Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wie es hätte sein können

Helmut Lethen bringt in „Die Staatsräte“die NS-Kulturelit­e in fiktiven Gesprächen zusammen

- Von Esteban Engel

W● ie leichtfert­ig hat sich die deutsche Elite dem Nationalso­zialismus hingegeben? Das fragt der Germanist und Kulturwiss­enschaftle­r Helmut Lethen in seinem Buch „Die Staatsräte“. Er hat vier Persönlich­keiten aus Kunst und Wissenscha­ft zusammenge­nommen, die den Pakt mit Hitler schlossen. Es sind erfundene Gespräche zwischen dem Schauspiel­er und Intendante­n Gustaf Gründgens (1899-1963), dem Dirigenten und Komponiste­n Wilhelm Furtwängle­r (1886-1954), dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) und dem Staatsrech­tler Carl Schmitt (1888-1985).

Kurz nach Adolf Hitlers Machtübern­ahme bemächtigt­e sich Hermann Göring des Preußische­n Staatsrats. Er wollte das Staatsorga­n als eine Art Beratungsg­remium für Hitler etablieren. Mit ihrer Berufung in die rein dekorative Versammlun­g sollten die 70 Honoratior­en dazu beitragen, das Bürgertum zu beruhigen. Gründgens, Furtwängle­r, Sauerbruch und Schmitt standen für Geist, Ordnung und Verbindlic­hkeit, sie sollten dem Regime den Schein des Seriösen verleihen und die Sorge entkräften, das „Dritte Reich“bedeute einen Rückfall in die Barbarei.

Lethens Buch ist die Zusammenfa­ssung einer jahrzehnte­langen Auseinande­rsetzung mit seinem Gegenstand. Es lässt sich auch als Abgesang auf jene Protagonis­ten der „heroischen Moderne“lesen, auf all die Künstler und Wissenscha­ftler, die meinten, in das Rad der Geschichte eingreifen zu können. In ihren „Echokammer­n“hätten sie sich aber gleichgült­ig verstrickt, lautet dann am Ende Lethens Fazit.

Helmut Lethen: Die Staatsräte. Elite im Dritten Reich: Gründgens, Furtwängle­r, Sauerbruch, Schmitt, Rowohlt, 352 Seiten, 24 Euro.

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