Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kein Allheilmittel
Wo Coaching bei Problemen im Arbeitsleben helfen kann – und wo seine Grenzen liegen
M● it dem Vorgesetzten läuft es nicht rund. Keine der anstehenden Aufgaben reißt einen vom Hocker. Und manchmal beschleicht einen das Gefühl: Hätte ich nicht vielleicht etwas ganz anderes studieren sollen? Jeder dieser Punkte kann Anlass sein, sich im Berufsleben professionell coachen zu lassen. Doch wie finden Beschäftigte einen guten Coach – und ist die Methode für jeden sinnvoll?
Einen seriösen Coach zu finden, kann die erste Hürde sein: Zu unübersichtlich ist mittlerweile das Angebot. Begriffe wie Coaching, Beratung und Therapie scheinen fließend ineinander überzugehen. Alexander Brungs, Vorstand des Deutschen Coaching Verbands, ist sich dieses Problems bewusst: „Wir haben hier einen ungeregelten Markt.“In seinem Verband sind derzeit knapp 200 Mitglieder vertreten, mit Zertifizierungen versucht man, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Karriereberaterin Madeleine Leitner empfiehlt jedem, der auf der Suche nach einem Coach ist, sich dessen Lebenslauf und Expertise genau anzuschauen. Wer sich zum Beispiel in Sachen Bewerbung coachen lassen möchte, sollte vielleicht jemanden suchen, der schon mal in einer Personalabteilung gearbeitet hat. Möchte jemand die Elternzeit nutzen, um sich beruflich neu zu orientieren, ist es klug, sich jemanden mit ähnlicher Lebensgeschichte zu suchen. „Viele verschleiern ihren fachlichen Hintergrund. Das sollte ein Alarmsignal sein.“
Kompetenz und Vertrauen
Beschäftigte können sich sonst an persönlichen Empfehlungen von Kollegen oder Freunden orientieren, sagt Burkhard Bensmann. Er ist Honorarprofessor für Kommunikation und Organisationsentwicklung an der Hochschule Osnabrück und arbeitet selbst als Coach. Neben der Kompetenz spielten auch Sympathie und Vertrauen eine wichtige Rolle.
Die Popularität von Coaching lässt sich laut Bensmann auf zwei Entwicklungen zurückführen: „Zum einen ist in den letzten zehn Jahren die Bereitschaft in Unternehmen gewachsen, Coaching für ihre Beschäftigten anzubieten.“Das gelte nicht nur für die oberen Führungsriegen, sondern auch für Arbeitnehmer auf der mittleren Ebene.
Zum anderen hat auch unabhängig davon bei Beschäftigten der Wunsch stark zugenommen, mit einem externen Berater über bestimmte Fragen zu reflektieren. „Die kommen mit dem Wunsch nach Peilung. Früher wäre man damit zum Seelsorger gegangen.“Das wiederum sei ein Ergebnis der Beschleunigung, mit denen sich viele im Berufsalltag konfrontiert sehen.
Doch wann macht ein Coaching überhaupt Sinn? Wenn der Frust so groß ist, dass man an einem Montagmorgen kaum mehr aus dem Bett kommt? Oder schon beim kleinsten Anzeichen, dass etwas ins Kippen gerät? „Ich finde es immer dann sinnvoll, wenn Sie im Job vor einer Veränderung stehen – etwa, wenn Sie sich auf eine Führungsrolle vorbereiten“, sagt Bensmann. Dann hilft der Blick in die Vergangenheit oder in die Gegenwart, die Aufgaben für die Zukunft herauszumeißeln.
Selten den falschen Beruf erlernt
Aber es gibt auch die verzweifelten Fälle, die den Weg zum Coach finden. „Die kommen und sagen: Ich bin seit zehn, 15 Jahren im falschen Job – ich muss etwas ganz anderes machen“, erzählt Leitner. Ihrer Erfahrung nach liegen die meisten damit aber daneben. „Von 100 sind das vielleicht drei bis fünf Personen, die wirklich das Falsche gelernt haben.“
Und der Rest? Für berufliche Unzufriedenheit oder Konflikte sind die Gründe vielschichtig. Manchmal hat Leitner den Fall, dass jemand bei einem guten Unternehmen arbeitet – und das schon sehr lange. „Irgendwann nimmt der das Positive dann gar nicht mehr wahr, er sieht nur das, was nicht so gut ist.“Außerdem wissen viele nicht, wie es in anderen Betrieben zugeht. Es fehlt der Vergleich. Leitner löst solche Probleme, indem sie Arbeitnehmer aus der gleichen Branche, aber von unterschiedlichen Arbeitgebern zusammenbringt. „Das relativiert dann vieles.“
Manchmal wird Coaching an Stellen eingesetzt, an denen auch andere Instrumente greifen würden. „Das Coaching wird dann zum Hammer, mit dem man auf jeden Nagel schlägt“, sagt Bensmann. Wer beispielsweise unzufrieden mit Arbeitsabläufen oder seinem Aufgabengebiet ist, kann erstmal mit dem Vorgesetzten reflektieren: Welche Unterstützungsmöglichkeiten habe ich denn noch? Das kann in manchen Fällen ein Ombudsmann sein, in anderen ein Rhetorikseminar oder auch ein Sabbatical.
Dann gibt es Fälle, in denen keines dieser Instrumente greift – weil die Person gar keine Probleme im Job hat, sondern im Privatleben. Statt Coaching hilft dann vielleicht eine Psychotherapie. „Zur Kompetenz eines guten Coach gehört es auch, jemanden wegzuschicken“, sagt Leitner. Denn wer psychisch krank ist, kommt auch mit Reflektieren nicht mehr weiter. (dpa)