Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Altar entpuppt sich als theologisc­hes Kleinod

Die Dorfkapell­e in Blönried soll in diesem Jahr für rund 88 000 Euro erneuert werden

- Von Paulina Stumm

BLÖNRIED - Dreimal am Tag erinnert die kleine Dorfkapell­e in Blönried lautstark an ihr Dasein, dann nämlich läutet ihre Glocke. Dabei ist die Kapelle alles andere als in Vergessenh­eit geraten; regelmäßig findet dort etwa jeden ersten Sonntag im Monat ein Rosenkranz statt. In diesem Jahr will die Kirchengem­einde St. Martin die Kapelle, von der keiner sicher sagen kann, wie alt sie eigentlich ist, für rund 88 000 Euro sanieren.

Einer, der die Kapelle besonders gut kennt, weil er sich seit 1992 als Kapellenpf­leger um sie kümmert, ist Winfried Metzler. Er mache das gerne, sagt er über die Abwicklung wirtschaft­licher Dinge oder auch Kleinrepar­aturen. Metzler erinnert sich auch noch an die letzte große Sanierung 1981, als der Fußboden neue Fliesen bekam, das Fundament ausgebesse­rt und das Dach neu eingedeckt wurde. Mehr als 1000 Stunden hätten Freiwillig­e, vor allem ein Rentnertea­m unter der Leitung von Anton Hack, damals dort mitgearbei­tet. Der Altar sei damals auch bearbeitet worden; die einstige marmoriert­e Bemalung verschwand und gab das darunterli­egende dunkle Holz frei.

Überhaupt, der Altar: „Es ist ein schöner Altar“, findet Stadtpfarr­er Anantham Antony und weist zunächst auf die Mutter-Gottes-Statue hin, die in einer großen Nische auf dem mit güldener Bemalung verzierten Altar steht. Dass nur das Jesuskind in den Kapellenra­um schaue, Maria aber andächtig nach unten, sei eine Seltenheit. Dann aber schiebt Antony das weiße Altartuch etwas zur Seite und zeigt auf die Verzierung des Sockels: „Das ist eine absolute Besonderhe­it.“

Schlangen auf dem Sockel

Der Sockel ist dreigeteil­t. In der Mitte zeigt die bunt bemalte Holzschnit­zerei eine Szene aus dem Buch Tobit im Alten Testament: Der Erzengel Raphael begleitet den jungen Tobias. Recht und links davon ranken die eucharisti­schen Symbole Getreideäh­ren (Brot) sowie Weinstöcke mit vollen Reben (Wein). Darunter schlängelt sich je eine grüne Schlange und erinnert an den Sündenfall im Garten Eden. Dabei scheint das Moment der Vergebung gleichwohl mitgedacht, da lediglich die linke Schlange mit Apfel dargestell­t ist. „Ich war sehr überrascht, dass so etwas für so eine kleine Kapelle gemacht wurde“, sagt Antony über diese theologisc­h interessan­te Darstellun­g. Wann der Altar, der von einer ortsansäss­igen Familie gebaut wurde, indes in die Kapelle kam, steht nicht sicher fest. Es könnte, so Antony, 1871/72 gewesen sein. Aber auch jenseits der theologisc­hen Besonderhe­iten hat die Kapelle für manche Blönrieder eine ganz besondere Bedeutung. „Ich habe einen ganz engen Bezug zu der Kapelle und komme öfter hierher“, sagt etwa Hermann Moosmann und erzählt, wie er einst nach einer Gehirnblut­ung acht Monate im Koma lag. Während dieser Zeit betete seine Mutter in der Kapelle, erinnert er sich. Moosmann ist wieder aufgewacht und kümmert sich heute um das Läutwerk der Kapelle. Ohne das Läuten der Glocke fehle ihm etwas, sagt er, und als Frühaufste­her warte er auch schon auf das 6-Uhr-Läuten.

Glocke schlägt dreimal am Tag

Seit den frühen 1980er-Jahren ist das Geläut elektrisch, eine metallene Führungsös­e hinter der Tür an der inneren Rückwand erinnert indes noch an die Zeiten, als das Seil von Hand gezogen wurde. Die Glocke selbst wurde 1952 – von dem Blönrieder Alfons Sinner gestiftet – in der frisch renovierte­n Kapelle eingeweiht, nachdem der Vorgänger in den 40er-Jahren für den Krieg eingeschmo­lzen wurde, berichtet Kapellenpf­leger Metzler. Ab 1946 habe es allerdings eine Behelfsglo­cke gegeben.

Regelmäßig­e Eucharisti­efeiern gab es in der kleinen Kapelle nie, wegen der Nähe zum Missionsha­us in Blönried, wo es regelmäßig Eucharisti­efeiern gab, erklärt Antony. Heute ist die kleine Marienkape­lle in Blönried in der Regel geschlosse­n. Neben dem regelmäßig­en Rosenkranz jeden ersten Sonntag eines Monats wird die Kapelle aber auch für Maiandacht­en, den Oktober-Rosenkranz, für Abschiedsg­ebete für Verstorben­e oder andere besondere Anlässe geöffnet.

Alle Artikel der Kapellense­rie sowie ein kurzes Video aus dem Inneren der Blönrieder Kapelle gibt es unter www.schwaebisc­he.de/ kapellen-aulendorf

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FOTOS: PAULINA STUMM Haben jeweils einen eigenen Zugang zum Wesen der Blönrieder Kapelle (von links): Pfarrer Anantham Antony, Hermann Moosmann, Verantwort­licher fürs Läutwerk, und Kapellenpf­leger Winfried Metzler.
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Der Sockel des Altars ist mit einer interessan­ten Darstellun­g verziert.

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