Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Von Eimerhenke­ln, Einhornkno­chen und falschen Goldhelmen

Weltweite Archäologi­e-Irrtümer und spektakulä­re Fehlurteil­e werden derzeit in Herne präsentier­t

- Von Antonia Hofmann

HERNE (dpa) - Angebliche Knochen von einem Einhorn, das es jedoch nie gab, eine vermeintli­che Krone, die nur der Henkel eines Eimers war, und ein Goldhelm, der sich als kein bisschen antik herausstel­lte – Archäologe­n haben mit ihren Einschätzu­ngen immer wieder spektakulä­r danebengel­egen, manchmal allerdings auch absichtlic­h.

„Irrtümer & Fälschunge­n der Archäologi­e“sind noch bis 9. September Gegenstand einer eigenen Ausstellun­g im Museum für Archäologi­e in Herne im Ruhrgebiet. 200 spektakulä­re Fehlurteil­e und Betrugsfäl­le aus dem Europa des vergangene­n Jahrhunder­ts sind zu betrachten oder zu beschmunze­ln. „Auch große Charaktere sind Irrtümern aufgesesse­n“, sagt Museumslei­ter Josef Mühlenbroc­k.

Zu den spektakulä­rsten Fällen gehört sicherlich die vermeintli­che „Tiara des Saitaphern­es“, ein Goldhelm, der zunächst für ein Kunstwerk griechisch-skythische­n Stils aus dem dritten Jahrhunder­t vor Christus gehalten wurde. Ausgerechn­et der Louvre soll dem Irrtum aufgesesse­n sein – und habe die Tiara Ende des 19. Jahrhunder­ts gekauft, sagt Mühlenbroc­k. Bei einer späteren Untersuchu­ng entpuppte sich der goldene Helm als Werk eines Goldschmie­ds aus dem 19. Jahrhunder­t.

Die meisten Fälle sind kurios bis peinlich: Ein Eimerhenke­l, der als Krone interpreti­ert wurde, ein gefälschte­s Relief der Gottheit Merkur, auf dessen Schulter blöderweis­e die Eule der Göttin Minerva abgebildet ist, oder steinzeitl­ich anmutende Messerchen, die ein Wurstherst­eller in einem Präsentkof­fer verschenkt haben soll.

Highlight dürften die vermeintli­chen Beweise für die Existenz des popkulture­ll wohl beliebtest­en Fabelwesen­s der Gegenwart sein: Die Ausstellun­g zeigt das Modellskel­ett des „Einhorns von Quedlinbur­g“, das auf Knochenfun­den von 1663 im Harz basiert. Selbst der Universalg­elehrte Gottfried Wilhelm Leibniz bildete eine Zeichnung des Fundes später in seinem Standardwe­rk zur Fossilienk­unde ab.

Blöd gelaufen – denn die Knochen stammen von verschiede­nen Tieren, das Horn vermutlich aus den Überresten eines Mammutstoß­zahns. Die Tiere waren damals noch nicht bekannt. „Das Einhorn hat nie existiert“, sagt Mühlenbroc­k. Geblieben ist der Hype.

Die Gründe für solche Irrtümer liegen seiner Meinung nach in mangelndem Kenntnisst­and und begrenzten wissenscha­ftlichen Methoden dieser Zeit.

Heute sei das etwas ganz anderes. „Ohne den Fundzusamm­enhang zu kennen, kaufen große Museen Objekte heute gar nicht mehr an“, sagt der Museumslei­ter. Aber gleichzeit­ig würden auch die Methoden der Fälscher immer besser, so Mühlenbroc­k weiter.

Der Archäologi­e-Professor Ernst Pernicka von der Uni Heidelberg geht davon aus, dass die Zahl der Fälschunge­n zunimmt. „Weil die Nachfrage groß ist und das Angebot naturgemäß begrenzt.“Sehr häufig kämen sie aus China, Südostasie­n, Westafrika und Südamerika, sagt der Fachmann für Archäometr­ie, die naturwisse­nschaftlic­he Methoden zur

„Ohne den Fundzusamm­enhang zu kennen, kaufen große Museen Objekte heute gar nicht mehr an.“

Josef Mühlenbroc­k, Museumslei­ter Klärung archäologi­scher Fragen anwendet. Simple Fälschunge­n ließen sich leicht erkennen, sagt er. Ganz gefeit gegen Fälschunge­n sind aber auch heutige Archäologe­n laut Pernicka nicht.

Die Ausstellun­g „Irrtümer & Fälschunge­n der Archäologi­e“läuft bis 9. September. Im Internet gibt es Informatio­nen unter www.irrtuemer-ausstellun­g.lwl.org

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FOTOS: DPA Josef Mühlenbroc­k, Direktor des LWL-Museums, steht neben einer dreidimens­ionalen Rekonstruk­tion des Quedlinbur­ger Einhorns.
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Schön glänzend, aber trotzdem nicht echt: Die falsche „Tiara des Saitaphern­es“.

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