, und müssten ihn erst entdecken und lernen, ihn zu nutzen. Der Bürgerbusverein Aulendorf rechnet mit zwei bis drei Jahren Etablierungsphase. ANZEIGE