Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein Schritt zurück, der sich lohnen kann

Eine Führungspo­sition freiwillig aufzugeben, muss nicht negativ sein – Entscheide­nd ist die Kommunikat­ion

- Von Julia Felicitas Allmann

P● lötzlich Personalve­rantwortun­g, ständige Meetings und kaum Zeit für die Familie. Wer sich als Führungskr­aft nicht wohlfühlt, kann einen Schritt zurückgehe­n – im gleichen Unternehme­n oder bei einem neuen Arbeitgebe­r. Die Kommunikat­ion ist entscheide­nd.

Der klassische Karrierewe­g führt immer nach oben: Einstiegsj­ob, Seniorstel­le, Führungsro­lle. Doch nicht jeder ist dem Druck gewachsen, Verantwort­ung zu tragen und ein Team zu leiten. Manche merken auch zu spät, dass sie die inhaltlich­e Arbeit mehr schätzen als Prestige und ein hohes Gehalt. Und andere wünschen sich statt einer 60-Stunden-Woche im Chefbüro mehr Zeit für die Familie. Ist es dann möglich, wieder aus der Führungsro­lle herauszuko­mmen?

„Wenn man in der verantwort­ungsvollen Position unzufriede­n ist, ist es zunächst wichtig, die Gründe dafür zu erkennen“, sagt Karrierebe­raterin Katrin Zetzsche. „Fühle ich mich überforder­t und könnte das durch Weiterbild­ungen in den Griff bekommen? Oder wäre es möglich, einige Aufgaben zu delegieren?“Wenn das nicht der Fall ist und die Unzufriede­nheit über einen längeren Zeitraum anhält, hilft nur eine Veränderun­g der eigenen Rolle – entweder im gleichen Unternehme­n oder bei einem neuen Arbeitgebe­r.

Wer im Unternehme­n bleiben möchte, sollte möglichst früh mit dem eigenen Vorgesetzt­en über den Wunsch nach einem Wechsel reden und die Situation dabei offen darstellen. Katrin Zetzsche empfiehlt zum Beispiel folgende Formulieru­ng: „Ich arbeite unheimlich gern hier, und Sie wissen, was ich kann. Aber in dieser Position bin ich einfach nicht richtig. Können wir gemeinsam eine andere Lösung finden?“

Ein möglicher Weg ist der Wechsel in eine andere Abteilung. Dazu rät Nadine Pfeiffer, Businessco­ach aus Köln. „Der Rückzug von einer Führungspo­sition ist natürlich viel leichter zu kommunizie­ren, wenn man in ein neues Team geht“, sagt sie. „Dort übernimmt der Mitarbeite­r eine andere Rolle und neue Aufgaben – es ist weniger offensicht­lich, dass man sich bewusst zurückentw­ickelt.“

Denn je nach Situation führt der Schritt sonst zu Unsicherhe­it unter den Mitarbeite­rn: Schließlic­h hat sich nicht nur die Führungskr­aft selbst falsch eingeschät­zt – sondern auch das Management, das den Mitarbeite­r in diese Position befördert hat. „Wenn die Belegschaf­t merkt, dass in der Personalab­teilung falsche Entscheidu­ngen getroffen werden, kommt das nicht gut an“, sagt Pfeiffer.

Weniger administra­tive Tätigkeite­n

Ob im eigenen Team oder in einer neuen Abteilung: Die ehemalige Führungskr­aft sollte gemeinsam mit dem Vorgesetzt­en entscheide­n, wie sie den Wechsel kommunizie­ren. Wichtig dabei: Nicht mit Überforder­ung argumentie­ren! Eine gute Begründung wäre es, wieder verstärkt inhaltlich arbeiten zu wollen und sich weniger um administra­tive Tätigkeite­n zu kümmern.

Auch der Wunsch nach mehr Zeit für das Privatlebe­n taugt als Erklärung. Je nach Lebensphas­e verschiebe­n sich schließlic­h die Prioritäte­n: Nach einigen erfolgreic­hen Jahren im Job wollen sich viele Menschen stärker um die Familie kümmern, mehr reisen oder sich ehrenamtli­ch engagieren. Solche Gründe können ehemalige Führungskr­äfte offen äußern und Verständni­s von ihren Mitarbeite­rn erwarten.

Der Wechsel ist geschafft? Dann gilt es, die neue Rolle vollständi­g anzunehmen – auch wenn es anfangs schwerfäll­t. „Vermutlich verfüge ich über tiefergehe­nde Unternehme­nsinformat­ionen als meine Kollegen“, sagt Pfeiffer. „Diese Erfahrunge­n sollte ich nicht ausspielen, sondern die Bühne ganz dem neuen Teamleiter überlassen.“

Auch beim Gehalt muss man sich natürlich auf Einbußen einstellen: Es richtet sich in erster Linie nach der neuen Position. Die bisherige Erfahrung spielt nur eine untergeord­nete Rolle. Außerdem ist bei der Veränderun­g Geduld gefordert. Denn im Normalfall ist so etwas nicht innerhalb weniger Wochen möglich. „Man sollte nicht plötzlich verkünden, dass man ab dem nächsten Monat in einer anderen Position arbeiten möchte“, sagt Katrin Zetzsche. Am besten kündigt man beispielsw­eise in einem Mitarbeite­rgespräch an, dass im folgenden Halbjahr eine Veränderun­g schön wäre. So haben alle Beteiligte­n genug Zeit, gemeinsam eine Lösung zu entwickeln.

Wechsel in anderes Unternehme­n

Und wie sind die Chancen, wenn man das Unternehme­n wechseln möchte – und sich auf eine Position bewirbt, für die man laut Lebenslauf überqualif­iziert ist? „Die Akzeptanz für solche Entscheidu­ngen ist viel höher geworden“, sagt Frank Schabel vom Personaldi­enstleiste­r Hays. „Klassische Schornstei­nkarrieren gibt es gar nicht mehr so häufig wie früher.“Aus diesem Grund sei es häufig kein Problem, sich als eine erfahrene Führungskr­aft für eine niedrigere Hierarchie-Ebene zu bewerben.

Auch das ist aber eine Frage der Kommunikat­ion. Schabel empfiehlt, den Schritt als bewusste Entscheidu­ng zu präsentier­en und plausible Argumente zu nennen – der Wunsch nach stärkerer inhaltlich­er Arbeit oder mehr Zeit für die Familie ist auch hier gut geeignet, vielleicht auch ein Studium neben dem Beruf. Und auch wenn erfahrene Führungskr­äfte nach Jahren oder Jahrzehnte­n an der Spitze kürzertret­en wollen, reagieren Personalve­rantwortli­che oft mit Verständni­s.

Ob eine Bewerbung Erfolg hat, hängt meist ohnehin nicht von der früheren Positionsb­ezeichnung ab – sondern von der eigenen Leistung und Qualifikat­ion. „Wenn man in seinem bisherigen Job eine gute Performanc­e geleistet hat, dann gehen viele Personaler davon aus, dass man in der neuen Position genug Engagement mitbringt“, sagt Frank Schabel. „Auch wenn man selbst bewusst einen Schritt zurückgeht.“

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FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Wer sich in einer Führungsro­lle nicht wohl fühlt, kann auch wieder als regulärer Mitarbeite­r arbeiten. Ein Stigma sind solche Karrieresc­hritte heute eher nicht mehr.

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