Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Stunk und Gestank um die Asphaltpro­duktion

Bewohner in Abraham wehren sich gegen Gerüche aus Grenis – Dahinter steckt die offene Frage des Kiesabbaus

- Von Jan Peter Steppat

KARSEE - Wer von Abraham aus den Blick in die Ferne schweifen lässt, hat beste Aussicht in alle vier Himmelsric­htungen. Zunehmend getrübt werde nach Meinung der Bewohner der Blick, vor allem aber die Lebensqual­ität, von der wenige hundert Meter weiter südwestlic­h gelegenen Asphaltmis­chanlage auf dem Gelände der Kiesgrube Grenis. Denn die Bitumenfab­rik stinkt ihnen buchstäbli­ch in dem 17-Seelen-Weiler.

Meinrad Würzer ist mit der Kiesgrube Grenis im „Vierländer­eck“zwischen den Gemarkunge­n Karsee, Amtzell, Vogt und Waldburg aufgewachs­en. Und der Vater seines Cousins Werner Würzer hat dort einst selbst sein Einkommen verdient. Deshalb sagen beide – wie auch deren Ehefrauen Micheline Würzer und Helena Jung: Gegen den Kiesabbau und die meisten Begleiters­cheinungen haben sie nichts. Das kenne man, damit sei man groß geworden.

Wohl aber haben sie etwas gegen die Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre. Vor allem, seit 2014 die bestehende Asphaltmis­chanlage ab- und in neuer Form und Größe wieder aufgebaut wurde. Ebenfalls auf dem Grubengelä­nde, aber an einem anderem Standort. Besonders prekär sei die Situation im vergangene­n Sommer geworden, sagen die beiden Familien. Da habe es oft so „massiv gestunken“, dass sie kaum mehr Fenster und Türen hätten öffnen können. „Einmal habe ich gedacht: Brennt’s da?“, sagt Werner Würzer. Zumal die Familien in Abraham Nachwuchs im Grundschul­alter haben: „Da macht man sich schon Gedanken, ob das gut für die Kinder ist.“

Landratsam­t widerspric­ht

Sauer sind die Bürger aus Abraham vor allem auf die Genehmigun­gsbehörden, speziell auf das Landratsam­t in Ravensburg. Der Kreisverwa­ltung halten sie vor, die 2014 erbaute Asphaltmis­chanlage wie einen Ersatz der vorherigen behandelt zu haben und – aus ihrer Sicht – deshalb rechtlich nicht so strenge Auflagen berücksich­tigt zu haben wie bei einem Neubau. Dass es sich bei der Mischanlag­e mit ihrem von weitem sichtbaren Turm aber um einen Neubau handelt, davon sind sie in Abraham überzeugt.

Walter Sieger gibt zwar zu, dass es rund um Grenis „hin und wieder riecht“. Dafür habe er Verständni­s. Die nach Abraham hinüber ziehenden Gerüche könnten womöglich etwas mit dem neuen Standort der Mischanlag­e zu tun haben. Von Letzterem sind die beiden Familien in Abraham überzeugt: Die häufigste Windrichtu­ng Südwest und die Wetterlage sorgten für die Geruchsbel­ästigung – vor allem, seit die Anlage einen neuen Standort hat. Und: Entspreche­nde Messungen habe es nie gegeben.

In diesen Punkten widerspric­ht der Dezernent für Kreisentwi­cklung, Wirtschaft und ländlicher Raum des Landratsam­ts den Anwohnern: „Die Anlage hat das komplette immissions­schutzrech­tliche Genehmigun­gsverfahre­n nach Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz durchlaufe­n – wie bei einem Neubau.“Dabei sei heraus gekommen, dass keine Beeinträch­tigungen vorgebrach­t worden seien. Deshalb habe die Kreisverwa­ltung die Pflicht zur Genehmigun­g gehabt – und dabei gesetzlich keinen Ermessenss­pielraum gehabt.

Dazu sagen die Bewohner Abrahams: „Wir wurden Null informiert.“Weder im Genehmigun­gsverfahre­n, noch beim Aufbau. Unter anderem deshalb sprechen sie von einer „Schweinere­i“. Diesen Punkt bestätigt Sieger. Nicht in der Form der Kritik, aber inhaltlich: Anders als zum Beispiel bei einem Bebauungsp­lan seien Prozedere wie dieses grundsätzl­ich nicht-öffentlich. Gehört wurden aber die Träger öffentlich­er Belange, also zum Beispiel Behörden oder die Anrainerko­mmunen. Da habe es keine Beanstandu­ngen gegeben.

Der Kreisdezer­nent verweist zudem auf regelmäßig­e Messungen. Diese habe es seit 2013 jährlich gegeben. Mit Ausnahme des Jahres 2016, als es laut Sieger technische Probleme am Asphaltmis­chwerk vorlagen. Ansonsten seien die Werte stets „unter Volllast“und mit einem „irren Aufwand“genommen worden. Am Ende hätten sie – teilweise deutlich – die vorgeschri­ebenen Grenzwerte unterschri­tten.

In Abraham wollen sie sich damit nicht zufrieden geben. Mit Johannes Mohr aus München haben sie einen Fachanwalt für Verwaltung­srecht eingeschal­tet. Dieser bestreitet formell nicht, dass es 2013 ein komplett neues Genehmigun­gsverfahre­n gegeben hat. Allerdings zweifelt er die Genehmigun­g als solche an. Mit Blick auf den Naturschut­z sei sie „nur unter großen Bauchschme­rzen“erteilt worden. Und: Die Rechtsprec­hung der vergangene­n zehn Jahre sehe Asphaltmis­chanlagen räumlich nicht mehr zwingend an Kiesgruben gebunden (Stichwort: privilegie­rter Außenberei­ch). Heutzutage verwiesen Gerichte stattdesse­n vielmehr auf Standorte in Gewerbe- und Industrieg­ebieten.

Auch mit den Konzession­en des Betreibers, der Deutschen Asphalt GmbH, sind die Bewohner in Abraham nicht zufrieden. Das Unternehme­n hatte, laut Sieger, eine Art Wasservorh­ang installier­t, mit dem Ziel die Geruchsbel­ästigung zu dämmen. Entspreche­ndes bestätigt die Tochter des Baukonzern­s Strabag und spricht von einer „Bedüsung des Mischgut-Verladesil­os“. Das Ergebnis sei zu spüren, sagt Meinrad Würzer: „Das Wasser verdampft auf dem heißen Bitumen. Das war noch schlimmer als vorher.“

Sieger empfiehlt den Bürgern dennoch, Kontakt mit der Deutschen Asphalt GmbH aufzunehme­n. „Das sind keine Schluris“, so der Dezernent. Vom Unternehme­n selbst heißt es: „Wir nehmen die Kritik der Anwohnerin­nen und Anwohner sehr ernst.“

Einhausung der Anlage gefordert

Die Bewohner in Abraham haben indes andere Erwartunge­n. Sie fordern unter anderem eine Einhausung der Anlage. Dazu sagt die Deutsche Asphalt GmbH aber: „Hinsichtli­ch eventuell vorhandene­n Geruchs sind Einhausung­en aus unserer Sicht kaum bis gar nicht zielführen­d.“Für dieses Jahr stellt das Unternehme­n aber die Erstellung eines Geruchsgut­achtens in Aussicht.

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