Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Stunk und Gestank um die Asphaltproduktion
Bewohner in Abraham wehren sich gegen Gerüche aus Grenis – Dahinter steckt die offene Frage des Kiesabbaus
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KARSEE - Wer von Abraham aus den Blick in die Ferne schweifen lässt, hat beste Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen. Zunehmend getrübt werde nach Meinung der Bewohner der Blick, vor allem aber die Lebensqualität, von der wenige hundert Meter weiter südwestlich gelegenen Asphaltmischanlage auf dem Gelände der Kiesgrube Grenis. Denn die Bitumenfabrik stinkt ihnen buchstäblich in dem 17-Seelen-Weiler.
Meinrad Würzer ist mit der Kiesgrube Grenis im „Vierländereck“zwischen den Gemarkungen Karsee, Amtzell, Vogt und Waldburg aufgewachsen. Und der Vater seines Cousins Werner Würzer hat dort einst selbst sein Einkommen verdient. Deshalb sagen beide – wie auch deren Ehefrauen Micheline Würzer und Helena Jung: Gegen den Kiesabbau und die meisten Begleiterscheinungen haben sie nichts. Das kenne man, damit sei man groß geworden.
Wohl aber haben sie etwas gegen die Entwicklungen der vergangenen Jahre. Vor allem, seit 2014 die bestehende Asphaltmischanlage ab- und in neuer Form und Größe wieder aufgebaut wurde. Ebenfalls auf dem Grubengelände, aber an einem anderem Standort. Besonders prekär sei die Situation im vergangenen Sommer geworden, sagen die beiden Familien. Da habe es oft so „massiv gestunken“, dass sie kaum mehr Fenster und Türen hätten öffnen können. „Einmal habe ich gedacht: Brennt’s da?“, sagt Werner Würzer. Zumal die Familien in Abraham Nachwuchs im Grundschulalter haben: „Da macht man sich schon Gedanken, ob das gut für die Kinder ist.“
Landratsamt widerspricht
Sauer sind die Bürger aus Abraham vor allem auf die Genehmigungsbehörden, speziell auf das Landratsamt in Ravensburg. Der Kreisverwaltung halten sie vor, die 2014 erbaute Asphaltmischanlage wie einen Ersatz der vorherigen behandelt zu haben und – aus ihrer Sicht – deshalb rechtlich nicht so strenge Auflagen berücksichtigt zu haben wie bei einem Neubau. Dass es sich bei der Mischanlage mit ihrem von weitem sichtbaren Turm aber um einen Neubau handelt, davon sind sie in Abraham überzeugt.
Walter Sieger gibt zwar zu, dass es rund um Grenis „hin und wieder riecht“. Dafür habe er Verständnis. Die nach Abraham hinüber ziehenden Gerüche könnten womöglich etwas mit dem neuen Standort der Mischanlage zu tun haben. Von Letzterem sind die beiden Familien in Abraham überzeugt: Die häufigste Windrichtung Südwest und die Wetterlage sorgten für die Geruchsbelästigung – vor allem, seit die Anlage einen neuen Standort hat. Und: Entsprechende Messungen habe es nie gegeben.
In diesen Punkten widerspricht der Dezernent für Kreisentwicklung, Wirtschaft und ländlicher Raum des Landratsamts den Anwohnern: „Die Anlage hat das komplette immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz durchlaufen – wie bei einem Neubau.“Dabei sei heraus gekommen, dass keine Beeinträchtigungen vorgebracht worden seien. Deshalb habe die Kreisverwaltung die Pflicht zur Genehmigung gehabt – und dabei gesetzlich keinen Ermessensspielraum gehabt.
Dazu sagen die Bewohner Abrahams: „Wir wurden Null informiert.“Weder im Genehmigungsverfahren, noch beim Aufbau. Unter anderem deshalb sprechen sie von einer „Schweinerei“. Diesen Punkt bestätigt Sieger. Nicht in der Form der Kritik, aber inhaltlich: Anders als zum Beispiel bei einem Bebauungsplan seien Prozedere wie dieses grundsätzlich nicht-öffentlich. Gehört wurden aber die Träger öffentlicher Belange, also zum Beispiel Behörden oder die Anrainerkommunen. Da habe es keine Beanstandungen gegeben.
Der Kreisdezernent verweist zudem auf regelmäßige Messungen. Diese habe es seit 2013 jährlich gegeben. Mit Ausnahme des Jahres 2016, als es laut Sieger technische Probleme am Asphaltmischwerk vorlagen. Ansonsten seien die Werte stets „unter Volllast“und mit einem „irren Aufwand“genommen worden. Am Ende hätten sie – teilweise deutlich – die vorgeschriebenen Grenzwerte unterschritten.
In Abraham wollen sie sich damit nicht zufrieden geben. Mit Johannes Mohr aus München haben sie einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht eingeschaltet. Dieser bestreitet formell nicht, dass es 2013 ein komplett neues Genehmigungsverfahren gegeben hat. Allerdings zweifelt er die Genehmigung als solche an. Mit Blick auf den Naturschutz sei sie „nur unter großen Bauchschmerzen“erteilt worden. Und: Die Rechtsprechung der vergangenen zehn Jahre sehe Asphaltmischanlagen räumlich nicht mehr zwingend an Kiesgruben gebunden (Stichwort: privilegierter Außenbereich). Heutzutage verwiesen Gerichte stattdessen vielmehr auf Standorte in Gewerbe- und Industriegebieten.
Auch mit den Konzessionen des Betreibers, der Deutschen Asphalt GmbH, sind die Bewohner in Abraham nicht zufrieden. Das Unternehmen hatte, laut Sieger, eine Art Wasservorhang installiert, mit dem Ziel die Geruchsbelästigung zu dämmen. Entsprechendes bestätigt die Tochter des Baukonzerns Strabag und spricht von einer „Bedüsung des Mischgut-Verladesilos“. Das Ergebnis sei zu spüren, sagt Meinrad Würzer: „Das Wasser verdampft auf dem heißen Bitumen. Das war noch schlimmer als vorher.“
Sieger empfiehlt den Bürgern dennoch, Kontakt mit der Deutschen Asphalt GmbH aufzunehmen. „Das sind keine Schluris“, so der Dezernent. Vom Unternehmen selbst heißt es: „Wir nehmen die Kritik der Anwohnerinnen und Anwohner sehr ernst.“
Einhausung der Anlage gefordert
Die Bewohner in Abraham haben indes andere Erwartungen. Sie fordern unter anderem eine Einhausung der Anlage. Dazu sagt die Deutsche Asphalt GmbH aber: „Hinsichtlich eventuell vorhandenen Geruchs sind Einhausungen aus unserer Sicht kaum bis gar nicht zielführend.“Für dieses Jahr stellt das Unternehmen aber die Erstellung eines Geruchsgutachtens in Aussicht.