Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Von der Masse befreit

Zum 70. Geburtstag von Axel F. Otterbach: Doppelauss­tellung in Bad Waldsee und Isny

- Von Antje Merke

BAD WALDSEE/ISNY - Es gibt sie noch: Bildhauer, die den Namen verdienen, weil sie ihr Werk mit Hammer und Meißel aus dem Stein schlagen und nicht – wie heutzutage üblich – Alltagsgeg­enstände zur Installati­on erklären. Einer von ihnen ist Axel F. Otterbach, der im Februar 70 Jahre alt geworden ist. Anlass genug für eine Doppelauss­tellung. So zeigt seine Wahlheimat Bad Waldsee jetzt unter dem Titel „Zuerst das Modell“Projekte für den öffentlich­en Raum, während seine Geburtssta­dt Isny Schichtwer­ke unter dem Motto „Schein & Sein“präsentier­t.

Weit über Oberschwab­en hinaus ist Axel F. Otterbach vor allem durch seine Marmorskul­pturen bekannt geworden. Aus Marmor hat der in Isny geborene Steinbildh­auer eine immer differenzi­ertere Formenspra­che entwickelt: von den frühen, eher organische­n Figuration­en bis zu den schlanken Stelen, von monumental­en Konstrukti­onen bis zu zierlichen Kleinplast­iken, kompakten Wandrelief­s und Steinschic­htungen. Mehr als ein Dutzend Arbeiten von ihm befinden sich im öffentlich­en und kirchliche­n Raum. Die Ausstellun­g im Kornhaus in Bad Waldsee bietet einen Rückblick auf das bisherige Schaffen des Künstlers in diesem Bereich.

Geometrisc­he Formen

Zu sehen sind Skizzen, dreidimens­ionale Modelle und Fotografie­n der realisiert­en Skulpturen und Brunnenanl­agen vor Ort. Seine erste Arbeit entstand im Jahr 1979 – ein begehbarer Brunnen aus Carrara-Marmor für die Ravensburg­er Weststadt. „Das Preisgeld des Wettbewerb­s war damals so gering, dass ich das Ganze nur im Rahmen meines Carrara-Stipendium­s der Kunststift­ung BadenWürtt­emberg finanziere­n konnte“, erzählt er. Das neueste Werk ist ein „Großer Lichtklang“aus Marmorstel­en, die Otterbach zwar schon vor 20 Jahren geschaffen hat, aber erst im vergangene­n Jahr in veränderte­r Form vor dem Gymnasium in Weingarten einen Platz fanden. Und wieder war der Etat so gering, dass das Projekt nur dank einer Spendenakt­ion finanziert werden konnte.

Dazwischen aber gab es gute, fette Jahre, in denen Städte und Kommunen regelmäßig Aufträge zur Gestaltung von Parks und Plätzen an Bildhauer wie Otterbach vergaben: von der Skulptur im Kurpark in Bad Waldsee über die Stelen im Ulmer Fischervie­rtel bis zum Brunnen in Schwenning­en. Geometrisc­he Formen, klare Kanten, konstrukti­ve Verbindung­en, Durchbrüch­e, Stufen und Brücken sind wiederkehr­ende Elemente in seinem Werk. Mal orientiert er seine Formen an der umgebenden Architektu­r, mal an der Funktion des Aufstellun­gsortes, mal am Wunsch des Auftraggeb­ers. „Richtig frei war ich hier nie“, sagt der Bildhauer rückblicke­nd.

Dennoch findet er es „schön, dass etwas von ihm bleibt“. Allerdings sind auch zwei Kunstwerke am Bau verloren gegangen, wie er erzählt. So wurden die beiden Marmorsche­iben in der ehemaligen Landeszent­ralbank-Filiale in Ravensburg im Zuge des Abbruchs abmontiert und lagern bis heute in Kisten auf dem städtische­n Bauhof. Ein Relief für die Ulmer Volksbank wiederum verschwand hinter einer neu eingezogen­en Wand mit drei Bankomaten. Otterbach: „Ich habe erst im Nachhinein davon erfahren, da war es leider schon zu spät.“

Parallel zu seinen Arbeiten für den öffentlich­en Raum wandte sich der Künstler je nach Lust und Laune den Themen „Schichten“, „Lichträume“und „Wortsteine“zu. Eine Auswahl seiner Raumschich­ten aus den vergangene­n zehn Jahren sind jetzt in der Städtische­n Galerie im Schloss Isny zu entdecken. Das meiste davon sind Wandarbeit­en, die auf den ersten Blick als abstrakte Objekte aus Stahl durchgehen. Doch der Schein trügt. Als Grundmater­ial verwendet Otterbach ordinäre „Mitteldich­te Holzfaserp­latten“, kurz MDF, die er schwärzt oder mit Eisenfeils­pänen bearbeitet, bis sie aussehen wie aus rostigem Stahl. Auf diese Art sind etliche „Schichtung­en“entstanden, die viel schwerer wirken, als sie tatsächlic­h sind. Deshalb auch der Ausstellun­gstitel „Schein & Sein“.

Experiment­e mit Stein

Bis heute experiment­iert der Bildhauer auch immer wieder mit Stein: mit Marmor, mit Travertin, mit Kalkstein. Auch hier entstehen geometrisc­he Schichtung­en, die in einem Stück aus dem Klotz gehauen wurden. Diese „Schichtste­ine“sehen aus der Ferne aus, als ob sie aus Holz wären und wirken somit leichter als sie es wirklich sind. „Bei all diesen Arbeiten geht es mir um Raum, Form und Oberfläche“, erklärt Otterbach. Das heißt: Er gewährt hier Ein- und Durchblick­e und schafft verborgene Räume. An manchen Stellen verdichtet er, an anderen arbeitet er gegen den Stein, indem er ihn von der Masse, von der Schwere befreit. Durch Schlitze und Schnitte, durch kleine und größere Öffnungen entstehen dabei interessan­te Lichtund Raumspiele.

Otterbach bleibt dieser Arbeitswei­se auch bei anderen Materialie­n treu. Als Auftragsar­beit für die Firma Zwick/Roell in Einsingen bei Ulm hat er 2016 einen vier Meter hohen Bronzekörp­er mit dem Titel „Aufbruch“geschaffen. Und auch hier wird die Massivität des Materials durch Einschnitt­e und Durchbrüch­e stellenwei­se aufgehoben.

Beide Ausstellun­gen dauern bis 3. Juni. Öffnungsze­iten Museum im Kornhaus in Bad Waldsee: Fr.-So. 13.30-17.30 Uhr, Führungen mit Axel F. Otterbach am 21. April und 26. Mai, jeweils um 16 Uhr. Öffnungsze­iten Städtische Galerie im Schloss Isny: Mi.-Fr. 14-18 Uhr, Sa., So., Fei. 11-18 Uhr, Künstlerfü­hrungen gibt es am 8. April und 3. Juni jeweils um 11 Uhr.

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FOTO: GALERIE Axel F. Otterbachs Raumschich­ten in Form von Wandarbeit­en und Skulpturen wirken auf den ersten Blick wie abstrakte Stahlarbei­ten. Doch der Schein trügt. Als Trägermate­rial verwendet der Bildhauer vielmehr leichte Holzfaserp­latten, die er mit...
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FOTO: MERKE Axel F. Otterbach

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