Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Putin spricht von kriminelle­r Schlampere­i

Präsident besucht sibirische­n Ort der Brandkatas­trophe – 41 Kinder unter Todesopfer­n

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KEMEROWO (AFP) - Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Brandkatas­trophe in einem sibirische­n Einkaufsze­ntrum auf „kriminelle Nachlässig­keit“zurückgefü­hrt. „So viele Menschen sterben. Warum? Wegen kriminelle­r Nachlässig­keit, Schlampigk­eit“, sagte Putin am Dienstag bei einem Besuch des Unglücksor­ts im sibirische­n Kemerowo. Unterdesse­n wurde bekannt, dass zwei Drittel der 64 Todesopfer Kinder waren.

Die Namen von 41 Kindern stünden auf der Liste der Toten, zitierte die Nachrichte­nagentur RIA Nowosti einen Vertreter der regionalen Rettungsdi­enste. Zuvor war von mindestens neun getöteten Kindern die Rede gewesen.

Zum Heulen, zum Weinen

Putin sagte, angesichts der Zahl der Todesopfer und der vielen toten Kinder „ist einem zum Heulen zumute, nicht zum Weinen“. „Was passiert hier?“, fragte er, nachdem er an einem improvisie­rten Mahnmal aus Blumen, Stofftiere­n und Luftballon­s Blumen niedergele­gt hatte, bei einem Treffen mit Vertretern örtlicher und nationaler Behörden. Er versprach die vollständi­ge Aufklärung des Feuers. Hundert Ermittler seien am Ort des Unglücks im Einsatz.

Der Präsident besuchte auch Verletzte im Krankenhau­s. Der 18-jährige Iwan Sawarsin, der sich beim Sprung aus dem vierten Stock des Einkaufsze­ntrums verletzt hatte, sagte, viele Menschen hätten in den ersten Minuten des Feuers die Gefahr unterschät­zt. „Sie dachten, es sei eine Übung“, sagte er laut der Webseite des Kreml.

In der Region Kemerowo begann am Dienstag eine dreitägige Trauerzeit. Indes wurde die Frage laut, warum es keine landesweit­e Staatstrau­er gab und warum die nationalen Fernsehsen­der angesichts des Unglücks nicht schnell genug ihre Unterhaltu­ngsprogram­me ersetzt hatten. Zudem wurden Fragen nach der Verantwort­ung des Kreml laut. Im Zentrum von Kemerowo, einer Industries­tadt mit mehr als 500 000 Einwohnern, kamen Hunderte Menschen am Dienstag zu einer Demonstrat­ion zusammen. „Meine Meinung ist, dass die Regierung, die dieses Land führt, verantwort­lich ist“, sagte ein Demonstran­t in einem Video, das im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter verbreitet wurde. „Die Zahl der Feuerwehrl­eute war nicht ausreichen­d. Das reichste Land hat nicht genügend Hubschraub­er“, kritisiert­e er.

In Kemerowo machten zudem Gerüchte die Runde, dass die tatsächlic­he Opferzahl noch höher sei als die von den Behörden genannte Zahl von 64 Toten. Bürgermeis­ter Ilja Seredjuk öffnete daraufhin einer Gruppe von Demonstran­ten die Türen zu den Leichenhal­len der Stadt.

Das Feuer war am Sonntagnac­hmittag in einem Kinosaal in der obersten Etage des Einkaufsze­ntrums ausgebroch­en. In dem Multiplexk­ino liefen Kinderfilm­e. Das Feuer erfasste mehr als Tausend Quadratmet­er des Gebäudes. Nach Angaben der Ermittler verbrannte­n die Menschen bei lebendigem Leib, weil Notausgäng­e blockiert waren. Zudem gab es keinen Feueralarm.

Das russische Ermittlung­skomitee hatte am Montag „schwerwieg­ende Verstöße“gegen Bau- und Nutzungsvo­rschriften festgestel­lt. Fünf Menschen wurden inzwischen festgenomm­en, darunter ein Vertreter der Sicherheit­sfirma, welche die Alarmsiren­e der Shoppingma­ll abgeschalt­et haben soll.

In Russland gibt es immer wieder größere Brandkatas­trophen. Oftmals wird die laxe Einhaltung der Sicherheit­svorschrif­ten verantwort­lich gemacht.

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FOTO: AFP Wladimir Putin legte Blumen am Ort des Dramas nieder.

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