Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Defekt lässt Kirchenglocke nachts läuten
In Steinach war sie stundenlang zu hören – In St. Peter schweigen die Glockentürme nachts – Ist Läuten noch zeitgemäß?
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BAD WALDSEE - Ein technischer Defekt in der Steinacher Kapelle hat unlängst dazu geführt, dass die Kapellenglocke am frühen Morgen stundenlang nicht mehr aufhörte zu schlagen. Über mehrere Tage hinweg blieb die Uhr auf halb zehn Uhr stehen, und die Glocke gab vorerst keinen Laut mehr von sich.
„Es war ein technischer Defekt. Ich habe dann die Sicherung herausgenommen“, sagte Steinachs Mesner Wilhelm Noppenberger über das ungewollte Glockenschlagen. Was geschehen war: Die Steinacher Kapellenglocke hatte von etwa fünf Uhr morgens bis acht Uhr durchgängig geschlagen. „Ich wurde morgens angerufen, und ein Nachbar kam auch rüber“, erklärt Noppenberger. Dass die Glocke einmal aussetzt, sei schon öfters vorgekommen, ein durchgängiges Schlagen jedoch nicht. „Vielleicht war die Funkuhr der Anlage der Grund“, meinte der Steinacher. Kurz darauf baute ein Techniker eine neue Steuerung ein, sodass die Glocke wieder normal läutete und schlug. Manuelles Läuten wie zum Gottesdienst funktionierte erst mal nicht, ebenso die Uhr, berichtete der Mesner.
Die Steinacher Kapellenglocke schlägt normalerweise jede Viertelstunde, auch die gesamte Nacht hindurch. Inwiefern das noch zeitgemäß und sinnvoll ist? „Die Diskussion gibt es schon lange. Es gibt für alles ein Für und Wider“, sagte Pfarrer Stefan Werner auf SZ-Anfrage. Natürlich habe die Glocke nachts ihre Bedeutung von früher verloren – schließlich gibt es heutzutage im Haushalt mit Handy, Wecker und anderen Geräten genügend Zeitanzeiger.
Für viele gehört das Geläut dazu
Trotzdem hätten eine Kapellenuhr und die Glocke schon noch eine wichtige Bedeutung, sagte Pfarrer Werner und verwies auf die Kapelle in Osterhofen: Hier ärgerten sich Dorfbewohner monatelang, als weder Uhr noch Glocke funktionierten. „Es gibt genügend Befürworter, die aus Traditionsgründen am Geläut festhalten wollen. Viele sagen, das gehört dazu“, sagte der Pfarrer. Und weiter: „Das würde schon gehen, die Steinacher Glocke nachts abzustellen.“Bisher habe es aber keinen Grund gegeben, darüber nachzudenken. „Der offizielle Weg wäre eine Anfrage an uns“, so Pfarrer Werner. Dann könne man die Sache im Kirchengemeinderat besprechen.
Auch Mesner Noppenberger sieht die Diskussion gelassen. „Früher war das immer so, und solange sich niemand beschwert, kann das ja auch so bleiben.“Schließlich habe sich bis jetzt kein Anwohner über die nächtlichen Glockenschläge aufgeregt. Im Gegenteil: „Die Steinacher sind aufmerksam und stolz auf ihre Kapelle“, weiß Noppenberger.
Während man in Steinach jede Viertelstunde die Uhrzeit von der Kapellenglocke heraushören kann, schweigen im Waldseer Stadtgebiet nachts viele Glocken. Die Frauenberg-Kapelle besitzt nicht einmal ein Schlagwerk, da sich auf dem Turm auch keine Uhr befindet, berichtete Mesnerin Susanne Birnbreier.
Bei Hochzeiten oder vor Messebeginn betätigt die Mesnerin die Glocke manuell. Ansonsten ist die Anlage auf tägliches Läuten um 6 Uhr, um 12 Uhr und um 20 Uhr programmiert. Somit herrscht auf dem Frauenberg nächtliche Glockenruhe.
In der Innenstadt ist nachts Ruhe
In der Kirche St. Peter in der Waldseer Innenstadt sind die Glocken abgestellt in der Zeit von 22 Uhr bis am Morgen um 6 Uhr. Mesner Karl Linder erinnert sich, dass das bestimmt schon über 15 Jahre so sei. Anders sieht es hingegen bei der Wallfahrtskirche in Reute aus. Hier schlagen die Glocken die Nacht hindurch viertelstündlich, weiß Kirchenkümmerer Karl Frick. Durch mehrere Glocken, die vier Glockenschläge zur vollen Stunde plus der Uhrzeit ergäben sich für Punkt Mitternacht beispielsweise ganze 36 Schläge. Für viele Reutener hätten die Glockenschläge schon noch eine größere Bedeutung, so Frick. Wenn etwas nicht stimmt, werde er am Morgen gleich angerufen. „Vor allem die Schwestern merken das gleich, wenn die Glocken einmal nicht schlagen“, sagte der Kirchenkümmerer.
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