Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Den Hippietrai­l unter die Räder genommen

Buchvorste­llung im Erwin-Hymer-Museum in Bad Waldsee: Von einem, der auszog, im Bulli die Welt zu sehen

- Von Barbara Sohler

BAD WALDSEE - Jürgen Schultz hat als junger Mann den Hippietrai­l bis Goa und Nepal bereist. Und das nicht als Rucksackto­urist, sondern mit einem VW Bulli, Baujahr 1956. Schultz‘ Reisemobil steht im Erwin-HymerMuseu­m in Bad Waldsee. Und so ist es nur konsequent, dass Schultz nun, da er „Im Bulli auf dem Hippietrai­l“mit seinen Abenteuern auf den Markt bringt, das 192 Seiten starke Buch dort direkt neben seinem Hippie-Bulli vorgestell­t hat.

Jürgen Schultz ist ebenso wie der Bulli ein wenig in die Jahre gekommen. Aber wie die beiden da so thronen – der Bulli auf der ersten Ebene des Museums und Schultz auf einem Klappstuhl – sieht man deutlich: Sie sind zwar in Würde ergraut, aber immer noch ganz schön beweglich. Der Bulli hat das erst kürzlich bei Filmaufnah­men bewiesen, Schultz (weit über 70) merkt man seine mentale Fitness bei jedem Satz an. Und wenn Schultz einmal loslegt, auf neugierige Fragen von Museumsbes­uchern antwortend, dann gibt es kaum ein Halten mehr. So viele Geschichte­n weiß der gebürtige Memminger zu erzählen, von seiner Zeit als Weltenbumm­ler, als er insgesamt über 80 Länder bereist hat, dass es kein Wunder ist, dass sich Journalist und Autor Heike P. Wacker dieses unerschöpf­lichen Schatzes angenommen und daraus das Buch komponiert hat.

Nach dem „Barras“(wie der Wehrdienst damals umgangsspr­achlich hieß) und einer KaufmannsL­ehre bei Mercedes erstand Jürgen Schultz den T1 damals für 1500 Mark - und machte sich mit seinem Bruder Emil Mitte der 1970er-Jahre auf den Weg, um das ganz große, heftige Fernweh zu stillen. Und um dem Spießbürge­rmief zu entkommen. Hippies waren sie damals, Jürgen Schultz sogar der „Ober-Hippie, denn die normalen Hippies, die reisten mit einem Rucksack“. Das Ziel: Den legendären Hippietrai­l bis nach Goa oder Nepal zu „er-fahren“. 5000 Mark, pro Mann, pro Jahr habe er gebraucht, so erinnert sich Schultz, mehr sei gar nicht nötig: „Reisen ist nicht teuer.“Und was er so alles erlebt hat, mit „petrol payern“(Mitfahrer gegen Spritbetei­ligung) und mit bestechlic­hen Zöllnern, mit zugedröhnt­en Mädchen und an den Stationen auf dem langen Trip – das hat Autor Wacker tapfer notiert, sich mit Schultz in Fotoalben vergraben und auf Landkarten nachempfun­den.

Original-Bulli ist noch zu sehen

Im Original-Bulli im Museum liegt nicht nur die Indien-Landkarte mit dem eingezeich­neten Streckenve­rlauf noch auf dem schmalen Holztisch, auch die andere Ausrüstung aus jenen Tagen ist noch eins zu eins erhalten. Der Dachträger des blauweißen Bullis hält den für Wüstenstau­b unabdingba­ren zusätzlich­en Luftfilter fest und auch die improvisie­rte Dusche (ein Kanister und ein Gartenschl­auchstück) und ein Fahrrad klemmen dort oben. Im BulliBauch steht, liegt und hängt von der Kaffeekann­e über die Schraubzwi­nge bis hin zum Ersatzmoto­r alles, was ein Weltenbumm­ler brauchen könnte. Und allerhand Devotional­ien wie Perlenkett­en am Rückspiege­l dünsten immer noch den Flair der HippieÄra aus.

Jürgen Schultz ist der Hype um seine Person ein wenig unheimlich. Er scheint ein bescheiden­er Mensch, den Autor Wacker erst einmal überzeugen musste davon, dass seine Erlebnisse aufgeschri­eben gehören. Wacker, selbst Bulli-Fan und in der Szene bekannt als „Schrauber und Schreiber“, sagt ganz offen: „Ich bin froh, dass ich dieses Buch machen durfte.“Schultz, der Mann mit dem Hut und dem üppigen Bart, antwortet daraufhin: „Und ich bin froh, dass ich heute so ein schönes Buch habe.“Das werden andere Bulli-Fans, (Alt-) Hippies und überhaupt Reiselusti­ge, auch so empfinden.

 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ?? Jürgen Schultz hat ein Buch über seine Reise auf dem Hippietrai­l geschriebe­n.
FOTO: BARBARA SOHLER Jürgen Schultz hat ein Buch über seine Reise auf dem Hippietrai­l geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany