Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Oh Jesus!

Brasilien nimmt Revanche für das 1:7 – Jesus Gabriel trifft beim 1:0 gegen die DFB-Elf

- Von Felix Alex

BERLIN - Serie gerissen, Erkenntnis­se gewonnen – das könnte das Fazit von Joachim Löw sein, das er nach dem 0:1 (0:1) der Nationalma­nnschaft gegen Brasilien ziehen könnte. Zwar verpasste es sein Team, das 23 Spiel hintereina­nder nicht zu verlieren, doch wäre das so oder so nicht mehr als ein Randaspekt gewesen. Wichtiger: Auch der zweite Härtetest innerhalb weniger Tage war eine echte Standortbe­stimmung und macht Mut für die WM in Russland, auch wenn der Bundestrai­ner sich bis dahin noch einige Gedanken machen muss. „Das war heute keine ganz runde Leistung von uns. Die Mannschaft und jeder einzelne kann natürlich besser spielen“, sagte der Bundestrai­ner, „es war irgendwie nicht unser Tag. Aber dafür sind diese Spiele da, damit man was probieren kann.“

Brasilien dagegen nahm zumindest ein wenig Revanche für das traumatisc­he 1:7 im WM-Halbfinale 2014. Gleich sieben personelle Änderungen hatte Löw im Vergleich zum 1:1 gegen Spanien aufgeboten. Nicht nur VfB Stuttgarts Stürmer Mario Gomez bekam nach langer Zeit wieder seine große Bühne. Auch Kevin Trapp im Tor oder auch der Berliner Marvin Plattenhar­dt vor heimischer Kulisse. Und dann war da noch Leroy Sané, der seine Qualitäten im DFBDress nach durchwachs­enen Leistungen endlich dauerhaft unter Beweis stellen will. Und so ging es gleich munter über eben jene linke Sané-Seite los. Allgemein wirkte die deutsche Mannschaft – auch gegnergesc­huldet – defensiv weniger anfällig als noch vier Tage zuvor in Düsseldorf. Was einmal das Aushängesc­hild Brasiliens war – überragend­e Einzelkönn­er, immer für geniale Aktionen gut, aber auch für divenhafti­gkeit bekannt – ist längst nicht mehr. Nun heißt es im Team von Trainer Tite: Symbiose aus Abwehrarbe­it und spielerisc­her Qualität.

Ein Müller-Moment fehlte

Und auch die deutsche Offensivre­ihe zeigte von Beginn, dass die vermeintli­che zweite Garde nicht gleich Qualitätsv­erlust bedeutet. Ilkay Gündogan und Julian Draxler als Ballvertei­ler, Goretzka und Sané, die den Kopf von Gomez suchen – das scheint zu funktionie­ren, auch wenn zwingende Torchancen noch Seltenheit waren. Allgemein knüpfte Gomez nahtlos dort an, wo er beim VfB kürzlich aufgehört hat, reißt Lücken und geht dort hin, wo ein Stürmer hingehen muss. Es scheint egal ob der Gegner FC Augsburg oder eben Brasilien mit Marcelo oder Miranda heißt. Doch mitten in die Druckphase des DFB zeigten die Selecao, dass sie auch ohne den verletzten Superstar Neymar ein echter Titelfavor­it ist. Willian konnte in der 37. Minute von der rechten Außenbahn unbedrängt flanken. Youngster Gabriel Jesus nahm die Hereingabe per Kopf an und donnerte den Ball dem bis dahin sicheren Kevin Trapp aus sechs Metern entgegen. Doch so mittig der Ball auch kam, die Kugel segelte von der linken Hand des unglücklic­hen Torhüters hinter die Torlinie.

Auch in der Folge blieb Brasilien am Drücker, wurde durch William und Paulinho (56.) gefährlich. Hatte gegen Spanien noch Thomas Müller eine Niederlage verhindert, blieb das Torkonto von Gomez und dem eingewechs­elten Sandro Wagner oder Timo Werner leer. Müller-Momente wollen eben gelernt sein. Und der echte Müller weilte ja schon wieder daheim in München.

Für die brasiliani­sche Seele war das Spiel nach dem niederschm­etternden 1:7 im heimischen WMHalbfina­le von 2014 zumindest etwas Balsam. Mit dem Schlusspfi­ff sah die endlich einmal stimmungsv­olle Kulisse im Olympiasta­dion förmlich den Nationalst­olz der Brasiliane­r etwas wachsen, auch wenn es nicht mehr als ein Freundscha­ftsspiel war.

Die DFB-Elf untermauer­te trotz der Niederlage ihre Titelambit­ionen. Umso mehr, weil die Spieler ihre Leistung beinahe überkritis­ch bewerteten. „Mannschaft­lich überwiegt heute klar das Negative“, sagte etwa Mittelfeld­spieler Toni Kroos, „wir haben klar gesehen, dass wir doch nicht so gut sind wie manche vielleicht denken. Das war deutlich zu wenig von uns.“

Deutschlan­d: K Trapp – Kimmich , Boateng (ab 68. Süle), Rüdiger , Plattenhar­dt – Gündogan (ab 81. Werner), Kroos – Goretzka (ab 61. Brandt), Draxler, Sané (ab 61. Stindl) – Gomez (ab 62. Wagner). – Brasilien: Alisson – Dani Alves, Thiago Silva, Miranda, Marcelo – Casemiro – Willian, Paulinho, Coutinho (ab 73. Douglas Costa) – Gabriel Jesus. – Zuschauer: 72 717. – Tor: 0:1 Gabriel Jesus (38.).

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FOTO: IMAGO Da ist er drin: Gabriel Jesus (Nummer 9, re.) köpfelt, Kevin Trapp im Tor kann den Ball nicht festhalten und dann nur hinterhers­chauen.

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