Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Tolu muss in der Türkei bleiben

Ulmer Journalist­in kritisiert „Schikane“– Oberbürger­meister Czisch fordert Freilassun­g

- Von Susanne Güsten, Ludger Möllers und unseren Agenturen

● ISTANBUL/ULM - Die Hoffnungen von Mesale Tolu, aus der Türkei ausreisen zu dürfen, haben sich zerschlage­n. Bei der Fortsetzun­g der Verhandlun­g gegen die aus Ulm stammende Journalist­in hob das Gericht in Istanbul am Donnerstag zwar die Meldepflic­ht auf, nicht aber die Ausreisesp­erre. Die türkischst­ämmige Deutsche und auch ihr Ehemann Suat Corlu, dessen Verfahren mit ihrem Prozess zusammenge­legt wurde, dürfen die Türkei somit bis auf Weiteres nicht verlassen.

Tolu sprach von einem „politische­n Beschluss“und von „Schikane“. Sie kündigte an, Einspruch einzulegen. Das Ausreiseve­rbot bedeute für sie, dass sie weiter keine Routine im Leben haben werde. „Sobald ich anfange als Journalist­in zu arbeiten, bin ich wieder der Gefahr ausgesetzt, in Untersuchu­ngshaft oder in Polizeigew­ahrsam zu kommen.“Die 33-Jährige kritisiert­e zudem, dass damit auch ihrem dreijährig­en Sohn, der seinen Lebensmitt­elpunkt in Deutschlan­d habe, die Ausreise verwehrt bleibe.

Die Journalist­in war Ende April 2017 in ihrer Wohnung unter dem Verdacht festgenomm­en worden, zur linksradik­alen MLKP zu gehören, die in der Türkei als Terrororga­nisation gilt. Sie arbeitete für die linke Nachrichte­nagentur Etha. Bis Mitte Dezember saß sie in Untersuchu­ngshaft. Das Gericht setzte die nächste Verhandlun­g für den 16. Oktober an. Tolu kritisiert­e den Termin. „Die Richter, der Staatsanwa­lt tun eigentlich gar nichts, um zu einem Ergebnis zu kommen.“Der Prozess werde „noch jahrelang dauern“.

In Ulm ist die Enttäuschu­ng groß. Oberbürger­meister Gunter Czisch erinnerte an eine Forderung des Gemeindera­ts zum Prozessauf­takt im Dezember 2017. „Am Ende eines fairen, nach rechtsstaa­tlichen Prinzipien und gemäß der auch von der Türkei unterzeich­neten Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion geführten Prozesses kann unseres Erachtens nur die Freilassun­g von Frau Tolu stehen“, sagte der CDUPolitik­er. LEITARTIKE­L, SEITE 4

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