Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Asylanträg­e aus Georgien beschäftig­en Politik

Zahlen nach Wegfall der Visumspfli­cht seit Herbst sprunghaft angestiege­n – Einreise oft über Memmingen

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Zweimal in der Woche, am Dienstagab­end und am Samstagabe­nd, verstärkt die Polizei am Memminger Flughafen ihr Personal. Dann landen Direktflüg­e aus der georgische­n Stadt Kutaissi am Allgäu Airport. Seit März 2017 dürfen Georgier ohne Visum in die Europäisch­e Union einreisen. Seitdem ist die Zahl der Asylbewerb­er aus dem Kaukasus-Staat stark angestiege­n – eine realistisc­he Chance haben die meisten Antragstel­ler nicht.

Der Memminer Flughafen positionie­rt sich als Tor nach Osteuropa. Allein der ungarische Billigflie­ger Wizz steuert von dort 15 Ziele an. Im März transporti­erte das Fluguntern­ehmen auf dieser Verbindung 3000 Passagiere. Memmingen ist einer von drei deutschen Flughäfen, die von der drittgrößt­en Stadt Georgiens aus direkt erreicht werden können; die anderen sind Dortmund und BerlinSchö­nefeld.

Seit Herbst mehr Asylanträg­e

Doch trotz der Visumsfrei­heit werden Dutzende Fluggäste gleich wieder heimgeschi­ckt. „Seit Anfang Februar 2018 wurde rund 60 Personen die Einreise in das Bundesgebi­et verweigert“, heißt es vom Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West, das für die Kontrollen am Allgäu Airport zuständig ist. Zur Begründung heißt es: Die Voraussetz­ungen für eine legale Einreise hätten nicht vorgelegen.

Seit vergangene­m Herbst ist die Zahl der Asylbewerb­er aus Georgien sprunghaft angestiege­n (siehe Grafik). Im Februar schlug als erster Nordrhein-Westfalens Integratio­nsminister Joachim Stamp Alarm. In einem Schreiben an das Bundesinne­nministeri­um, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, betonte der FDPPolitik­er, die Entwicklun­g mache ihm große Sorge, „vor allem mit Blick auf die Sicherheit der Bürgerinne­n und Bürger“. Der Minister konstatier­te einen „signifikan­ten Anstieg im Bereich insbesonde­re der Eigentumsd­elikte“, eine „maßgeblich­e Verantwort­lichkeit“der Asylbewerb­er aus Georgien sei „nicht von der Hand zu weisen“.

Einbrecher­banden aus Georgien haben deutschen Kriminalbe­amten schon lange vor Einführung der Visumsfrei­heit Kopfzerbre­chen bereitet. Bandenmitg­lieder könnten nun die Dauer des Asylverfah­rens für Beutezüge in Deutschlan­d nutzen und obendrein noch Sozialleis­tungen beziehen, warnt Stamp. Für BadenWürtt­emberg kann das Stuttgarte­r Innenminis­terium einen solchen Zusammenha­ng bislang nicht feststelle­n. Im Gegenteil: Georgische Banden spielten – ganz im Gegensatz zum Jahr 2015 – bei der Einbruchsk­riminalitä­t inzwischen kaum noch eine Rolle, berichtet ein Sprecher von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). Allerdings hält die Kriminalst­atistik für 2017 auch fest: Zwei Drittel aller in Baden-Württember­g straffälli­g gewordenen Georgier waren Asylbewerb­er, insgesamt 772 Personen. Unter diesen waren 140 Tatverdäch­tige, denen fünf oder mehr Straftaten vorgeworfe­n wurden.

Auch für rechtschaf­fene Georgier kann die Möglichkei­t, in Deutschlan­d Asyl zu beantragen, durchaus attraktiv sein. In seinem Brief erwähnt NRW-Minister Stamp, „dass einige Menschen das Asylverfah­ren dafür nutzen wollen, eine Gesundheit­sbehandlun­g in Anspruch nehmen zu können“. Wer Asyl beantragt, hat zwar nur bei akuten Erkrankung­en und Schmerzen einen Anspruch auf medizinisc­he Versorgung – aber selbst das scheint manchen Georgiern verlockend­er als heimische Kliniken.

Geringe Anerkennun­gsquote

In jedem Fall gilt: Aussicht auf einen erfolgreic­hen Asylantrag hat kaum ein Georgier: Die Anerkennun­gsquote lag 2017 bei 2,1 Prozent und ist seitdem weiter gesunken, auf zuletzt gerade einmal ein Prozent der Anträge.

Das hat seinen Grund: Georgien leidet unter Armut und Korruption, ist aber ein grundsätzl­ich demokratis­ches Land. Die Visumsfrei­heit für Reisen in die EU war jahrelang ein wichtiges Ziel der georgische­n Politik – und ihre Gewährung auch ein Lohn für die klare Westorient­ierung des Landes. Deswegen will die Regierung in Tiflis unbedingt verhindern, dass die Visumsfrei­heit nun gleich wieder ausgesetzt wird. Dies komme als „letztes Mittel“in Betracht, hat etwa der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Stephan Mayer (CSU), in der „Frankfurte­r Allgemeine­n“gedroht. Nun plant die Bundesregi­erung, Georgien als sicheres Herkunftsl­and einzustufe­n – die dortige Regierung befürworte­t das ausdrückli­ch.

Darüber hinaus wurde in Tiflis ein Gesetz auf den Weg gebracht, das auf den ersten Blick überrascht: Das georgische Namensrech­t soll verschärft werden. Bisher dürfen Georgier ihren Nachnamen ohne jede Begründung so oft ändern, wie sie wollen. Dieses Gesetz nutzten auch Kriminelle gern. Auf diese Weise hatten Wiederholu­ngstäter von deutschen Grenzwächt­ern wenig zu fürchten – ihr Name war ja in keiner Datenbank registrier­t.

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