Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein Eigenheim, das mitwächst

So flexibel wie das Leben soll auch das Wohnen sein – Modulhäuse­r sind ein Trend im Fertigbau

- Von Katja Fischer

● MÜNCHEN/BAD HONNEF (dpa) - Eine Familie verändert sich im Laufe der Jahre: Erst ziehen zwei Menschen in ein Haus ein, dann kommt ein dritter, vielleicht gar ein vierter Mensch hinzu. Mehr Raum ist gefragt. Jahre später ziehen nach und nach wieder ein paar Bewohner aus. Am Ende bleibt vielleicht nur einer zurück – und es ist wieder weniger Raum nötig. Häuser, die all diese Situatione­n mitmachen, wären schön – und sie gibt es auch schon: Dank modularer Bauweise können Gebäude mitwachsen oder schrumpfen.

Das individuel­le Konfigurie­ren von Produkten kommt in vielen Bereichen verstärkt zum Tragen – Tendenz steigend. Prof. Horst Wildemann von der Technische­n Universitä­t München ist Experte für serielles Bauen und prophezeit: „Was beim Autokauf längst gang und gäbe ist, wird sich auch beim Eigenheim durchsetze­n.“Das geht aber schon weit über die individuel­le Planung am Computer nach den Wünschen der Bauherren hinaus – es reicht bis hin zu zukünftige­n Maßnahmen wie etwa Erweiterun­gen.

„Einzelne Module aus Leichtbaut­eilen werden ganz nach dem Vorbild der Autoindust­rie industriel­l vorgeferti­gt und dann auf der Baustelle zusammenge­setzt“, erklärt Wildemann die Produktion eines Modulhause­s. Quasi fertige Hausbereic­he werden so im Ganzen auf die Baustellen gebracht.

Aber die Konstrukti­on der Einzelteil­e unterschei­det sich nicht wesentlich von den Elementen, aus denen normale Fertighäus­er bestehen, erklärt Christoph Windscheif vom Bundesverb­and Deutscher Fertigbau in Bad Honnef bei Bonn. Es sind in der Regel Wand- und Deckenelem­ente in Holztafelb­auweise. Sie werden seriell in einem Werk produziert, teils wird sogar die Haustechni­k bis hin zur Innenausst­attung dort schon eingebaut. „Der Aufbau der Häuser kann in sehr kurzer Zeit erfolgen, etwa in 24 Stunden“, erklärt Wildemann.

Steht das Haus einmal, lässt es sich leicht durch weitere Module ergänzen, oder bestehende Einheiten können zurückgeba­ut werden – ganz abhängig von der Lebenssitu­ation und den Finanzen der Familie. „Man kann zum Beispiel mit einem kleinen Haus mit 50 bis 60 Quadratmet­ern Wohnfläche beginnen und es später durch Anbauten oder Aufstockun­gen erweitern“, erklärt Windscheif. Schon für unter 50 000 Euro gebe es kleine Modulhäuse­r für Singles und junge Familien.

Nach und nach – wenn die Familie und die Ansprüche wachsen und wieder Geld zum Investiere­n da ist – können dann Erweiterun­gen folgen. Sie bieten dann zum Beispiel mehr Platz für die Kinder, ein Büro für Selbststän­dige oder im Alter eine Einliegerw­ohnung für Pflegekräf­te. Oder der Trakt für die Kinder wird nach deren Auszug eben wieder entfernt.

Im Prinzip kann man mit den Modulbaute­n sogar umziehen. „Diese Häuser haben keine Bodenplatt­e, sind also nicht fest mit dem Untergrund verbunden“, erläutert Windscheif. „Und die Module sind von der Größe her so konzipiert, dass sie auf einem Tieflader von Ort und zu Ort transporti­ert werden können.“Allerdings darf man die Module nicht einfach überall aufstellen. Baurechtli­ch handele es sich um ganz normale Häuser, für die eine Baugenehmi­gung notwendig ist.

„Unter Architekte­n werden Modulhäuse­r kontrovers diskutiert“, sagt Christof Rose, Sprecher der Architekte­nkammer Nordrhein-Westfalen. Einerseits sehen sie die Vorteile des standardis­ierten Bauens. Durch die wetterunab­hängige Vorfertigu­ng der Elemente im Werk verkürze sich die Bauzeit auf der Baustelle, die Qualität der Bauteile sei hoch, und die Kosten sinken. So wird es möglich, schneller größere Mengen von Wohnungen zu bauen.

Anderersei­ts fürchten die Profis, dass Bauen mit vorgeferti­gten Bauteilen oder Modulen schnell zu langweilig­en Lösungen führt, die an Plattenbau­ten oder Containerd­örfer erinnern. „Die Herausford­erung ist, die Vorteile des seriellen Bauens zu nutzen, ohne die Nachteile in Kauf zu nehmen“, findet Rose. So sollten aus standardis­ierten Elementen individuel­le Häuser entstehen, die sich städtebaul­ich in ihre Umgebung einfügen. „Dazu gibt es gegenwärti­g verschiede­ne Forschungs­projekte.“

Das könnte auch durch die steigende Vielfalt der Angebote möglich werden: Die Zahl der Fertighaus­firmen, die Modulhäuse­r anbieten, steigt inzwischen stetig.

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FOTO: JUERGEN LIPPERT/DPA Bei Modulhäuse­rn werden Wohnbereic­he aus Leichtbaut­eilen industriel­l vorgeferti­gt und auf der Baustelle zusammenge­setzt.

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