Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Reisebüro schließt Ende Juni Bahnfahrkartenschalter
Inhaberin kritisiert Vertragsbedingungen der Bahn – Rathaus und Stadtseniorenrat bedauern die Entwicklung
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BAD WALDSEE - Seit Einstellung des Fahrkartenverkaufs am Schalter des Bahnhofs Ende 2015 konnten DBKunden diesen Service im Reisebüro „Travel Star“auf der Hochstatt in Anspruch nehmen. Ende Juni schließt Inhaberin Susanne Kapitel allerdings diesen speziellen Ticket-Schalter, weil sie mit den Vertragsbedingungen der Deutschen Bahn nicht einverstanden ist. Bahnkunden müssen damit also bald wieder mit dem Fahrkartenautomaten an Gleis 1 vorliebnehmen oder ihre Tickets im Internet kaufen.
„Unser Service wurde in den zweieinhalb Jahren immer besser angenommen. Vor allem Senioren und Kurgäste holten bei uns ihre Bahnkarten, ließen sich lange Strecken heraussuchen und gaben Koffer auf. Aber auch junge Menschen waren unsere Kunden“, erläutert Susanne Kapitel, warum sie diesen DB-Kartenverkauf in ihrem Reisebüro eigentlich gerne fortgeführt hätte. „Zumal wir dafür 2015 in Personal, EDV und Büroausstattung investiert haben. Aber die Bahn hat die zunächst vereinbarten Konditionen mit neuen Vertragsbedingungen derart verschlechtert, dass ich mich nicht mehr in der Lage sehe, diese Aufgabe fortzuführen“, bekennt die Geschäftsfrau.
Der SZ berichtet sie von ihren Verhandlungen mit dem Unternehmen, die ein Jahr lang „zu keinem brauchbaren Ergebnis“geführt hätten. Im Gegenteil: „Man ist mir seitens der Deutschen Bahn mit großer Arroganz begegnet“, zeigt sich Kapitel verärgert und bittet ihre Kundschaft um Verständnis für ihre Entscheidung.
Auf SZ-Anfrage führte das „Regionalbüro Kommunikation Stuttgart“der Deutschen Bahn AG aus, dass das Unternehmen „leider“keinen Einfluss habe auf die wirtschaftlichen Entscheidungen seiner Agenturen. „Es gibt einen Lizenzvertrag mit entsprechenden Konditionen für Präsenzagenturen, der mit dem höchsten Provisionssatz für das Reisebüro in Bad Waldsee versehen war“, so der Bahnsprecher, der namentlich nicht genannt werden möchte. Und weiter: „Wir haben die Entscheidung des Reisebüros bedauert und suchen aktuell nach anderen Lösungen, haben aber leider noch kein Ergebnis. Die Nahverkehrsgesellschaft BadenWürttemberg und das Verkehrsministerium haben wir entsprechend informiert.“
Stadtverwaltung und Stadtseniorenrat wurden von der Nachricht überrascht und sind nicht gerade begeistert davon. „Der Kartenverkauf und auch die Kofferannahme wurden laut Rückfrage im Reisebüro doch gut angenommen“, betont Marianne Ploil, stellvertretende Vorsitzende des Stadtseniorenrates. „Leider ist die Deutsche Bahn kein guter Kooperationspartner. Aber das Internet kann eben nicht die Hilfe von Menschen ersetzen und deshalb hoffen wir sehr, dass die Bahn im Sinne der Waldseer Senioren ihre Vertragsbedingungen noch einmal überdenkt“, so Ploil dazu weiter.
Bürgermeister Roland Weinschenk kann die Einstellung des DBFahrkartenschalters im Reisebüro ebenfalls nicht gutheißen, weil dadurch ein Service für ältere Bürger verloren geht. „Aber die Entscheidung des Reisebüros ist nachvollziehbar, da der Fahrkartenverkauf wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist. Die Prüfung durch die Stadtverwaltung hat zudem ergeben, dass angesichts solcher Rahmenbedingungen auch ein Betrieb durch die Stadt defizitär wäre“, führt das Stadtoberhaupt weiter aus. „Im Übrigen ist es nicht vertretbar, dass ein Bundesunternehmen zur Verbesserung seiner Kostenseite den städtischen Steuerzahler belastet.“
Bleibt für d2ie Waldseer DB-Kunden noch die Hoffnung auf ein VideoReisezentrum, das inzwischen in kleineren Bahnhöfen zum Einsatz kommt. Weinschenk: „Das wäre auch für unsere Stadt eine ansprechende Alternativlösung – vorausgesetzt, die Deutsche Bahn kommt nach Abwägung ihrer Interessen ebenso zu diesem Ergebnis.“Die Stadtverwaltung habe dazu Erfahrungen aus anderen Orten eingeholt, die eine solche Einrichtung bereits nutzen. „Diese durchaus attraktive und zukunftsorientierte Alternative muss die Deutsche Bahn zunächst jedoch selbst befürworten, da sie auch Betreiber wäre“, betont der Bürgermeister.