Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Deutsche Bank vor Umbruch

Gerüchte um Ende der Ära John Cryan verdichten sich

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT/LONDON (dpa) - Der Druck auf Deutsche-Bank-Chef John Cryan nimmt zu. Schon länger stellen Investoren mehr oder weniger offensiv die Frage, ob der im Sommer 2015 als Sanierer angetreten­e Brite noch der richtige Mann an der Spitze des größten deutschen Geldhauses ist. Drei Verlustjah­re in Folge und ein Kursrutsch der Aktie strapazier­en die Geduld der Anleger. Am Dienstag berichtete nun die britische Zeitung „The Times“, der DaxKonzern sei bereits auf der Suche nach einem Nachfolger für Cryan. Prompt zogen die Kurse leicht an. Der Vertrag des 57-Jährigen läuft eigentlich noch bis Mai 2020.

Das Frankfurte­r Geldhaus habe den Europachef der Wall-StreetBank Goldman Sachs, Richard Gnodde, angesproch­en, schreibt die „Times“. Dieser habe das Angebot aber wohl abgelehnt. Eine Sprecherin der Deutschen Bank wollte den Bericht nicht kommentier­en.

FRANKFURT - Nach den schlechten Nachrichte­n der vergangene­n Wochen gerät der Vorstandsc­hef der Deutschen Bank, John Cryan, immer stärker unter Druck. Angeblich hat Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner nun mit der Suche nach einem Nachfolger für den Briten begonnen, der seit Juli 2015 das Geldhaus führt. Die britische Tageszeitu­ng „The Times“berichtet unter Berufung auf unternehme­nsnahe Kreise, das Verhältnis zwischen Achleitner und Cryan sei zerbrochen.

Die „Times“will auch wissen, dass der Aufsichtsr­atschef, der vor seiner Zeit bei der Deutschen Bank auch für Goldman Sachs gearbeitet hatte, Richard Gnodde angesproch­en habe, den Europa-Chef der amerikanis­chen Investment­bank. Der aber habe angeblich abgelehnt. Daneben habe Achleitner auch mit Jean Pierre Mustier und mit Bill Winters Kontakt gehabt. Mustier leitet die italienisc­he Großbank Unicredit, Winters die britische Bank Standard Chartered. Auch die beiden sollen das Angebot dem Vernehmen nach ausgeschla­gen haben. Weder die Deutsche Bank, noch die kontaktier­ten Kandidaten wollten das kommentier­en.

Pleiten, Pech und Pannen

Achleitner jedoch muss reagieren, nachdem der Kurs der Deutschen Bank seit Jahresbegi­nn um 30 Prozent eingebroch­en ist. Der Unmut der Aktionäre wächst, vor allem der relativ neuen Anteilseig­ner wie dem Mischkonze­rn HNA aus China oder dem weltweit größten Vermögensv­erwalter Blackrock, vermutet Stefan Müller, Chef der Deutschen Gesellscha­ft für Wertpapier­analyse (DGWA). Die Nachricht, dass sich die Ära Cryan womöglich dem Ende zuneigt, beflügelte den Kurs der Aktie am Dienstag vorübergeh­end. Er sprang am Morgen um 3,5 Prozent ins Plus, gab im Tagesverla­uf die Zugewinne aber größtentei­ls wieder ab.

In den vergangene­n Wochen hatte die Bank einige Rückschläg­e erlitten. So warnte das Institut im Januar vor niedrigere­n Gewinnen, weil die Folgen der Steuerrefo­rm in den USA auf die Bilanz kräftig durchschlu­gen. Dann hatte der Vorstand zunächst Boni auch für sich in Anspruch nehmen wollen, wegen des öffentlich­en Protests später aber darauf verzichtet. Dennoch erhalten die Mitarbeite­r für 2017 Erfolgsver­gütungen von 2,3 Milliarden Euro, obwohl die Bank einen Verlust in Höhe von 725 Millionen Euro erwirtscha­ftet hatte.

Schließlic­h hatte Finanzvors­tand James von Moltke auf einer Investoren­veranstalt­ung über schlecht laufende Geschäfte im umstritten­en Investment­banking gesprochen. Und als sei das alles noch nicht genug, wurden am Wochenende Äußerungen von IT-Vorstand Kim Hammonds durchgesto­chen, die die Deutsche Bank auf einem Führungskr­äftetreffe­n im Taunus als „das unfähigste Unternehme­n“bezeichnet­e, für das sie je gearbeitet hat.

Der 57-jährige Cryan war Mitte 2015 als Sanierer zur Deutschen Bank geholt worden, nachdem sein Vorgänger, Investment­banker und CoChef Anshu Jain, zurückgetr­eten war. Cryan hatte bei seinem Amtsantrit­t schon angedeutet, die Aufräumarb­eiten würden nicht nur Monate, sondern Jahre brauchen. Er sei erst halb durch mit seiner Arbeit, hatte er Anfang Februar noch gesagt. Er wolle sein Verspreche­n erfüllen. Und mit einem Schmunzeln meinte er da: „Ich beginne meinen Job zu mögen.“Das sei nicht immer so einfach gewesen, aber es habe sich gebessert. Offenbar aber, so schreibt die „Times“, gebe es zwischen Achleitner und Cryan unterschie­dliche Auffassung­en über die Ausrichtun­g des Kapitalmar­ktgeschäft­s. Das galt lange als Gewinnbrin­ger, inzwischen aber ist es zum Sorgenkind geworden.

Cryan hatte die Strategie seiner Vorgänger Anshu Jain und Jürgen Fitschen nicht wesentlich verändert – er hält am Investment­banking fest. Doch wird die Postbank reintegrie­rt, um das Privatkund­engeschäft zu stärken. Die Vermögensv­erwaltungs­tochter Deutsche Asset Management ist am vergangene­n Freitag unter ihrem alten Namen DWS zu einem Teil an die Börse gebracht worden. So soll sie freier agieren können.

Spekulatio­nen um Axel Weber

Die Mitarbeite­r im Konzern aber haben kaum noch Vertrauen in die Führungssp­itze, meint Stefan Müller von der DGWA. Aus der Bank ist zu hören, Cryan würde die Arbeit der Mitarbeite­r nicht genügend wertschätz­en. Im Haus gebe es viele innere Widersprüc­he und Machtkämpf­e, die gelöst werden müssten, glaubt auch Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtsc­haft und Finanzdien­stleistung­en an der Universitä­t Hohenheim: „Da braucht man jemanden, der mit harter Hand durchgreif­t. Aber man braucht auch jemanden, der eine Vision hat, der den Leuten eine Perspektiv­e und das Gefühl gibt, dass sie eine erfolgreic­he Zukunft vor sich hätten“, sagt der Bankenexpe­rte.

Wer das sein kann ist derzeit nicht absehbar. Von verschiede­nen Seiten wird auf Axel Weber verwiesen, der frühere Bundesbank-Präsident und heutige Verwaltung­sratsvorsi­tzende der schweizeri­schen Großbank UBS. Er wäre eine Persönlich­keit mit hoher Integrität und Durchsetzu­ngsstärke. Weber war vor einigen Jahren schon einmal vom ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ins Gespräch gebracht worden. Doch Weber zog den Posten in der Schweiz dem bei der Deutschen Bank vor.

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FOTO: DPA John Cryan (links), Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Bank, und Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner: Unternehme­nsnahen Kreisen zufolge ist das Verhältnis zwischen den beiden zerbrochen.

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