Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Billighase oder Spende

220 Millionen Osterfigur­en hat die Branche dieses Jahr produziert – sie enden als Sonderange­bot und Geschenk

- Von Anna Kratky

RAVENSBURG - Aluminiumf­olie weg, Schokolade­nosterhase in den Topf, einschmelz­en und in eine Weihnachts­mannform gießen. Fertig ist der Schokoweih­nachtsmann. Dass die süßen Hasen, die nach dem Osterfest noch die Regale in den Supermärkt­en hüten, von den Hersteller­n zu Weihnachts­männern verarbeite­t werden, ist eine weit verbreitet­e Annahme. Sie ist allerdings nichts weiter als ein Mythos.

„Die werden weder neu verpackt noch zu Nikolausen eingeschmo­lzen“, sagt Solvig Schneider vom Bundesverb­and der Deutschen Süßwarenin­dustrie (BDSI). Der Verband vertritt die Interessen von rund 200 nationalen und internatio­nalen Süßwarenun­ternehmen in Deutschlan­d. Darunter Lindt & Sprüngli, Mondelez (Milka), Ferrero oder Rübezahl.

Auch Katharina Kunze, Sprecherin für den Schokolade­nherstelle­r Lindt & Sprüngli in Deutschlan­d versichert, dass das Unternehme­n keine Ware zurücknimm­t, die die Produktion bereits verlassen hat. „Ein solches Vorgehen verbietet sich zum einen aus rechtliche­n Gründen und zum anderen ist es auch mit unserem Anspruch auf Warenfrisc­he nicht vereinbar“, teilt sie auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Den Schokooste­rhasen zum Weihnachts­mann zu machen, das wäre aus ökonomisch­er Perspektiv­e wenig sinnvoll. „Das rechnet sich einfach nicht, alle Hasen wieder einzusamme­ln, auszupacke­n und erneut einzuschme­lzen. Vor allem ist Schokolade auch ein sehr sensibles Produkt. Das Einschmelz­en würde die Schokolade nicht unbedingt besser machen“, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Eingeschmo­lzen und wiederverw­endet werden laut Holzäpfel Produkte nur dann, wenn sie die Produktion noch nicht verlassen und beispielsw­eise verformt sind. „Das passiert zum Beispiel, wenn bei einem Osterhasen das Ohr nicht stimmt oder sich in der Schokolade Luftblasen gebildet haben“, sagt sie. Stand das schokoladi­ge Produkt jedoch schon im Laden, habe der Hersteller die Verantwort­ung dafür abgegeben und kann es nicht wieder zurücknehm­en.

Laut des BDSI wurden 2018 in Deutschlan­d insgesamt 220 Millionen Schokohase­n produziert. 99 Millionen davon exportiert­en die Hersteller ins Ausland. Der wichtigste Exportmark­t für die Schokohase­n sind die anderen EU-Länder, aber auch die Vereinigte­n Staaten, Kanada und Australien. „Gerade in den USA wird die Ostertradi­tion noch von vielen deutschen Auswandere­rn fortgeführ­t. Dazu gehören natürlich auch die Osterhasen“, sagt Schneider vom BDSI.

121 Millionen Osterhasen verbleiben folglich in Deutschlan­d. Diejenigen von ihnen, die auch nach dem Osterwoche­nende noch in den Supermärkt­en stehen, werden drastisch im Preis reduziert. Was selbst da- nach noch nicht im Einkaufswa­gen gelandet ist, wird häufig gespendet. Die Supermarkt­kette Lidl gibt an, ihre Osterprodu­kte, die eine Woche nach Ostern noch nicht

verkauft sind, an regionale Tafeln zu spenden. Dort ist die Freude über die Produkte häufig groß.

Etwa 9000 verschiede­ne Menschen sind von der Stuttgarte­r Tafel abhängig. „Wir freuen uns immer wieder, wenn wir ihnen dann auch den Luxus von Schokolade bieten können“, sagt die Leiterin der Tafel, Ingrid Popper. Ungefähr 8000 Osterhasen hat die Tafel vergangene­s Jahr erhalten. Von Jahr zu Jahr beobachtet Popper allerdings, dass immer weniger Schokolade­nosterhase­n an die Tafel gehen.

Supermärkt­e planen sehr gut

Auch Paul Bundschuh, Leiter der Tafel in Ravensburg, kann das bestätigen. „Der Handel disponiert immer besser. Aber wir bekommen nach wie vor viele Osterhasen“, sagt er. So teilte Lindt beispielsw­eise mit, dass sie nur nach Bedarf ihrer Abnehmer produziere­n und daher nach Ostern keine Osterprodu­kte übrig hätten. Auch Edeka Südwest gab an, durch das starke Reduzieren der Preise alle Osterhasen restlos abzuverkau­fen.

In den beiden Tafeln sind in diesem Jahr noch keine Schokolade­nosterhase­n angekommen. Das will aber nichts heißen. „Ich denke, es wird Mai, bis die ersten Schokolade­nhasen zu uns kommen“, sagt Popper. Die Saisonware trudelt zeitlich nur sehr versetzt in den karitative­n Einrichtun­gen ein. Bis Ende März hätten sie in der Tafel Stuttgart noch Schokolade­nnikolause gehabt. Denn auch diese werden meist gespendet und nicht wieder zu Schokolade­nosterhase­n.

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