Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bürger gehen gegen Bleiche-Pläne vor
Umfrage soll repräsentatives Meinungsbild über aktuelle Planung bringen.
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BAD WALDSEE - Die Bürgerinitiative Bleiche wendet sich mit einem Paukenschlag an die Bad Waldseer: Eine Abstimmung soll Klarheit über die Zustimmung oder Ablehnung der Bleiche-Pläne bringen. Bis Ende Mai haben Interessierte die Möglichkeit, an der Umfrage teilzunehmen. Die Stimmzettel liegen in allen Innenstadt-Geschäften und Gaststätten aus oder sind auf einer eigens ins Leben gerufenen Internetseite abrufbar.
„Ich bin dafür, dass erneut über die Planungen diskutiert werden soll, und stimme für eine Aussetzung der endgültigen Beschlussfassung durch den Gemeinderat“, lautet das Statement, das die Befürworter ankreuzen können. Ziel der Bürgerinitiative ist es, ein repräsentatives Meinungsbild zum Thema Bleiche zu erhalten. Auf diese Weise werde ersichtlich, ob die Mehrheit der Bad Waldseer hinter den Zukunftsvisionen der Stadt stehe oder nicht.
„Letztendlich entscheidet der Gemeinderat über die Sache. Und nur dieses Gremium kann die bisherigen Beschlüsse verändern oder zurücknehmen“, sind sich die Mitglieder der Initiative beim Gespräch in der Lokalredaktion der „Schwäbischen Zeitung“einig. Christoph Mayer, Helmut Riga, Hubert Schirmer, Thomas Sapper, Ingrid Wölflingseder, Michael Warth und Michael Scheffold wollen ihren gewählten Bürgervertretern, den Gemeinderäten, aufzeigen, was die Bevölkerung von der Umgestaltung des zentralen Platzes hält, und ihnen die Gewissensfrage stellen. „Werden die Vorstellungen, Wünsche und Bedenken der Bürger in diesem Fall ernst genommen und berücksichtigt“, formuliert Sapper diese Frage.
Geht es nach dem Wunsch der Bürgerinitiative, sollen die städtischen Verantwortlichen das Konzept der Bleiche-Drehung mit all ihren Facetten nochmals überdenken. „Warum soll ein funktionierendes System verändert werden“, bringt Mayer das Unverständnis der Initiative auf den Punkt. Die engagierten Mitglieder sehen etliche Details der Planungen kritisch und haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Bleiche-Ideen befasst. Dabei zogen sie Experten zurate und trugen entsprechendes Zahlenmaterial zusammen.
Busbuchten
Als ersten großen Kritikpunkt spricht die BI den Wegfall der Busbuchten an. „Täglich fahren rund 11 200 Fahrzeuge die Bleiche entlang. Zum Vergleich: auf der Umgehungsstraße sind es 12 200. Da können wir es uns allein schon aus Praktikabilitätsgründen nicht vorstellen, dass die Busse auf dieser Hauptverkehrsstraße halten sollen“, so Mayer. Die Mitglieder gehen von langen Rückstaus aus, schließlich halten 148 Busse täglich auf der Bleichestraße. „Es gibt heute schon Rückstau bei den Bussen. Wie soll das erst danach werden“, fragt sich Schirmer. Die zusätzliche Umweltbelastung durch etwaige Auspuffgase und die zukünftige Bildung einer Rettungsgasse sehen sie ebenfalls kritisch. Sapper führt zudem den Ausweichverkehr auf, der „heute schon groteske Züge annimmt“. Zu Stoßzeiten würden die Autofahrer auf Seitenstraßen ausweichen.
Die Bedenken der Bürgerinitiative reichen noch weiter. Was, wenn die Pläne realisiert werden, aber nicht so aufgehen wie erhofft. Ein Rückbau der Busbuchten verursache einerseits hohe Kosten. Andererseits seien die bisherigen kleinen Buchten nach einer EU-Norm dann nicht mehr zulässig.
Stadthalle
Einen möglichen Abriss der bisherigen Stadthalle bezeichnet Sapper als Schande. Als identitätsstiftendes Gebäude und Orientierungspunkt müsse die Stadthalle erhalten bleiben. „Wenn man den Frauenberg herunterfährt, bietet die Stadthalle ein Aha-Erlebnis und signalisiert: Jetzt bis du daheim“, sagt Sapper. Die Großbühne der Halle wird hervorgehoben. Und alle Mitglieder sind sich einig, dass ein Neubau einer Stadthalle auf dem Gelände der ehemaligen Fischteiche aufgrund des Untergrunds risikobehaftet und kostspielig wird.
Querungssituation
Dass die Fußgänger zukünftig ohne Ampel und Querungshilfe die Bleichestraße überqueren sollen, sieht die BI als Gefahrenpotenzial an. „Was, wenn zwei Busse aus entgegenkommender Richtung gleichzeitig halten und die Fußgänger hinter den Bussen queren. Das ist doch eine große Gefahrenquelle“, so Warth. Wölflingseder sprach vor diesem Hintergrund Bad Waldsees Klimaund Umweltschutzstrategie an. Demnach soll der öffentliche Nahverkehr, Fußgänger und Radfahrer zusammen 45 Prozent des Straßenverkehrs ausmachen. „Dann wird es noch problematischer“, so Wölflingseder.
Parkplätze Bleiche
Im Fall eines Neubaus anstelle der Stadthalle und dem damit geplanten Einzug eines Supermarktes müssten 80 bis 100 Parkplätze vor dem Gebäude vorgehalten werden, betont die Bürgerinitiative. „Der Parkplatz wäre dadurch stark eingeschränkt. Kunden, die in die Stadt wollen, müssten verlängerte Laufwege auf sich nehmen. Das ist ein großes Manko des Plans“, beschwören die Mitglieder.
Parkplätze Grabenmühle
Wie die Bürgerinitiative hervorhebt, sieht die Planung keine öffentlichen Parkplätze im Bereich Grabenmühle vor. Der Wegfall dieser fußläufigen Stellplätze zur Innenstadt bereitet den Mitgliedern Bedenken. „Das problemlose Parken bildet die Lebensader einer jeden Innenstadt“, sagt Schirmer. Und Scheffold weist auf die Kirchgänger hin, die diese Parkmöglichkeit ebenfalls für sich nutzen. „Andere Städte ringsherum haben attraktive, zentrumsnahe Parkplätze geschaffen. Da muss Waldsee dranbleiben“, betont Wölflingseder. Und Riga ergänzt, dass zuerst Parkraum geschaffen werden sollte, ehe Stellplätze wegrationalisiert werden. „Dann wäre das Problem gar nicht so groß“, meint Riga. In diesem Zusammenhang ruft Warth das ehemals angedachte Parkdeck auf dem Muschgay-Areal ins Gedächtnis. Und da selbst das Parken auf dem Friedhofparkplatz Geld kosten soll, werde es für Anwohner immer schwieriger, verlässlich einen Stellplatz zu finden.
Nach vielen Gesprächen mit Bad Waldseern, die laut Initiative allesamt die gleichen Sorgen und Bedenken äußerten, habe sich die Bürgerinitiative zur öffentlichen Meinungseinholung entschlossen. Ein Flyer, der in den Innenstadt-Geschäften ausliegt, soll auf die Abstimmung aufmerksam machen. „Wir wollen möglichst viele Leute erreichen, um ein repräsentatives Bild zu bekommen“, betonen die Mitglieder ihr Ansinnen. Ihrer Meinung nach profitiert die gesamte Stadt einschließlich der Ortschaften von einer attraktiven Innenstadt. „Wir sind keine Gegner von Veränderung. Wir wollen auch, dass unsere Stadt noch schöner wird“, erklärt Sapper und erntet eifriges Nicken seiner Mitstreiter.
„Warum soll ein funktionierendes System verändert werden?“Christoph Mayer
Die Abstimmung und weitere Informationen gibt es auch im Internet unter