Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Trumps Grenzpolitik ist ein erstes Wahlkampfanzeichen
D● ass Donald Trump gern übertreibt, weiß man nicht erst seit gestern. Wie er die Entsendung von bis zu 4000 Gardisten an die Grenze zu Mexiko begründet, ist ein Paradebeispiel für seine Art, die Dinge verbal auf die Spitze zu treiben. Doch so düster, wie er die Lage skizziert, hat selbst er seit geraumer Zeit nicht mehr geklungen. Der amerikanische Präsident ist wieder im Wahlkampfmodus. Er ist wieder dort angelangt, wo er vor knapp drei Jahren angefangen hat.
Als Symbol heraufziehender Gefahr dient ihm eine Karawane von gut tausend Migranten, die sich seit Ende März vom Süden Mexikos, der Großteil davon aus Honduras, Richtung Norden bewegt. Und um zu erklären, warum er bis zu 4000 Soldaten der Nationalgarde an die Südgrenze seines Landes beordert, bezieht sich Trump explizit auf seine allererste Wahlkampfrede. Im Juni 2015 war er für viele nur ein schräger Außenseiter, als er von den „Vergewaltigern“sprach, die Mexiko in die USA schicke. Man habe ihm damals überzogene Härte vorgeworfen, doch am Beispiel der Karawane könne man sehen: „Frauen werden in einem Maße vergewaltigt, wie man es noch nie erlebt hat.“
Wie Bush und Obama
Wie schon so oft unterstellt er seinen Amtsvorgängern, eher an die Interessen anderer Nationen gedacht zu haben, als an die der eigenen. Er aber werde Amerika verteidigen, seine Grenzen schützen, eben auch mit militärischen Mitteln. „Das ist ein großer Schritt. Wir haben das bisher noch nicht gemacht.“
Letzteres ist ebenso falsch wie das Zerrbild, das Trump von dem Tross zeichnet. Schon George W. Bush und Barack Obama schickten die Nationalgarde, um die Polizisten der Grenzkontrolle zu unterstützen. Bush befahl von Juni 2006 bis Juli 2008 rund 6000 Gardisten ins Grenzgebiet, während Obama im Sommer 2010 etwa 1200 mobilisierte. Nur waren die Dimensionen, vor allem in der Spätphase der Ära Bush, andere als heute. 2006 wurden mehr als eine Million Menschen beim Versuch des Grenzübertritts verhaftet. 2017 sank die Zahl auf rund 300 000, der niedrigste Wert seit den frühen Siebzigern.
Zwar geht der Trend in diesem Frühjahr nach oben, doch das ändert nur wenig. Zudem sind heute rund 19 000 Agenten der Grenzkontrolle im Einsatz, vor zwölf Jahren waren es nur 12 000. Trumps Weichenstellung ist also eher ein Kapitel klassischer Symbolpolitik. Woran auch er nichts ändern kann, sind Gesetze, die seinen Spielraum einschränken. Laut einem Paragrafenwerk aus dem Jahr 1878, dem Posse Comitatus Act, darf das Militär auf amerikanischem Boden keine Polizeiaufgaben übernehmen. Weder Armee noch Nationalgarde dürfen illegale Einwanderer festnehmen. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Kontrolleuren an der Grenze zur Seite zu stehen. Soldaten als eine Art Allzweckwaffe, wie Trump es bisweilen beschreibt: An der Realität geht es vorbei.
Im November Kongresswahlen
Ohnehin sind es in erster Linie wahltaktische Motive, die ihn handeln lassen. Im November entscheiden die Kongresswahlen darüber, ob er ungebremst weiterregieren kann oder einen Gang zurückschalten muss, falls die Republikaner ihre Mehrheit verlieren. Nationalgardisten am Rio Grande und in der Wüste Sonora: Trump spricht von einer Ersatzlösung für den Mauerbau. Es ist eine Beruhigungspille für seine Anhänger.