Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ja zum Backbone, aber Zweifel der CDU
Bad Schussenried stimmt Glasfaserausbau des Kreises mit 13 zu zwei Stimmen zu
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BAD SCHUSSENRIED - Die Stadt Bad Schussenried macht mit beim Backonenetz des Landkreises für schnelles Internet. Der Gemeinderat fasste mit 13 zu zwei Stimmen die nötigen Beschlüsse. Die CDU-Fraktion stellte die riesigen Investitionen der öffentlichen Hand infrage, mindestens hält sie das Vorgehen für überstürzt. „Einen verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern stelle ich mir anders vor“, sagte Peter Vollmer. Er und Norbert Bader stimmten mit Nein, die anderen CDU-Räte fehlten entschuldigt.
Wie berichtet, will der Landkreis die Städte und Gemeinden mit Glasfaserleitungen verknüpfen und an Nachbarkreise anbinden. Die Investitionen werden auf 30 bis 35 Millionen Euro geschätzt, etwa die Hälfte hofft der Kreis vom Land zurückzubekommen. Viele Leitungstrassen bestehen bereits; aber wo der Kreis neue anlegt, verpflichtet sich die Stadt, auf ihrer Gemarkung Leerrohre für ein Ortsnetz mitzuverlegen. Hierfür kommen auf Bad Schussenried Kosten von circa 270 000 Euro zu. Diese erste Stufe ist bis 2021 oder 2022 geplant.
Schnell und günstig zum Ortsnetz
Bedingung ist, dass die Gemeinden in der zweiten Stufe den Ausbau eines örtlichen Verteilnetzes mit Glasfasern bis zu jedem Grundstück angehen – auf eigene Kosten. Wollte Bad Schussenried ein solches FTTBOrtsnetz auf einen Schlag bauen, kostete dies 20 bis 30 Millionen Euro, sagte Bürgermeister Achim Deinet nach der Sitzung auf Anfrage. Tatsächlich erfolgt der Aufbau schrittweise und Synergieeffekte mit sowieso anstehenden Tiefbauarbeiten verringern die reale Finanzlast. Eine Zeitvorgabe gibt es nicht. Aber Kämmerer Carsten Kubot erwartet „viel Druck aus der Bevölkerung, sobald das Kreis-Backbone steht“. Um dann mit dem Ortsnetz so zügig und so kostengünstig wie möglich voranzukommen, hat der Rat die Verwaltung auf deren Vorschlag gleich ermächtigt, eine strategische Planung der Ausbauschritte mit optimierten Leitungslängen auf den Weg zu bringen. Die Firma Breitbandplanung BadenWürttemberg soll helfen, die Kosten sollen voll durch Bundeszuschüsse gedeckt werden. Bei Bedarf ist eine Markterkundung möglich.
Ob Kreis, Stadt, Landes- oder Bundeszuschüsse – investiert werden immer Steuergelder, für KreisBackbone und alle Ortsnetze zusammen stehen gut und gerne 500 Millionen Euro im Raum. Diese Dimension „muss man sich auf der Zunge zergehen lassen“, sagte CDU-Stadtrat Vollmer: „Und das alles ohne Geschäftsplan, ohne Vergleich, ohne Angaben zur Amortisation.“Er gab zu bedenken, dass die Telekom ja vielerorts schon Glasfasern bis zu den Verteilerkästen habe, und bemängelte die dürftige Zahlengrundlage. „Wir halten eine Entscheidung heute für überstürzt.“
Deinet bestritt nicht, dass „Doppelund Dreifachstrukturen“geschaffen werden. Er erinnerte jedoch daran, dass sich private Investoren nicht beworben hätten und die öffentliche Hand deshalb für den flächendeckenden Ausbau sorge. Bessere Zahlen könnte man nur liefern, „wenn man rankommen“würde an die Daten privater Telekommunikationsfirmen. Zum Thema Amortisation verwies er auf Erfahrungswerte der Breitbandplanung Baden-Württemberg, nach denen die Investitionen im Schnitt binnen 30 Jahren wieder hereinkommen. Eine Hoffnung des kreisweit abgestimmten Vorgehens ist nach Angaben der Kommunalamtsleiterin Monika Ludy-Wagner vom Landratsamt gerade, dass ein größeres Netz für Betreiber attraktiv ist und deshalb fürs kommunale Netz Pachterlöse erzielt werden. Eine Amortisisationsrechnung, wie von der CDU gewünscht, bezeichnete Manuel Hommel vom Fachbüro Geo Data aber als „schwierig“: Das hänge vom Ausbautempo und der Nachfrage der Bevölkerung ab.
Deinet: Ein Nein „wäre fahrlässig“
Deinet argumentierte, dass es dennoch „fahrlässig wäre, nicht aufzuspringen“. Ob es das Angebot des Kreises und die staatlichen Zuschüsse auch künftig gebe, wisse niemand. Ein Top-Netz sei entscheidend für die Konkurrenzfähigkeit als Gewerbestandort und etwa auch für die medizinische Versorgung der Zukunft. Deinet, für die Freien Wähler im Kreistag und somit an deren Backbone-Antrag dort maßgeblich beteiligt, warb eindringlich für ein klares Votum, „auch wenn es Unwägbarkeiten gibt“.
Für die FUB/BL begründete Alexander Eisele die Zustimmung: Die Kosten eines schlechten Netzes spüre man erst später; es werde die Stadt aber teuer zu stehen kommen, wenn Einwohner und Betriebe woanders bauen, wo sie schneller surfen. Eisele gehört der FDP-Fraktion im Kreistag an und hatte schon dort dafür gestimmt: „So liberal ich bin, aber gewisse Infrastrukturen gehören in staatliche Hand.“Der Kreis reagiere auf das Marktversagen.
Für die Freien Wähler argumentierte Wolfgang Dangel ergänzend, dass es auch um Solidarität und gleiche Lebensverhältnisse im ganzen Kreis gehe.