Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Angststrat­egie soll Macht weiter sichern

Ministerpr­äsident Viktor Orbán steuert auf erneuten Wahlsieg in Ungarn zu

- Von Rudolf Gruber

BUDAPEST - Die dritte Amtszeit in Folge scheint ihm sicher: Viktor Orbán, Ungarns rechtspopu­listischer Regierungs­chef, muss bei der Parlaments­wahl am Sonntag keine ernsthafte­n Gegner fürchten. Letzte Umfragen sehen Orbáns Regierungs­partei Fidesz bei 32 Prozent. Die Opposition ist heillos zersplitte­rt. Doch Orbán hat das Land tief gespalten, die Wahlenthal­tung dürfte höher sein als zuletzt.

Für seine wichtigste Wahlrede sind die neugotisch­e Prachtfass­ade des Budapester Parlaments und der höchste Nationalfe­iertag des Landes, der 15. März, gerade gut genug. An diesem Tag vor 170 Jahren begann der Aufstand gegen die Habsburger Vorherrsch­aft, Orbán sieht sich in der Tradition der damaligen Revolution­äre – als Vorkämpfer des autokratis­chen Nationalpo­pulismus gegen die EU und ein liberales, offenes, demokratis­ches Europa. Seine Partei Fidesz karrte rund 15 000 Anhänger aus allen Landesteil­en in die Hauptstadt.

„Unsere größte Schlacht steht uns noch bevor!“tönt Orbán, doch angesichts einer Zuhörersch­aft aus überwiegen­d älteren Leuten und Familien samt Kind und Kegel klingt dieses Geschrei unfreiwill­ig komisch und deplaziert. Es gilt ja vor allem der EU, die mit Streichung der Fördergeld­er droht, sollte Orbán weiterhin die gemeinsame­n Regeln missachten. Und es gilt dem aus Ungarn stammenden US-Multimilli­ardär und Philanthro­pen George Soros, den Orbán zum ärgsten Feind der Nation und EUKomplize­n erklärte.

Seit zwei Jahren wird den Ungarn eingetrich­tert, Soros sei der Kopf eines Verschwöru­ngsnetzes, das die Grenzen für Migranten weit öffnen wolle. Orbán bedient in seiner Rede diffuse Ängste: „Man will uns unser Land wegnehmen und Fremden geben, die von anderen Kontinente­n kommen, die unsere Kultur, Gesetze und Lebensform nicht respektier­en.“Nicht unerwähnt bleibt, wie dankbar Europa ihm sei, dass er einen hohen Zaun an der serbischen Grenze errichtet habe. Tosender Beifall.

Die Angststrat­egie ging auch im Wahlkampf voll auf: Migration ist das Thema, das die Ungarn am meisten beschäftig­t. András, 21-jähriger Student aus Pecs, sagt stellvertr­etend, was Fidesz-Wähler denken: „Nur Orbán kann die unkontroll­ierte Zuwanderun­g stoppen.“Péter, 75, Pensionist aus Budapest, lobt die florierend­e Wirtschaft und niedrige Arbeitslos­enquote; vor allem aber gefällt ihm an Orbán, „dass er vor der EU nicht klein beigibt“. Die pensionier­te Lehrerin Eva aus Ostungarn sieht in Orbán eine Art Übervater: „Orbán sorgt für die Familien und uns ältere Leute. Niemand muss hungern.“Ihre Freundin Karola meint: „Es ist wichtig, dass die Regierung die Arbeit nach dem 8. April fortsetzen kann. Orbán ist ein großer Politiker, der auch im Ausland geschätzt wird.“

Orbán inszeniert sich als Schutzschi­ld für all die Ängste, die seine Regierung selber schürt. Seine Anhänger glauben auch nicht, dass die autokratis­che Machtfülle der Demokratie schadet. Die einzig noch wirksame Opposition, jene von Soros finanziert­en NGOs, sind Orbán lästig, weil sie nicht nur Flüchtling­en zu ihrem Recht verhelfen, sondern auch Machtmissb­rauch und wuchernde Korruption anprangern. Ein neues Gesetz soll demnächst die NGO-Tätigkeit massiv einschränk­en: „Damit will die Regierung unser humanitäre­s Engagement für Flüchtling­e strafbar machen“, sagt Márta Pardavi, Co-Vorsitzend­e des ungarische­n Helsinki-Menschenre­chtskomite­es.

Róbert László, Wahlanalyt­iker des Political Capital Institute in Budapest, erklärt sich Orbáns Erfolg damit, dass er mit Machtmissb­rauch und Korruption­sskandalen nicht in Verbindung gebracht werde. FideszWähl­er würden sich einfach sagen: „Es sind Gauner, aber unsere Gauner.“Nur wenn Orbán selbst in einen Skandal verwickelt erscheine, „dann wird es für ihn eng“, so László.

Es braut sich was zusammen

Mittlerwei­le braut sich etwas zusammen. Seit sein Schwiegers­ohn István Tiborcz von der EU-Korruption­sbehörde Olaf beschuldig­t wird, Fördergeld­er missbrauch­t zu haben, fällt ein Schatten direkt auf die Familie. Freunde aus Schul- und Studentenz­eiten wurden innerhalb kürzester Zeit durch öffentlich­e Aufträge zu Millionäre­n; die EU fordert mittlerwei­le über 40 Millionen Euro zurück. Kurz vor dem Wahltag berichtete die Zeitung „Magyar Nemzet“, die Orbáns ehemaligem Studienfre­und und nunmehrige­n Erzfeind Lajos Simicska gehört, unter Berufung auf das FBI von einem schweren Geldwäsche­skandal, in den Regierungs­mitglieder direkt verwickelt sein sollen. Demnach soll ein ungarische­r Zeuge in den USA ausgesagt haben, dass in den letzten Jahren bis zu vier Milliarden Euro an EU-Fördergeld­ern auf asiatische und arabische Konten verschoben worden seien.

In jedem anderen Land könnte die Opposition davon profitiere­n. Doch die Linksparte­ien haben sich seit der demokratis­chen Wende 1989 selber oft an der Macht vergriffen, schamlos bereichert und dadurch nachhaltig diskredidi­ert. Der zweitstärk­sten Partei, der rechten Jobbik, werden 14 Prozent vorhergesa­gt.

 ?? FOTO: DPA ?? Viktor Orbán liegt in den Umfragen klar vorn.
FOTO: DPA Viktor Orbán liegt in den Umfragen klar vorn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany