Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vorwurf der Marktmanipulation
Staatsanwaltschaft durchsucht erneut Büros in der VW-Zentrale in Wolfsburg
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WOLFSBURG/BRAUNSCHWEIG (dpa) - Keine Atempause für Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat wegen des Verdachts auf Marktmanipulation erneut Büros in der Wolfsburger Konzernzentrale durchsucht. Anfang März seien Papiere und mehrere Terabyte an Daten in den VW-Räumen sichergestellt worden, sagte der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe am Dienstag. Es geht um möglicherweise falsche Verbrauchsangaben und den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2). Zuvor hatte die „Wirtschaftswoche“darüber berichtet.
Bei den neuen Ermittlungen gegen Unbekannt dreht es sich vor allem um eine Ad-hoc-Mitteilung von VW vom Dezember 2015. Gut einen Monat vorher, nämlich Anfang November 2015 und damit kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals, hatte VW zunächst mitgeteilt, es gebe „Anhaltspunkte für weitere Unregelmäßigkeiten“. Bei 800 000 Autos sei es zu „nicht erklärbaren Werten“bei CO2-Messungen gekommen. Das legte nahe, dass für diese Autos die Verbrauchsangaben falsch sein könnten. Am 9. Dezember 2015 widerrief VW die Angaben und verschickte eine Ad-hoc-Mitteilung, wonach nur neun Modellvarianten und insgesamt rund 36 000 Autos betroffen seien. Volkswagen geht davon aus, der Publizitätspflicht ordnungsgemäß nachgekommen zu sein.
Die Staatsanwaltschaft hat nun Anhaltspunkte dafür, dass diese zweite Ad-hoc-Mitteilung „objektiv inhaltlich falsch“war, wie ihr Sprecher Ziehe sagte. „Wir haben Anhaltspunkte, dass mehr Fahrzeuge betroffen sind.“Die genaue Zahl steht noch nicht fest. „Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob Mitarbeiter von Volkswagen grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben“, sagte Ziehe. Manfred Döss, Leiter Rechtswesen bei VW und Vorstandsmitglied der Porsche SE, bestätigte die Durchsuchung.
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Marktmanipulation. Kurz nach Bekanntwerden der Nachricht im Dezember 2015, dass dem Autobauer keine weiteren Verwerfungen im Ausmaß des Dieselskandals auch im Falle des CO2-Ausstoßes drohen, hatten VW-Aktien kräftig zugelegt. Die Papiere kletterten an dem Tag um mehr als sechs Prozent. Nach den im Dieselskandal festgestellten Manipulationen bei Stickoxidwerten von Volkswagen reagierten die Aktienmärkte damals besonders nervös auf Nachrichten zu VW.
Bundesregierung am Pranger
Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte dies relevant sein für eventuelle Anlegerklagen, sagte Branchenexperte Stephan Bratzel. Die erneuten Durchsuchungen kämen für Volkswagen „zur Unzeit“, weil sich der Konzern nach dem Abgasskandal neu aufzustellen versuche. Er betonte aber, dass es bislang nur Verdachtsmomente gebe. Gerade erst hatte der VW-Konzern Milliardengewinne für 2017 verkündet – und trotzte damit den Debatten um Fahrverbote und Dieselkrise.
Grünen-Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer sagte, es sei ein offenes Geheimnis, dass VW bei den Verbrauchsangaben „getrickst“habe. „Aber die Bundesregierung hat das von Anfang an vertuscht, um einen Flächenbrand in der Branche zu verhindern“, kritisierte der Politiker. Andernfalls drohten den Konzernen gewaltige Schadenersatzforderungen. „Leider mauert die Bundesregierung hier seit Jahren“, monierte Krischer.