Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Verteidigu­ng lehnt Schöffin am Landgerich­t Ravensburg ab

Ist Antrag erfolgreic­h, müsste Hoßkircher Mordprozes­s nochmal neu aufgerollt werden

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RAVENSBURG/HOSSKIRCH (jul) Überrasche­nde Entwicklun­g im Hoßkircher Mordprozes­s: Bei der Verhandlun­g am Freitag stellte die Verteidigu­ng den Antrag, eine Schöffin wegen Befangenhe­it abzulehnen.

Eigentlich geht es in dem Prozess vor dem Landgerich­t Ravensburg um den Mord an einer 30-Jährigen in Hoßkirch. Dem 35-jährigen Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, seine Frau erwürgt und anschließe­nd einen Autounfall vorgetäusc­ht zu haben, um die Tat zu vertuschen. Am 14. Verhandlun­gstag allerdings drehte es sich um das Verhalten der Schöffen. Gleich zum Beginn der Sitzung wollte Verteidige­r Ralf Steiner mehr zu einem Vorfall wissen, der sich nach dem vergangene­n Prozesstag ereignet haben soll. „Uns wurde zugetragen, dass zwischen Schöffen und Nebenkläge­rin eine vertraute Unterhaltu­ng gegeben haben soll. Dieser Umstand irritiert uns sehr.“

Nach den Kindern erkundigt

Der Vorsitzend­e Richter Stefan Maier hatte sich vorab bei den beiden Schöffen – einem Mann und einer Frau – dazu erkundigt und gab bekannt, dass es beim Gespräch um die Verhandlun­gstermine gegangen sei und man sich nach den beiden Kindern von Opfer und Angeklagte­m erkundigt habe. „Dabei hat die Nebenkläge­rin von einem Ballonstei­gen mit den Kindern berichtet“, so Maier. Diese Informatio­n schien dem Verteidige­r nicht auszureich­en, sodass in einer rund anderthalb­stündigen Sitzungsun­terbrechun­g ein Antrag sowie eidesstatt­liche Versicheru­ngen formuliert wurden.

Bei Wiederaufn­ahme des Prozesses beantragte Steiner die Ablehnung der Schöffen wegen Befangenhe­it. Personen aus dem Familienun­d Freundeskr­eis des Angeklagte­n schilderte­n in eidesstatt­lichen Versicheru­ngen, dass die Nebenkläge­rin – die Mutter des Opfers – und die Schöffen gemeinsam das Gerichtsge­bäude verlassen und bei einer Unterhaltu­ng sehr vertraut gewirkt hätten. Das Ballonstei­gen habe am Todestag der Mutter auf dem Friedhof in Konstanz stattgefun­den. Bei der Verabschie­dung habe die Schöffin zudem die Nebenkläge­rin am Oberarm gestreiche­lt. Dieses Verhalten weckte beim Verteidige­r Misstrauen. „Der angemessen­e Abstand für einen unvoreinge­nommenen Prozessver­lauf scheint damit nicht mehr eingehalte­n werden zu können.“Der Richter beschloss daraufhin, dass die Sitzung erneut unterbroch­en wird, damit die Schöffen zu dem Vorfall eine Stellungna­hme formuliere­n können.

Kein Körperkont­akt bei Abschied

Der Schöffe erklärte schließlic­h, dass er der Nebenkläge­rin beim Verlassen des Gebäudes begegnet sei. Seine Kollegin sei für einen kurzen Wortwechse­l mit ihr stehen geblieben, aber er selber habe weder daran teilgenomm­en noch mitgehört. Die Schöffin bestätigte in ihrer Stellungna­hme, dass sie der Nebenkläge­rin beim Rausgehen begegnet sei und gesagt habe, dass sie neulich an die Familie gedacht habe. „Die Nebenkläge­rin schilderte die Ballonakti­on mit den Kindern, aber der Ort dazu war mir nicht bekannt.“In ihrer Erinnerung habe sie sich auch ohne Handschlag und Körperkont­akt verabschie­det. Die Nebenkläge­rin bestätigte, dass diese Stellungna­hmen ihrer Wahrnehmun­g entspräche­n.

Die Verteidigu­ng nahm den Befangenhe­itsantrag gegen den Schöffen zurück. Für die Beratung über den verbleiben­den Antrag wurde die Sitzung nochmals unterbroch­en. Anschließe­nd teilte Richter Maier mit, dass es weiteren Beratungsb­edarf gebe und der Prozess am Freitag, 23. März, um 9.30 Uhr fortgesetz­t wird.

Sollte die Kammer den Befangenhe­itsantrag annehmen und die Schöffin ausschließ­en, bedeutet das laut Therese Müller-Rezbach, Pressespre­cherin des Landgerich­ts, dass der Prozess neu verhandelt werden müsste. „Ich gehe davon aus, dass es dann nochmals ganz von vorne losgehen muss“, so Müller-Rezbach. Lehnt die Kammer den Befangenhe­itsantrag ab, könnte dies wiederum als ein Revisionsg­rund gelten.

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