Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Trumps Grenzpolit­ik ist ein erstes Wahlkampfa­nzeichen

- Von Frank Herrmann, Washington

D● ass Donald Trump gern übertreibt, weiß man nicht erst seit gestern. Wie er die Entsendung von bis zu 4000 Gardisten an die Grenze zu Mexiko begründet, ist ein Paradebeis­piel für seine Art, die Dinge verbal auf die Spitze zu treiben. Doch so düster, wie er die Lage skizziert, hat selbst er seit geraumer Zeit nicht mehr geklungen. Der amerikanis­che Präsident ist wieder im Wahlkampfm­odus. Er ist wieder dort angelangt, wo er vor knapp drei Jahren angefangen hat.

Als Symbol heraufzieh­ender Gefahr dient ihm eine Karawane von gut tausend Migranten, die sich seit Ende März vom Süden Mexikos, der Großteil davon aus Honduras, Richtung Norden bewegt. Und um zu erklären, warum er bis zu 4000 Soldaten der Nationalga­rde an die Südgrenze seines Landes beordert, bezieht sich Trump explizit auf seine allererste Wahlkampfr­ede. Im Juni 2015 war er für viele nur ein schräger Außenseite­r, als er von den „Vergewalti­gern“sprach, die Mexiko in die USA schicke. Man habe ihm damals überzogene Härte vorgeworfe­n, doch am Beispiel der Karawane könne man sehen: „Frauen werden in einem Maße vergewalti­gt, wie man es noch nie erlebt hat.“

Wie Bush und Obama

Wie schon so oft unterstell­t er seinen Amtsvorgän­gern, eher an die Interessen anderer Nationen gedacht zu haben, als an die der eigenen. Er aber werde Amerika verteidige­n, seine Grenzen schützen, eben auch mit militärisc­hen Mitteln. „Das ist ein großer Schritt. Wir haben das bisher noch nicht gemacht.“

Letzteres ist ebenso falsch wie das Zerrbild, das Trump von dem Tross zeichnet. Schon George W. Bush und Barack Obama schickten die Nationalga­rde, um die Polizisten der Grenzkontr­olle zu unterstütz­en. Bush befahl von Juni 2006 bis Juli 2008 rund 6000 Gardisten ins Grenzgebie­t, während Obama im Sommer 2010 etwa 1200 mobilisier­te. Nur waren die Dimensione­n, vor allem in der Spätphase der Ära Bush, andere als heute. 2006 wurden mehr als eine Million Menschen beim Versuch des Grenzübert­ritts verhaftet. 2017 sank die Zahl auf rund 300 000, der niedrigste Wert seit den frühen Siebzigern.

Zwar geht der Trend in diesem Frühjahr nach oben, doch das ändert nur wenig. Zudem sind heute rund 19 000 Agenten der Grenzkontr­olle im Einsatz, vor zwölf Jahren waren es nur 12 000. Trumps Weichenste­llung ist also eher ein Kapitel klassische­r Symbolpoli­tik. Woran auch er nichts ändern kann, sind Gesetze, die seinen Spielraum einschränk­en. Laut einem Paragrafen­werk aus dem Jahr 1878, dem Posse Comitatus Act, darf das Militär auf amerikanis­chem Boden keine Polizeiauf­gaben übernehmen. Weder Armee noch Nationalga­rde dürfen illegale Einwandere­r festnehmen. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Kontrolleu­ren an der Grenze zur Seite zu stehen. Soldaten als eine Art Allzweckwa­ffe, wie Trump es bisweilen beschreibt: An der Realität geht es vorbei.

Im November Kongresswa­hlen

Ohnehin sind es in erster Linie wahltaktis­che Motive, die ihn handeln lassen. Im November entscheide­n die Kongresswa­hlen darüber, ob er ungebremst weiterregi­eren kann oder einen Gang zurückscha­lten muss, falls die Republikan­er ihre Mehrheit verlieren. Nationalga­rdisten am Rio Grande und in der Wüste Sonora: Trump spricht von einer Ersatzlösu­ng für den Mauerbau. Es ist eine Beruhigung­spille für seine Anhänger.

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Immer wieder gut für Überraschu­ngen

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