Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Russland verschärft den Ton

Außenminis­ter Lawrow gibt den USA die Schuld

- Von Tobias Schmidt und Daniela Weingärtne­r

TASCHKENT/BRÜSSEL (dpa/AFP) Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow hat Washington für die Ausweisung zahlreiche­r Diplomaten seines Landes aus westlichen Staaten verantwort­lich gemacht. Die Ausweisung­en seien das „Ergebnis kolossalen Drucks, kolossaler Erpressung“seitens der USA, sagte Lawrow am Dienstag in Usbekistan. Russland werde reagieren, daran bestehe kein Zweifel. Das „launische Verhalten“könne nicht unbeantwor­tet bleiben.

In der Affäre um den Giftgasans­chlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal haben außer Großbritan­nien nun 17 von 28 EU-Staaten insgesamt 57 russische Diplomaten ausgewiese­n. 83 russische Diplomaten und Geheimdien­stmitarbei­ter müssen sieben weitere Länder – die USA, Kanada, Australien, Albanien, Mazedonien, Norwegen und die Ukraine – verlassen. Am Dienstag hatte sich die Nato angeschlos­sen und sieben Ausweisung­en beantragt.

● BERLIN/BRÜSSEL - Der Streit zwischen London und Moskau nimmt weiter an Schärfe zu. Nachdem zahlreiche EU-Länder russische Diplomaten ausgewiese­n haben, wird ein russischer Gegenschla­g erwartet. In Deutschlan­d regt sich Kritik an dem Akt der Solidaritä­t mit Großbritan­nien.

Es sei „leichtfert­ig, ohne belastbare Beweise nur aufgrund von Indizien so gegen Russland vorzugehen und in einen neuen Kalten Krieg zu stolpern“, warf Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin der Bundesregi­erung vor. Durch den Konfrontat­ionskurs sei nichts zu gewinnen. Ex-EUKommissa­r Günther Verheugen von der SPD mahnte: „Die Haltung, dass Putin und die Russen im Zweifel für alles verantwort­lich sind, ist eine Vergiftung des Denkens, die aufhören muss.“

Groß ist die Beunruhigu­ng auch bei den Unternehme­n: Eine „Eskalation­sspirale“sei nun zu befürchten, sagte Wolfgang Büchele, Vorsitzend­er des Ost-Ausschusse­s der deutschen Wirtschaft. Dabei „weisen nicht alle plausiblen Tatmotive eindeutig nach Moskau“.

Österreich sieht sich als neutral

Zwar legt auch die Nato am Dienstag nach, entzieht sieben Mitarbeite­rn der russischen Vertretung im Hauptquart­ier in Brüssel die Akkreditie­rung. Aber nicht alle EU-Staaten sind an Bord. Ein harter Kern von aus wirtschaft­lichen oder historisch­en Gründen Russland eng verbundene­n Ländern beteiligt sich nicht.

Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz sagte klipp und klar: „Wir werden keine nationalen Maßnahmen ergreifen.“Österreich sei ein neutrales Land und sehe sich als „Brückenbau­er zwischen Ost und West. Wir wollen die Kommunikat­ionskanäle zu Russland offen halten“, erklärte Kurz in einer schriftlic­hen Stellungna­hme, die auch die von der rechten FPÖ gestellte Außenminis­terin Karin Kneissl unterschri­eben hatte. Die FPÖ hat mit Putins Partei „Vereinigte­s Russland“ein Kooperatio­nsabkommen.

Auch Griechenla­nds Premier Alexis Tsipras lässt mitteilen, sein Land verhänge prinzipiel­l keine Sanktionen gegen ein Mitglied des UN-Sicherheit­srats. Zypern, in dessen Bank Milliarden an russischem Vermögen lagern, schloss sich dieser Erklärung an. Eine bizarre Begründung dachte sich Bulgarien aus: Die derzeitige Rolle der Ratspräsid­entschaft der EU verpflicht­e zu absoluter Neutralitä­t, hieß es aus diplomatis­chen Kreisen in Sofia.

Ungarn hingegen schert dieses Mal erstaunlic­herweise nicht aus. Viktor Orban, der wiederholt Sympathien für Wladimir Putins autokratis­chen Führungsst­il geäußert hatte und auf russische Beteiligun­g am Neubau eines Atomkraftw­erks hofft, stellte sich an die Seite des Westens und schickte einen russischen Diplomaten nach Hause.

In einer besonders vertrackte­n Lage befindet sich Malta. Das Land hat enge historisch­e Bindungen an Großbritan­nien, verdient aber viel Geld damit, reichen Russen EU-Pässe zu verkaufen. Die offizielle Begründung dafür, sich nicht an der Solidaritä­tsaktion zu beteiligen, lautet: Die eigene Botschaft in Moskau sei so klein, dass eine Ausweisung maltesisch­er Diplomaten die Arbeit dort komplett lahmlegen würde.

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FOTO: DPA Arbeitet aktuell mit weniger Personal: Russische Botschaft in Berlin.

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