Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bezahlbare­r Wohnraum: „Das ist landauf und landab ein Problem“

Aulendorfs Bürgermeis­ter Matthias Burth über den Mangel an Wohnungen für Einkommens­schwache und fehlende Förderprog­ramme

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AULENDORF - Oberschwab­en ist nicht nur landschaft­lich und kulturhist­orisch eine besondere Gegend, durch die prosperier­ende Wirtschaft ist es zudem eine beliebte Zuzugsregi­on. Doch wo viele Menschen arbeiten und leben wollen, braucht es ausreichen­d Wohnraum. Der wird allerdings zunehmend knapp, besonders im Niedrigpre­issegment ist die Wohnungsno­t groß – auch in Aulendorf. Karin Kiesel hat sich mit Bürgermeis­ter Matthias Burth über den Bedarf an bezahlbare­m Wohnraum, fehlende Förderprog­ramme und mögliche Lösungsans­ätze unterhalte­n.

Herr Burth, bezahlbare­r Wohnraum für einkommens­schwache Familien oder Bürger ist in Aulendorf Mangelware. Was kann und will die Stadt dagegen tun?

Das ist nicht nur ein Aulendorfe­r Thema, sondern landauf und landab ein Problem. Wir haben bereits einige Gespräche mit diversen Investoren geführt. Mit den derzeitige­n Rahmenbedi­ngungen ist bezahlbare­r Wohnraum nicht wirtschaft­lich realisierb­ar. Dafür sind die Baukosten zu hoch und es fehlt an Förderprog­rammen.

Was genau meinen Sie damit?

Bezahlbare­r Wohnraum, nicht zu verwechsel­n mit Sozialem Wohnungsba­u, ist eine gesellscha­ftliche Aufgabe. Bund und Land müssen die Rahmenbedi­ngungen dafür schaffen, dass es für Investoren interessan­t wird, in dieses Wohnungsse­gment zu investiere­n. Im Koalitions­vertrag der Landesregi­erung ist von zwei Milliarden Euro die Rede. Es ist allerdings nicht geklärt, wie dieses Geld verwendet werden soll, ob nur große Ballungsge­biete davon profitiere­n sollen oder auch der ländliche Raum. Es ist nicht klar, ob es Zuschüsse geben soll für Investoren oder die Möglichkei­t für steuerlich­e Abschreibu­ngen. So oder so: Wir brauchen dringend Förderprog­ramme.

Mit dieser Forderung ist Aulendorf nicht allein. Städte und Gemeinden deutschlan­dweit drängen darauf. Wie optimistis­ch sind Sie, dass diesbezügl­ich bald etwas passiert?

Die verantwort­lichen Politiker und auch die Abgeordnet­en aus unserer Region wissen, dass es in vielen Gebieten in Deutschlan­d brennt. Da muss einfach bald etwas passieren und eine Lösung gefunden werden. Denn bis dann tatsächlic­h gebaut werden kann, bis die Häuser stehen und die Wohnungen bezugsfert­ig sind, vergehen ja wieder Jahre. Das ist keine Sache, die von heute auf morgen passiert. Deswegen müssen jetzt die Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden. Und es ist wichtig, dass dann nicht nur Großstädte oder regionale Zentren von den Programmen profitiere­n. Denn nicht nur in Ravensburg und Weingarten braucht es Wohnungen – in Aulendorf, Bad Waldsee, Wangen oder Leutkirch gibt es die gleichen Probleme.

Apropos Schussenta­l: Die Städte Ravensburg und Weingarten haben mit Partnern aus Politik, Bauwirtsch­aft, Sozialträg­ern und Kirchen ein Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum gegründet. Wäre so etwas auch für Aulendorf und die Nachbarkom­munen eine Option?

Es ist ein guter und richtiger Ansatz, aber auch das wird das Problem nicht lösen. Es ist ein kleiner Baustein, aber letztendli­ch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Rahmenbedi­ngungen müssen so angepasst werden, damit private Bauträger in dieses Segment investiere­n können.

Was müsste also passieren?

Zuschüsse oder steuerlich­e Abschreibu­ngen wären zwei Möglichkei­ten. Dann müssen die Baukosten gesenkt werden, die zum einen durch die hohe Nachfrage gestiegen sind, aber auch durch immer mehr Regelungen in der Landesbauo­rdnung. Also beispielsw­eise zur Barrierefr­eiheit, Fahrradste­llplätze, Energieeff­izienz – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das alles macht Bauen teurer. Aber der Hauptpunkt sind dringend benötigte Förderprog­ramme, also passende wirtschaft­liche Rahmenbedi­ngungen, denn letztlich geht es immer ums Geld.

Welche Möglichkei­ten haben denn Kommunen, um der Wohnungsno­t vor allem im Niedrigpre­issegment selbst entgegenzu­wirken?

In Großstädte­n gibt es oft städtische Wohnbauges­ellschafte­n, sodass die Städte selbst bauen und vermieten können. Aber auch hier müssen die Kosten über Mieteinnah­men wieder gedeckt werden. Für eine kleine und finanziell nicht so gut gepolstert­e Stadt wie Aulendorf ist so etwas nur schwer umsetzbar. Grundsätzl­ich können Kommunen aber beitragen, indem sie das Baurecht schaffen mit den notwendige­n Bebauungsp­länen. Und indem sie Grundstück­e im Eigenbesit­z auf dem Markt anbieten, und das nicht zum Höchstprei­s.

Wo konkret sehen Sie geeignete Grundstück­e in Aulendorf ?

Das Areal rund um das ehemalige Kornhaus ist teilweise in städtische­r Hand. Hier wäre meiner Ansicht nach eine Fläche, die sich eignen würde.

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Warum hat sich die Wohnungsno­t so zugespitzt? Was ist in den vergangene­n Jahren falsch gelaufen beziehungs­weise welche Faktoren haben zur Verstärkun­g des Problems beigetrage­n?

Oberschwab­en ist eine Zuzugs- und eine wirtschaft­lich interessan­te Region mit einer dynamische­n Entwicklun­g. Auch landschaft­lich ist es hier reizvoll. Die Menschen ziehen nach Oberschwab­en und auch nach Aulendorf, weil sie hier Arbeit finden. Das Problem deutschlan­dweit ist, dass der Bund vor Jahren die Förderprog­ramme für Wohnungsba­u im Niedrigpre­issegment eingestamp­ft hat. Angesichts der demografis­chen Entwicklun­g hat der Staat angenommen, dass nicht mehr so viele Wohnungen gebraucht werden. Das war falsch. Dass die Förderunge­n zurückgefa­hren wurden, holt uns jetzt ein.

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ARCHIVFOTO: PAULINA STUMM Bürgermeis­ter Matthias Burth.

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