Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Keiner schreit: Hurra, die will ich pfeifen“

Kreisliga-A-Spiel in Bad Wurzach endet mit Gewalt – Gespräche sollen helfen

- Von Lilia Ben Amor

RAVENSBURG - Es ist ein sonniger Sonntagnac­hmittag auf dem Fußballpla­tz. Die Zuschauer stehen in mehreren Reihen um das Spielfeld. Mit Wurst und Bier in der Hand, feuern sie ihre Lieblingsm­annschaft an. Dann pfeift der Schiedsric­hter das erste Abseits und zeitgleich starten die ersten Rufe von der Seitenlini­e: „Spinnst du? Bist du blind?“Doch bei wenigen Zwischenru­fen bleibt es oft nicht. Insbesonde­re in den unteren Klassen müssen sich Schiedsric­hter auf den Sportplätz­en der Region mit Beleidigun­gen und sogar Gewalt auseinande­rsetzen. Und auch wenn sich diese nicht gegen sie richtet, haben auch die Schiedsric­hter immer den Ärger.

In Bad Wurzach soll am Sonntag ein Ordner einen Spieler des SK Weingarten geschlagen haben. Der hat aus der Kabine die Polizei gerufen und Anzeige erstattet. Doch bereits im Vorfeld gab es im Spiel TSG Bad Wurzach gegen SK Weingarten zahlreiche Provokatio­nen und Streitigke­iten. Der Schiedsric­hter verteilte bereits während des Spiels neun Gelbe Karten. Zwei Weingarten­er Spieler schickte er mit Gelb-Rot vom Platz. Nach Abpfiff begleitete­n Ordner den Schiedsric­hter zur Kabine.

Von dem Aufruhr zwischen den Mannschaft­en vermerkte er nichts in seinem Spielberic­ht. Dadurch kann das Sportgeric­ht keine weiteren Maßnahmen ergreifen. „Wenn er es selbst nicht gesehen hat, ist es nur Hörensagen“, sagt der Ravensburg­er Schiedsric­hterobmann Ralf Hübner. Ein Sportgeric­htsverfahr­en ist somit ausgeschlo­ssen, weil keine neutrale Person die Situation bewerten kann.

Der Bezirksvor­sitzende Bodensee des Württember­gischen Fußballver­bandes, Nuri Saltik, will dennoch deeskalier­ende Gespräche mit den Vereinen führen. Mehr will Saltik zu dem Vorfall nicht sagen. Gegebenenf­alls werde es aber weitere Maßnahmen geben, beispielsw­eise Verbandsau­fsicht bei Spielen.

Keine Bundesliga-Schiedsric­hter

Schließlic­h sind die Schiedsric­hter in der Kreisliga A alleine auf dem Platz verantwort­lich. „Das ist die zweitunter­ste Klasse, da kommen keine Bundesliga-Schiedsric­hter“, sagt Hübner. Doch das werde vielerorts vergessen und die Unparteiis­chen müssten sich zum Teil Unerträgli­ches anhören. Bei Mannschaft­en, die bereits für „Theater“bekannt sind, sei es noch schwerer, Schiedsric­hter zu finden. „Da schreit keiner: ,Hurra, die möchte ich pfeifen’“, sagt der Schiedsric­hterobmann. Zu diesen Mannschaft­en zähle auch der SK Weingarten. „Da wundert es mich nicht, dass es bald keinen Nachwuchs mehr gibt. Wer hat schon Lust, sich für 25 Euro beleidigen und beschimpfe­n zu lassen?“, fragt Hübner rhetorisch.

Hübner versucht, die Schiedsric­hter je nach Spiel genau auszuwähle­n, um Probleme zu vermeiden. Er kennt die Situation auf den Sportplätz­en selbst: „Ich bin schon lange dabei, ich weiß damit umzugehen.“Die Beleidigun­gen und Streitigke­iten würden aber immer schlimmer – das tue sich der Nachwuchs nicht an.

 ?? FOTO: FRANK KLEEFELDT ?? Schiedsric­hter werden insbesonde­re in den unteren Klassen oft mit Beleidigun­gen und teilweise sogar Gewalt konfrontie­rt.
FOTO: FRANK KLEEFELDT Schiedsric­hter werden insbesonde­re in den unteren Klassen oft mit Beleidigun­gen und teilweise sogar Gewalt konfrontie­rt.

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