Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Deutlich mehr Flüchtlinge machen berufliche Ausbildung
Zahlen im Bereich der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg haben sich verfünffacht
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RAVENSBURG - Immer mehr junge Flüchtlinge beginnen in Deutschland eine betriebliche Ausbildung. Bundesweit verdoppelte sich 2017 die Zahl gegenüber dem Vorjahr. In der Region ist die Zunahme noch viel höher.
Im Bereich der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, die die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Konstanz umfasst, waren 2016 36 geflüchtete Menschen in einer betrieblichen Ausbildung. Diese Zahl hat sich im vergangenen Jahr beinah verfünffacht. Im Kreis Ravensburg stieg sie auf 43 Azubis, im Bodenseekreis auf 33 Azubis und im Kreis Konstanz auf 95 Auszubildende mit Fluchthintergrund. Das berichtet die Agentur für Arbeit auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. In allen drei Landkreisen kommen die meisten dieser neuen Azubis aus Afghanistan und Syrien.
Eine ähnliche Entwicklung beobachtet die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben, deren Bereich die Kreise Ravensburg, Friedrichshafen und Sigmaringen umfasst. „Wir verzeichnen einen großen Zuwachs bei den neu geschlossenen Ausbildungsverträgen“, bestätigt Markus Brunnbauer, Bereichsleiter Ausbildung bei der IHK Bodensee-Oberschwaben. „Im Ausbildungsjahr 2017 waren dies 79 Verträge. Im Jahr davor waren es 20 Verträge.“Im IHK-Gebiet stammten die meisten Flüchtlinge in Ausbildung aus Syrien, Gambia und Afghanistan.
„Die Flüchtlinge gehen zu einem großen Anteil in Berufe, bei denen bei uns seit Jahren Nachwuchsmangel herrscht“, berichtet Markus Brunnbauer. „Alleine 17 Flüchtlinge machen zum Beispiel eine Ausbildung zum Koch.“Insgesamt lernen rund 40 Prozent der Flüchtlinge gewerblich-technische IHK-Berufe, knapp ein Drittel hat sich für die Hotelund Gaststättenbranche entschieden, rund 16 Prozent für kaufmännische Berufe. Elf Prozent machen eine Ausbildung im Bereich Logistik.
Dennoch läuft die Integration in den Arbeitsmarkt über eine Ausbildung nicht reibungslos. Nach Aussage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags sind noch immer mehr als 200 000 Geflüchtete unter 25 Jahren in Deutschland ohne Arbeit – auch wenn eine deutliche Zunahme der Zahlen erwartet wird.
Die Sprache ist die größte Hürde
Walter Nägele, Pressesprecher der Arbeitsagentur Konstanz-Ravensburg, nennt noch weitere Schwierigkeiten als allein die fehlende Zahl an Ausbildungsplätzen: „Die größte Hürde besteht in der Sprache. Für die Aufnahme einer Ausbildung sollte das Sprachniveau auf dem Level B1 liegen. Damit ist gewährleistet, dass der Lehrling auch die Berufsschule erfolgreich absolvieren kann.“
IHK-Bereichsleiter Markus Brunnbauer bestätigt das: „Nach wie vor stellen die fehlenden oder unzureichenden Sprachkenntnisse die größten Hindernisse bei der Vermittlung dar. Hier müssen die Berufsschulen weiter unterstützt werden, damit sie ihre Angebote ausweiten können.“Zudem, so Brunnbauer weiter, verunsichere die Unternehmen bei manchen Herkunftsländern wie Gambia oder Afghanistan die unsichere rechtliche Stellung des Auszubildenden hinsichtlich der Bleibeperspektive. Nicht zuletzt scheiterten manche Geflüchtete an den Anforderungen an der Berufsschule – nicht zuletzt wegen zu geringer Sprachkenntnisse.
Markus Brunnbauers Fazit: „Die guten Zahlen spiegeln sowohl den Bedarf der Unternehmen an Auszubildenden wider als auch den Willen der Flüchtlinge, sich in den regionalen Arbeitsmarkt zu integrieren. Damit diese Zusammenarbeit gelingt, brauchen vor allem die Flüchtlinge, die aus Herkunftsländern ohne Bleibeperspektive kommen, uneingeschränkten Zugang zu allen Fördermöglichkeiten.“