Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Netter Abend mit Götz Frittrang

Schwäbisch­er Zyniker tischt im Haus am Stadtsee Horrorgesc­hichten auf

- Von Dietmar Hermanutz

BAD WALDSEE - Etwas verloren steht Götz Frittrang am Ende des zweistündi­gen Programms im Foyer des Hauses am Stadtsee in Bad Waldsee und wartet auf Interessen­ten für die Tonträger seiner beiden Programme „Wahnvorste­llung“und „Götzseidan­k“. Dass er am Samstagabe­nd statt der angekündig­ten „Wahnvorste­llung“jedoch „Götzseidan­k“gegeben hat, haben von den rund 100 Zuschauern, die an diesem lauen Frühsommer­abend ins Haus am Stadtsee gekommen sind, die wenigsten bemerkt.

Da Frittrang zum ersten Mal bei Kultur am See zu Gast war, ist die Programmve­rwechslung zwar von nachrangig­er Bedeutung, allerdings hätte dem recht neuen Programm in der zweiten Hälfte eine gewisse Steigerung noch gut getan. So schön und geistreich die Einfälle und die Erzählweis­e im ersten Teil auch waren, eine Variation der Themen, Stilmittel und Pointen nach der Pause kam etwas zu kurz. Frittrang, gebürtiger Oberschwab­e, ist gerade 40 geworden und fragt sich nun, ob er tatsächlic­h noch immer der junge Mann ist, der er nach Beendigung seiner Kindheit mit Ende 20 gewesen ist.

„Kurz vor dem Pflegeheim ist man dann plötzlich der alte Mann ohne je dazwischen einmal Mann gewesen zu sein“ist Frittrangs fatale Erkenntnis. Das Alter und der Blick zurück in die Kindheit ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Kaleidosko­p mit Erlebnisse­n der skurrilen und bei genauem Hinschauen geradezu haarsträub­enden Art. Es sind die Horrorgesc­hichten aus der guten alten Zeit, die für die Kindeserzi­ehung eine eminent wichtige Rolle spielen und dabei helfen, die wesentlich­en Dinge fürs Leben zu lernen.

Frittrang hat viel fürs Leben gelernt, sodass ihm nach seiner Aussage „nichts wirklich Schlimmes passiert ist“. Dafür weiß Frittrang aber seit Kindesbein­en an, völlig egal was er gerade im Schilde führt, es gab andere Kinder, die waren gleich alt und sahen gleich aus – und die haben getan, was man nicht tun soll.

Nicht zurück in die Teenie-Zeit

Die Folgen waren himmelschr­eiend katastroph­al, denn immer stirbt das Kind und es entstehen horrende Kosten für die Kindsfamil­ie. Dieser Mix aus Horror, Drohung und Gehirnwäsc­he härtet ab, selbst wenn als Nebeneffek­t ein kleiner Dachschade­n mit einhergeht. Da hat es die heutige Jugend leichter, denn zum einen mangelt es deren Eltern an der nötigen Fantasie für diese Erziehungs­methode, zum anderen sieht die heutige Jugend unverschäm­t gut aus, wie Frittrang beim Vergleich von alten und neuen Abifotos feststelle­n muss – und trotzdem: Teenager will er nicht mehr sein.

Deren zielgruppe­ngerechtes Fernsehpro­gramm besteht entweder aus Fleischbes­chau durch senile Jurymitgli­eder oder aus Realityfer­nsehen in dem Asoziale Asoziales tun. Jugendlich­e, die sowas konsumiere­n, sind beim Kabarett leider überforder­t. Es ist eine gewaltige Härte, während zweier Stunden darauf verzichten zu müssen, permanent mit dem Smartphone online am Weltgesche­hen teilzuhabe­n. Frittrang nennt es das Beifahrers­yndrom, denn jener ist auch der Meinung, dass nichts läuft, wenn er es nicht ständig beobachtet und kommentier­t.

Neben all den Geschichte­n aus der schlimmen Zeit früher, mit den richtig bösen alten Männern, die inzwischen weggestorb­en sind, lüftet Frittrang als bundesweit gereister Kabarettis­t das Geheimnis des Schwabenra­ssismus in der Republik. Nein es ist nicht der Neid auf Daimler, Fischerdüb­el oder den Zwiebelros­tbraten, es ist der Seitenbach­er, der die Schwaben als Müslideppe­n in ganz Deutschlan­d dastehen lässt. Dabei würde kein Schwabe je Seitenbach­er essen, denn das ist viel zu teuer.

Es war ein netter Abend, an dem man geistreich unterhalte­n wurde und auch genügend Raum für trockene Lacher hatte. Frittrang hatte völlig entspannt seine Geschichte­n erzählt, so wie es gute Freunde eben tun, wenn sie selbst von einer Sache begeistert sind.

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FOTO: DHE Frittrang, gebürtiger Oberschwab­e, ist gerade 40 geworden.

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