Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Erbe der 68er: Sind Papa und Mama die besten Kumpels?

- ●» s.fuchs@schwaebisc­he.de ●» m.haeussler@schwaebisc­he.de

Es ist ein Hin und Her. Jedes Mal wenn ich meinen Vater sehe, hat einer von uns zugenommen – und der andere kennt keine Gnade: Tagelang darf der Dickere sich Hohn und Spott anhören, sich als Familienwa­lross und Schlimmere­s bezeichnen lassen. Gute alte Familientr­adition seit Jugendtage­n. Ein strengerer Vater hätte seinen Sohn bei ersten Anzeichen von Gewichtszu­nahme auf

Diät gesetzt: Wasser und Zwieback bis die Kilos purzeln. Wirksam, aber weniger spaßig als die Sticheleie­n. Ihr Ziel verfehlen die ohnehin nicht: Regelmäßig wechselt der Walross-Status, der Ehrgeiz, dem anderen eins auszuwisch­en, wird angespornt. Es ist nur ein Beispiel unter vielen, das die freundscha­ftliche Beziehung zu meinen Eltern illustrier­t. Mit Papa kann ich stundenlan­g über Musik fachsimpel­n, regelmäßig schicken wir uns die neue Lieblingsp­latte hin und her. Mit Mama kann ich über alles reden – und zusammen einkaufen zu gehen ist auch längst nicht mehr furchtbar peinlich.

Ja, es gab Regeln bei uns im Haus. Wir haben nicht einmal zusammen LSD eingeworfe­n oder sind nackt ums Feuer getanzt, aber: Es herrschte keine eiserne Disziplin, keine autoritäre Erziehung. Trotzdem wütete kein Chaos, alle Kinder haben ihren Weg gemacht und sogar Weihnachte­n bleibt meistens harmonisch. Danke dafür, Freunde!

Kinder sollen sich Freunde in der Schule oder im Verein suchen – nicht zu Hause. Denn die Abgrenzung zu den Eltern kommt, spätestens in der Pubertät, dann doch bei den meisten. Und dann gibt es die Antagonist­en, und die sitzen nun mal am elterliche­n Esstisch. Es ist wichtig, den jugendlich­en Leichtsinn gegen die altehrwürd­ige Weisheit zu stemmen.

Junge Menschen brauchen diesen Generation­enkampf – liebevolle Strenge. Später, da merkt man von selbst, dass man nicht immer richtig lag.

Viele Eltern werden sich jetzt im gern gewählten Spruch meines Vaters wiederfind­en, wenn man ihm rückwirken­d recht gegeben hat: „Aber mir glaubt man ja nichts. Weil der Alte ist ja blöd, der weiß das ja nicht.“Der „Alte“war Berufssold­at. Streng war er, wenn es nötig war: also oft. Dennoch wurde – bestimmt aus Rücksicht – auf Dinge wie Alarmwecke­n, Morgenspor­t oder Anzug- und Rasurkontr­olle verzichtet. Heute bin ich dankbar, für die Strukturen, die Regeln. Ich habe den Gegenpol gebraucht, um den Halt nicht zu verlieren.

Und der bleibt bis ins Erwachsene­nleben. Egal, wie schwer manche Kämpfe auch gewesen sein mögen. Die Eltern bleiben der Anker im Leben. Das heutige gute Verhältnis gibt ihnen rückwirken­d recht. Danke. Fürs ertragen – und fürs dagegen sein.

Als dicke Freunde lebt man einfach entspannte­r.

Von Stefan Fuchs

Der Gegenpol hilft, den Halt nicht zu verlieren.

Von Michael Häußler

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