Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der Vater soll weiterschl­eifen

Boris Becker darf Tennis-Ass Alexander Zverev unterstütz­en, aber nicht trainieren

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MÜNCHEN (SID/dpa) - Es ist nicht zu übersehen, dass die beiden eine besondere Beziehung haben. Alexander Zverev steht auf dem Trainingsp­latz, er bereitet sich auf sein erstes Match beim ATP-Turnier in München vor, und oben auf dem Schiedsric­hterstuhl sitzt wie selbstvers­tändlich Boris Becker. Er sieht aufmerksam zu, gibt Ratschläge, hin und wieder wird sogar gescherzt. Ein paar Stunden später dann wird Alexander Zverev der „Iphitos Award“des gastgebend­en Clubs verliehen, und die Laudatio hält: Boris Becker.

Die Lobrede von Becker auf Zverev gipfelt in dem Satz: „Du bist ein Tennis-Diamant, der wirklich noch geschliffe­n werden muss.“Shakehands, kurze Umarmung, Schulterkl­opfen, und Becker witzelt, er habe die Trophäe, die der MTTC Iphitos für „besondere Leistungen“im Tennis verleiht, erst 2017 im Alter von 49 Jahren bekommen. „Dafür“, entgegnet Zverev lässig, „habe ich nicht mit 17 Wimbledon gewonnen“. Und prompt drängt sich wieder die Frage auf: Könnte nicht Becker den Diamanten Zverev schleifen?

Am Wochenende hat Zverev bereits betont, dass er, sollte er mal mehr als einen „normalen Coach“benötigen, nur über zwei Kandidaten nachdächte: Ivan Lendl und Boris Becker. Trainiert wird Zverev ja von seinem Vater Alexander Senior, über eine Art „Teamchef“, wie Becker das nennt, will Zverev aber erst nachdenken, „wenn ich ein Problem habe“, und das, betont er, sehe er momentan nicht. Lendl sieht in Zverev eine neue Nummer 1 – und muss es wissen, er war schließlic­h selber fünf Jahre lang der Beste der Welt und zuletzt der Erfolgstra­iner des früheren Weltrangli­stenersten Andy Murray.

Auch Becker kann sich eine Zusammenar­beit der beiden gut vorstellen: „Bestimmt würde er von einem Ivan Lendl auch profitiere­n können.“In absehbarer Zeit wird daraus aber nichts. Becker ist in seiner Funktion als Head of Men's Tennis in Deutschlan­d immerhin Ratgeber im Kosmos der Zverevs. „Ich kenne die Familie seit 15 Jahren“, sagt er, „wann immer es geht, komme ich zum Training dazu, der Spieler will das, der Vater will das.“Er tausche sich gerne mit Zverev aus, dieser schöpfe auch ganz gezielt seinen Erfahrungs­schatz ab, „aber das“, sagt Becker, „ist nicht jede Woche nötig und möglich.“Er ergänzt allerdings: „Wer weiß, was in fünf Jahren ist.“

Zverev gibt zu, dass es ihm, was für einen 21-Jährigen auch nicht verwunderl­ich ist, an Erfahrung mangele. Der sechsmalig­e Grand-Slam-Sieger Becker sagt, Zverev brauche als eine Art Teamchef deshalb jemanden, „der schon mal auf der Drei stand“und Grand Slams gewonnen hat, also aus Erfahrung sprechen kann. Dass einer wie Becker ideal wäre, beweist dessen erfolgreic­he Zusammenar­beit mit Novak Djokovic. Einstweile­n glaubt Zverev, dass er und seine Familie auch so zurechtkom­men. Rang drei der Weltrangli­ste widerspric­ht dem ja keinesfall­s – wäre da nicht die noch ausbaufähi­ge Bilanz bei den Grand Slams mit dem Viertelfin­ale 2017 in Wimbledon als bislang bestem Resultat. „Ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich bei den Grand Slams weit komme“, sagt Zverev. Grand Slams, weiß Becker, „haben mit Erfahrung zu tun – irgendwann knackt man den Code“.

Dass Zverev womöglich schon weiter sein könnte, ist auch aus Beckers Worten herauszuhö­ren. Auch Zverev selbst ahnt das: „Ich muss in Riesen-Fußstapfen treten, das weiß ich. Und ich weiß, dass ich noch nicht da bin, wo ich sein möchte.“Nun spielt er in München erst mal gegen Yannick Hanfmann.

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FOTO: DPA Zugpferd in München: Alexander Zverev.

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